06.12.2024
Wasserkraft-Spezial: Meeresenergien, Teil 1
Ein Bericht von Götz Warnke
Wasserkraft ist die älteste Form der Energie-Nutzung, ja sogar der industriellen Energienutzung überhaupt, wenn man z.B. die Mühlenstrecke von Barbegal betrachtet. Wasserkraft ist auch heute noch weltweit die wichtigste der Erneuerbaren Energien mit einem regenerativen Stromanteil von über 50 Prozent. Doch in Deutschland führt sie – vor allem aus ideologischen Naturschutzgründen und trotz ihrer Grundlastfähigkeit – mittlerweile ein Schattendasein. So hielt es offensichtlich die Agentur für Erneuerbare Energien e.V. letztens nicht einmal für nötig, in ihrer jüngsten Akzeptanzumfrage nach der Zustimmung der Bürger zur Wasserkraft zu fragen.
Dabei zeigen allein schon die rund 80.000 Wasserkraftanlagen im Deutschen Reich in den 1880er Jahren, dass es deutlich anders geht – und zwar durchaus naturfreundlich. Heute sind es nur noch ca. 7.500 Anlagen, und dennoch gelten sie Naturschützern und Anglern als Zerstörer der Flüsse und Fischbestände.
Im Frühjahr diesen Jahres haben Hans Josef Fell und Heinrich Strößenreuther gemeinsam mit einem Team in einer Studie mit dem Titel „Wasserstrom – der neue Gamechanger für Klimavorsorge, Heimatenergien und Gewässernatur“ die deutschen Wasserkraftpotentiale analysiert und aufgezeigt, wie man durch Repowering, Anlagenmodernisierung, Reaktivierung von still gelegten Anlagen und Anlagenneubau an großen Flüssen diese Potentiale heben kann.
Doch selbst in dieser verdienstvollen Studie findet sich ein Segment der Wasserkraftnutzung nicht, weil es noch unbekannter ist als die konventionelle Wasserkraft: die Meeresenergien!
Meeresenergien wurden bzw. werden weltweit genutzt, aber nicht jede Form ist dabei überall auf der Welt und speziell in Deutschland nutzbar. Denn es gibt hier sehr unterschiedliche Formen und technische Verfahren.
Meereswärmekraftwerke nutzen den Temperatur-Unterschied von rund 20°C zwischen warmen Oberflächenwasser und kaltem Tiefenwasser, um über einen OCR-Kreislauf eine Turbine anzutreiben und so Strom zu erzeugen. Eine entsprechende Anlage wird z.B. in Japan auf der Insel Kumejima in der Präfektur Orkinawa getestet. Zwar sind diese Kraftwerke grundlastfähig und das weltweite Energie-Ernte-Potential dieser Kraftwerke übertrifft sogar den weltweiten Stromverbrauch, aber die Technik ist in unseren Breiten gar nicht einsetzbar. Erstens fehlt das entsprechend große Temperaturgefälle zwischen Oberflächen- und Tiefenwasser, und zweitens kehren sich die Temperaturunterschiede sogar bisweilen um: im Winter ist das Oberflächenwasser u.U. kälter als das 4°C kalte Tiefenwasser.
Meeresströmungskraftwerke sollen die großen Meeresströme nutzen, sofern diese dicht an den Küsten und dicht an der Meeresoberfläche entlang fließen. Das ist z.B. beim Japanstrom der Fall, der zudem bis 7 km/h schnell ist; und in der Tat experimentiert man in Japan mit solchen Kraftwerken. In Europa finden wir solche Bedingungen an der Straße von Gibraltar und der Straße von Messina. Die entsprechenden Kraftwerke sind zwar grundlastfähig, aber zugleicch teuer, müssen stabil gebaut sein und in größeren Tiefen positioniert werden, wo Wellen und Gezeiten sie nicht beeinflussen. Auch wenn häufig wegen der ähnlichen Technik Gezeitenkraftwerke mit Meeresströmungskraftwerken verwechselt bzw. gleichgesetzt werden – solche Meeresströmungen gibt es in deutschen Hoheitsgewässern nicht.
Osmosekraftwerke nutzen den unterschiedlichen Salzgehalt (Salinität) zweier Flüssigkeiten, die durch eine halbdurchlässige Membran von einander getrennt sind. Diese Membran hält zwar das Salzwasser zurück, lässt aber das Süßwasser durch. Da miteinander in Verbindung tretende Lösungen dazu tendieren, ihre unterschiedlichen Konzentrationen auszugleichen, erfolgt ein kraftvolles Einströmen des Süßwassers in das Salzwasser, was man über verschiedene Techniken nutzen kann. Entscheidend für den Einsatz dieser grundlastfähigen Technik sind – neben großen, stabilen Membranen – große Salinitätsunterschiede und große Wassermengen, wie man sie meist an felsigen Küsten findet, wo Flusswasser in einem klar umrissenen geografischen Raum auf das salzige Meerwasser trifft.
Die flachen deutschen Küstengewässer und die in sie einströmenden großen Flüsse wie Elbe, Weser, Ems sind stark durch die Gezeiten beeinflusst, weshalb hier weiträumig und bis tief in die Flussläufe hinein Brackwasser vorherrscht, das größere Salinitätsunterschiede verhindert. Allenfalls direkt am Eidersperrwerk, das den Fluss und das Meer trennt, wäre eine solche Installation denkbar.
Funktioniert die Energie aus dem Meer also bei uns nicht, gibt es hier nicht hinreichende Potentiale? Zum Glück gibt es noch weitere Meeresenergien, die deutlich mehr Potential bieten – davon wird in Teil 2 zu reden sein.
Wasserkraft-Spezial: Meeresenergien, Teil 1