05.04.2019
Von „mehr Klimaschutz“ zu „kein Schuldach ohne PV-Anlage“
Immer noch wird darüber gestritten, ob die Schüler-Demonstrationen wegen Unterrichtsversäumnis und Verstoß gegen die Schulpflicht vertretbar seien. Sachsen-Anhalts Bildungsminister z.B. verneint das und droht mit Bestrafung. - Lächerlich! Im Land sind 2018 über 700.000 Stunden ausgefallen, nicht wegen Schülerstreik, sondern weil Hunderte von Lehrern fehlen. Wenn es logisch zuginge, müsste der Minister vor Gericht, da er für das großskalige Unterlaufen der Schulpflicht verantwortlich ist. Solche Logik figuriert aber wohl nicht im Lehrplan.
Offenkundig geht es ihm nicht um die Durchsetzung des hehren Rechts auf Bildung, sondern um die Verunglimpfung des Klimaschutzes. Dieser legt nämlich den Finger in eine Wunde: Auch in Sachsen-Anhalt gibt es Kohle-Industrie, weswegen die Landesregierung in der Kohlekommission zu den Kräften gehörte, die am heftigsten für die Verschiebung des Ausstiegs nach hinten kämpften. Nun bekommt sie von der Jugend vorgehalten: „Ihr klaut uns die Zukunft!“ - Da versucht man, auf eine andere Thematik abzulenken.
Zum Glück wissen die Schüler, was wichtiger ist: das Nicht-Ausfallen von zwei Schulstunden oder die Erhaltung der Lebensvoraussetzungen auf diesem Planeten. „Fehlstunden verkraftet man, Klimawandel eher nicht so“ war in Magdeburg auf einem Pappschild zu lesen.
Es handelt sich auch nicht bloß darum, durch den Regelverstoß und das damit verbundene Risiko die Dringlichkeit und Bedeutung der Aktionen zu erhöhen. Vielmehr gerät die Regel selber auf den Prüfstand: Entspricht diese Schulbildung, an der teilzunehmen, wir gesetzlich gezwungen werden, eigentlich unseren Interessen? Wir werden darin zu funktionierenden Gliedern eines Gesellschaftssystems erzogen, das dabei ist, den Ast, auf dem wir alle sitzen, abzusägen. Kann das gut sein?
„Egoistisch Bildung genießen, oder selbstlos den Planeten retten?“ stand auf einem anderen Schild. Inwieweit Bildung Genuss ist, dürfte auch wieder mit den Inhalten zu tun haben, aber dass Bildung oder den Planeten retten, als Alternativen erscheinen. Entweder das eine oder das andere - wirft ein ganzes Arsenal von Fragen auf.
Diese Schülerbewegung enthält bedeutende Keime, die nach Wachstum drängen. Auch die zentrale Forderung „mehr Klimaschutz“ ist auf Entfaltung angelegt. Ihre alles umfassende Allgemeinheit verlangt Konkretisierung, z.B. im praktischen Ausbau der Sonnenenergien. „Kein Schuldach ohne PV-Anlage“ würde sich als deutschlandweite Forderung anbieten. Wie angebracht das wäre, ist gerade an Berlin zu studieren. Dort will der Senat Schulneubauten nicht mit PV-Anlagen ausstatten, da diese angeblich unwirtschaftlich seien. Wenn Schüler den „Zukunft-Klau“ hier am konkreten (verweigerten) Projekt festmachen und mit Ausdehnung des Streiks auf Donnerstage drohen, könnte das den Senat möglicherweise umstimmen und den Schülern Erfolgserlebnisse verschaffen.
Den Umstieg auf die Sonnenenergien zu beschleunigen, dürfte der hauptsächliche Schlüssel für die Realisierung von „mehr Klimaschutz“ sein. Kontakte zwischen der Schülerbewegung und Experten der Erneuerbaren Energien wären vermutlich fruchtbringend für beide Seiten. Die Schüler blieben in solchem Zusammenwirken die spontan treibende Kraft und der entscheidende Faktor, um die bislang herrschende, die Energiewende abbremsende Politik zu verunsichern und abzuservieren.
Immerhin: Die öffentliche Information über die kaum glaubliche Verweigerungshaltung des Berliner Rot-Rot-Grün zeigt Folgen. Die Grünen bereiten einen Antrag an das Abgeordnetenhaus vor, wonach neue oder sanierte Schulen mit Photovoltaik- oder Solarthermie-Anlagen auszustatten sind. Firma "Solarimo", die kürzlich mit dem Angebot an die Öffentlichkeit gegangen war, Kommunen und auch den Berliner Schulen Photovoltaik-Anlagen kostenlos zur Verfügung zu stellen, befindet sich mit verschiedenen Akteuren in Verhandlung.
Christfried Lenz