09.02.2018
Es ist ein unsägliches Blabla um ein anderes Bild der Energiewende
„Wir wollen im Energiebereich die Rahmenbedingungen so setzen, dass die Energiewende zum Treiber für Energieeffizienz, Modernisierung, Innovationen und Digitalisierung im Strom-, Wärme-, Landwirtschafts- und Verkehrssektor wird, ohne die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland zu gefährden […] Zentrale Orientierung bleibt das energiepolitische Zieldreieck von Versorgungssicherheit, verlässlicher Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit.“ Vor einigen Tagen wurde der neue Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD geschlossen und so klingen die ersten Sätze zum Thema Energie. Die DGS hat in der Koalitionsvereinbarung nachgeschaut, wie das Thema Solarenergie darin enthalten ist. Das Wort Solarenergie kommt nicht vor, immerhin aber Photovoltaik. Ansonsten wird von Erneuerbaren Energien gesprochen. Die Klimaproblematik bildet keinen zentralen Aufhänger, wird also auch nicht in Beziehung zu Energiewende und Erneuerbaren Energien gebracht. Gegenüber dem Sondierungspapier hat sich geändert, dass man das Verfehlen der Klimaziele 2020 nicht mehr anspricht. Ein Lippenbekenntnis zum Pariser Klimaschutzabkommen und den Klimaziele 2020, 2030 und 2050 wird abgegeben, kost’ nix, gehört halt zum guten Ton. Die „Handlungslücke“ zur Erreichung des Zieles 2020 soll so schnell wie möglich geschlossen werden. Dafür wird eine Kommission in Aussicht gestellt, die die Lücken analysieren und „Maßnahmen erarbeiten soll“. Ob man die Mitglieder einer solchen Kommission „Lückenbüßer“ nennen sollte? Übrigens, das Thema Ausstieg aus der Kohleverstromung ist auch keines. Dass das auch in die Hände einer Kommission gelegt werden soll, war schon vorher bekannt.
Im Energiekapitel, das sich im Koalitionsvertrag nicht zufällig unter der Hauptüberschrift der Wirtschaft findet, wird festgelegt, dass die Energiewende ein „Treiber“ für die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland sein müsse. Das ist eine völlig andere Funktionszuweisung für die Energiewende, als wir sie in der DGS sehen. Für uns ist und bleibt sie das Mittel zum Kampf gegen den Klimawandel. Nach Ansicht der GroKo soll der Ausbau der Erneuerbaren Energien – wie auch schon im vorangegangenen Sondierungspapier beschrieben – „zielstrebig, effizienter, netzsynchroner und zunehmend marktorientierter“ erfolgen. Das angeführte Ziel von 65 % Erneuerbare Energien, das einige Protagonisten aus dem Solarbereich schier ausflippen lässt, wird unter diese Vorbedingungen gestellt. Als DGS können wir das nur kritisieren: Nein, der Zubau und das Erreichen der 65 % (oder besser mehr) darf nicht unter eine Vielzahl von Vorbehalte gestellt werden. Wenn dafür leistungsfähigere Netze gebraucht werden, müssten diese gebaut oder leistungsfähiger oder intelligenter gemacht werden. Auch die vorgesehenen Sonderausschreibungen in Höhe von je 4 GW für PV und Onshore-Wind stehen unter dem Vorbehalt der Aufnahmefähigkeit der Netze! Und wenn die Netzbetreiber sagen, das geht nicht, kann sich die Politik zurücklehnen und den Zubau verschieben. Nein, so funktioniert ambitionierter Klimaschutz und Zielerreichung wirklich nicht. Nebenbei machen diese Vorbehalte einmal mehr deutlich, dass sich der Gedanke des Ausbaus hier nur auf den Strombereich („netzsynchron“) bezieht. Die Wärme wird nicht gedacht.
Deutlich wird, dass der Netzausbau (Netzausbaubeschleunigungsgesetz) der Dreh- und Angelpunkt dieser anderen Art der Energiewende sein soll. Bereits die Politik des damaligen Wirtschaftsministers Gabriel in der letzten GroKo verfolgte diese Linie. Sie besteht darin, die Erneuerbaren erst einmal zu bremsen und stattdessen das große Verbundnetz, das „öffentliche“, zum Rückgrat dieses anderen Energiesystems zu machen: „Wir halten an dem Ziel der einheitlichen Stromgebotszone in Deutschland fest“, so klingt das nun bei der GroKo. In den Netzen soll die Fluktuation der Erneuerbaren aufgefangen werden, nicht schon bei der Erzeugung durch Sonne und Wind selbst. In den Netzen sollen „Flexibilitäten“ – ein neues Modewort – zur Überwindung der Fluktuationen entwickelt werden. Aber die Netze unterliegen der Kontrolle durch die vier großen Übertragungsnetzbetreiber und die wollen an ihrer Stellung nicht rütteln lassen. Sie haben die Organisation der Flexibilitäten mittels Digitalisierung zu ihrem Geschäftsfeld erkoren und sehen die Verteilnetzbetreiber nach wie vor in der Rolle der Erfüllungsgehilfen, auch wenn im Koalitionsvertrag steht, sie sollten die großen Vier durch „intelligente Investitionen flankieren“. Darin und in der Synchronisation dieses hierarchischen Systems, das nur scheinbar Raum für Dezentralisierung lässt, bestehe die Herausforderung.
Die Bürgerenergie kommt in den Überlegungen der GroKo nicht vor, sie wird nur indirekt unter dem Stichwort Betreibervielfalt erwähnt, die man nicht vergessen wolle. Das ist kein Zufall, denn die Erzeugung der Erneuerbaren wird letztlich als kostengünstige Hilfsleistung angesehen, die man gern mitnimmt. Ausnahme ist allerdings der Offshore-Wind, dem eine “industriepolitische Bedeutung für Deutschland“ zugeschrieben wird. Die wirtschaftliche Bedeutung der Prosumer und der Verbraucher-Erzeugergemeinschaften aus der Bürgerenergie wird nur als Teil einer Wertschöpfungskette gesehen, deren Kern bei den Dienstleistungen der Netzbetreiber gesehen wird. Weswegen auch die „bereits beschlossenen bundesweit einheitlichen Übertragungsnetzentgelte“ umgesetzt werden sollen. Plus weiterer „Anreize für den Netzausbau“. In der Sektorenkoppelung wird demgemäß nichts weiter als eine lukrative Erweiterung des Strommarktes gesehen. Dafür sprechen Formulierungen wie „wir wollen die Koppelung der Sektoren Wärme, Mobilität und Elektrizität voranbringen“. Es passt, wenn keine Ambition beim Speicherausbau erkennbar sind und auch keine konkreten Maßnahmen angeführt werden. Dass Rahmenbedingungen verändert werden müssten, um Bürgerenergie, Stadtwerke und Verteilnetzbetreiber in eine andere Rolle zu befördern, kein Wort darüber. Ein konkretes Ziel? Ein Benchmark? Fehlanzeige. Stattdessen: „Für Speicher wollen wir entsprechende Forschungs- und Fördermittel bereitstellen“. Im Sondierungsergebnis hieß es noch „Die Marktfähigkeit der Speichertechnologien soll durch die Überprüfung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unterstützt werden“. Jetzt also „nur“ Forschung. Und das obwohl der Speichermarkt boomt und längst den Weg zum Endkunden und in Gewerbe- und Netzanwendungen gefunden hat. Die Hemmnisse eines zu komplizierten Rechtsrahmens und der damit einhergehenden Bürokratie sind kein Thema. Weiter so, wie bisher.
Ein kurzer Blick auf den Bereich der Wärme verrät, dass auch hier ein „Weiter so“ angesagt ist. Die Linie der „Energieeffizienz First“ wird beibehalten, KWK soll „CO2-ärmer“ werden und Power-to-Heat und Power-to-Gas will man über „Reallabore“ von der „Demonstration zur Markteinführung“ bringen. Kein Plan, wie eine energetische Bestandsmodernisierung oder gar Solarisierung angegangen werden könnte. Stattdessen taucht, vielleicht nicht überraschend, der Satz auf, man wolle „Deutschland zum Standort für LNG-Infrastruktur machen“. Also neben Erdgas aus Russland und europäischen Nachbarländern soll das Geschäft mit gefracktem Gas, das verflüssigt und gekühlt aus den USA angelandet wird, angegangen werden. Nicht die Solarisierung und Dekarbonisierung des Wärmesektors steht auf der Tagesordnung, sondern die Erweiterung und Modernisierung des Gasgeschäftes. Wohl für die Wärme- wie die Stromerzeugung. Das allerdings ist auch ein Konzept. Aber keines, das im Zusammenhang mit dem Begriff der Energiewende oder der Solarisierung in Zusammenhang gebracht werden kann.
Die DGS hat 2017 ein Positionspapier entwickelt, in dem sie ihre Ziele und Schritte für die Energiewende skizziert hat. Vergleich man diese Inhalte mit dem aktuellen Koalitionsvertrag, so ist darin keiner unserer Impulse enthalten. Einfach keiner. Natürlich könnte man die geplanten Sonderausschreibungen, aus dem Zusammenhang gerissen, positiv bewerten, da sie dem Markt ein klein wenig Impuls geben werden. Aber insgesamt macht der Koalitionsvertrag nicht den Eindruck, die Energiewende im Sinne der Bürger gestalten zu wollen. Es ist eine andere Energiewende, die da gezeichnet wird, eine Energiewende der alten Monopole, die ihre alten Machtstrukturen neu ordnen und an die Erneuerbaren Energien anpassen wollen. Dafür steht die Koalitionsvereinbarung der GroKo – auch wenn die SPD-Basis das Ding noch kippen könnte. Ambitioniert, konkret und verbindlich ist der Vertrag nicht, aber voller Tarnungen für die wahren Ziele der Monopole. In diesem Zusammenhang ist eines anzumerken: Die Entwicklungen rund um die Erneuerbaren Energien, die außerhalb des deutschen Blickfeldes stattfinden, Stichwort Hybridisierung und Verbundlösungen, werden von den Groko-Strategen nicht gesehen. Es geht nur um den Erhalt und die Rekonstruktion alter Machtstrukturen. Das wird als disruptiver Bumerang zurückkommen. Denn vier verlorene Jahre hierzulande sind vier Jahre Innovation und Lernkurven in China und USA.