09.11.2018
Energiewende mit Füßen treten – das Energie-Sammelgesetz
Es ist wieder unglaublich, mit welchem Vorgehen und welchen Inhalten das Bundeswirtschaftsministerium den aktuellen Entwurf des Energie-Sammelgesetzes herausgebracht hat. Ein Mamut-Werk von über 150 Seiten wird an die Verbände versendet – einfach „zur Kenntnis“. Nicht einmal eine Rückmeldung ist gewünscht, eine Abstimmung im Vorfeld wurde nicht angefragt. Einfach mit dem Kopf durch die Wand, und das nicht nur im EEG, sondern gleich in 19 verschiedenen Energiegesetzen. Die DGS-Stellungnahme dazu ist hier als pdf verfügbar.
So geht Energiewende nicht
Inhaltlich tritt der Entwurf die Ziele der Energiewende mit Füßen und die Hoffnungen und Bedürfnisse der Bürger, die sich nach wie vor dafür engagieren wollen noch viel mehr.
Bürokratisch überladen war das EEG ja bisher schon, jetzt werden aber die Anforderungen an Eigenversorger weiter verschärft, bei Innovationsausschreibungen wird im Falle eines Netzengpasses einfach keine Marktprämie mehr bezahlt und eine interessante Anforderung an Erzeuger und Speicher findet sich auch noch in §13 a des zu ändernden Energiewirtschaftsgesetzes: Anlagen ab 100 kW Leistung sollen netzdienlich werden. Das ist ja prinzipiell ein gutes Ziel, um die Stabilität des Stromnetzes weiter zu gewährleisten. Doch die geplante Regelung lautet: Der Betreiber der Anlage hat eine Regelung seiner Anlage durch den Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) „zu dulden“ und erhält dafür einen finanziellen Ausgleich. Nanu? Der Netzbetreiber darf entscheiden, ob eine PV-Anlage heruntergeregelt wird oder gar ein Großspeicher geleert wird. Und wenn der Speicherbetreiber den Speicher gefüllt hat, um zeitversetzt seine Netzspitzen zu kappen? Nach aktuellem Stand hat er da einfach verloren, denn der Entwurf sieht weder eine zeitliche noch eine mengentechnische Obergrenze für solche Maßnahmen vor. Und wenn das Stromnetz einmal massiv schräg liegt, kann davon ausgegangen werden, dass der ÜNB seine Möglichkeiten auch erschöpfend ausnutzt.
Keine Lösung für die Zukunft
Was wir auch an dem Entwurf bemängeln: Er liefert keine Lösung für herannahende Probleme, die heute schon sichtbar im Anflug sind. Zukunftslösungen für den nahenden 52-GW-Deckel oder den Weiterbetrieb von PV-Altanlagen ab 2021 sucht man im Entwurf vergebens. Auf den 52-GW-Deckel, ab dem PV-Neuanlagen dann keine Vergütung nach EEG mehr erhalten, werden zwar die Sonderausschreibungen nicht angerechnet, trotzdem wird er nach Ansicht von Marktkennern schon im Jahr 2020 erreicht. Kurz davor wird der Markt explodieren und danach zusammenbrechen. Gibt es dazu eine politische Lösung? Nein.
Das gleiche gilt für die alten PV-Anlagen, die ab 2021 aus dem EEG herausfallen und dann ebenfalls auch erst einmal ohne Vergütung dastehen. Sicher gibt es viele Anlagen, die dann auf Eigenverbrauch umgerüstet werden können und damit wirtschaftlich weiterbetrieben werden können. Aber für etliche Anlagen wird ein Umbau zu teuer und ein Eigenverbrauch (z.B. weil sich die Anlage nicht auf dem eigenen Dach befindet) nicht möglich sein. Auch dafür muss die Politik eine Lösung finden, sonst hilft der weitere Ausbau der PV in Deutschland irgendwann dem Klimaschutz nicht mehr, weil auf der andren Seite genauso viel Anlagenleistung in Form von Altanlagen wieder abgebaut wird.
Stattdessen Vergütungsabsenkung
Stattdessen wird im Entwurf eine abrupte Absenkung der Vergütung um 20 % für Dachanlagen zwischen 40 und 750 kWp zum 1.1.2019 angekündigt, die genau den Bereich treffen würde, der sich in den vergangenen Monaten positiv entwickelt hat. Zum ersten Mal seit etlicher Zeit werden in diesem Jahr die Minimal-Zubauwerte, die die Bundesregierung definiert hat (2,5 GW Zubau), wieder erreicht. Und käme diese Absenkung, so würde gleich ein zweiter Bereich in die Tiefe gerissen: Da der Mieterstromzuschlag direkt als Differenz zur Vergütung berechnet wird, läge der Mieterstromzuschlag bei größeren Anlagen dann bei null. Das neue Mieterstromgesetz, kaum ein Jahr alt und damals politisch heftig umstritten, muss dann für größere Anlagen in die Tonne getreten werden.
Spannend wird kurzfristig eine rechtliche Bewertung, denn die Bundesnetzagentur hatte einen Tag vor Veröffentlichung des Gesetzesentwurfes ja bereits die Vergütungssätze der kommenden drei Monate (also inklusive dem Januar 2019) veröffentlicht.
Daneben verstecken sich noch etliche andere Punkte im der geplanten EEG-Änderung, die zu kritisieren sind. Die DGS hat deshalb – auch ohne formale Anfrage des Ministeriums – eine ausführliche Stellungnahme dazu erstellt und geht darin auf einige Punkte ein, die unbedingt noch geändert werden müssen. Insgesamt ist klar: Mit diesem Entwurf wird die Energiewende nicht gelingen, der Klimaschutz nicht vorankommen.
Die Stellungnahme kann hier abgerufen werden. Haben Sie dazu Anmerkungen, nimmt der Autor diese gerne entgegen.
Auch die anderen Verbände (unter anderem BEE, BSW, Eurosolar, BBE) sprechen sich unisono gegen die geplanten Regelungen, vor allem die Vergütungsreduzierung, aus, zu finden sind die jeweiligen Statements auf den Webseiten der Verbände. Das Energie-Sammelgesetz soll nun kurzfristig in erster und zweiter Lesung vom Bundestag behandelt werden. Es ist zu hoffen, dass hier noch wichtige Anpassungen erreicht werden. Über den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens werden wir in den kommenden News sicherlich weiter berichten können.
Und an die junge Leute, die in Berlin wohnen: Das BMWi sucht aktuell Auszubildende (Bild 2), gewünschte Kernkompetenzen: „Teamplayer“ und „Zukunftsgestalter“. Aha.
Jörg Sutter