04.10.2019
Bioenergie in der Nach-EEG-Zeit
Wie kann die Zukunft bestehender Bioenergie-Kraftwerke gesichert werden, wenn deren EEG-Förderung zu Ende geht? Ist dann überhaupt noch ein wirtschaftlicher Betrieb neuer Holz-Heizkraftwerke möglich? Im Projekt Bio2020plus zeigt der Bundesverband Bioenergie e.V. (BBE) viele Perspektiven auf. Am 19. Fachkongress Holzenergie auf der Festung Marienberg Würzburg beleuchteten Anlagenbetreiber und Fachleute einige dieser Zukunftschancen.
Das Problem ist ganz einfach beschrieben: Sind bestehende Bio-Heizkraftwerke (HKW) für die Zeit nach Auslaufen der EEG-Förderung nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben, dann werden die Betreiber den Aus-Knopf betätigen. Das könnte bei einigen Anlagen schon 2020 soweit sein. Und dann fehlt Biogas- oder Holz-Strom: Der Energiemix dreht sich also wieder rückwärts, von Erneuerbar in Richtung Kohle-Öl-Gas.
Das weiß der Gesetzgeber, das wissen die Bundes- und Länder-Energieminister. Doch bis heute gibt es von Seiten der Politik keine klaren Konzepte. Das Greifbarste erkennen Bioenergie-Verbände in Forderungen, die einige Bundesländer im der jüngsten Bundesratssitzung einbrachten und die in der Länderkammer nun weiter beraten werden (die DGS-News berichteten).
„Schon jetzt gibt es außer bei kleinen Biogas-Hofanlagen keinen Neubau mehr“, stellt Bernd Geisen vom BBE fest. „Es besteht die Gefahr, dass Bioenergie-Anlagen aus dem System fallen. Dabei wollen wir mehr statt weniger erreichen.“ Aktuell jedenfalls stamme ein Drittel des deutschen Ökostroms aus der Verstromung von Frisch- und Altholz sowie Biogas.
Wind und Sonne steht nicht als Ersatz bereit
„Wenn Wind- und Solaranlagen Biostrom ersetzen sollten, dann bräuchte man zusätzlich zum Status Quo 2,4 Gigawatt (GW) Wind und 7,7 GW Photovoltaik“, rechnet Martin Dotzauer vom Deutschen Biomasseforschungszentrum DBFZ vor. Dabei sei es eigentlich die flexible Bioenergie, die man brauche, und zwar in gespeicherter Form, um die Löcher der PV- und Windstromerzeugung auszugleichen. „Gerade Holzheizkraft hat im Gegensatz zu Biogas günstigere Materialkosten“, plädiert Dotzauer ganz besonders für mehr Rohstoff aus den Wäldern. Hier weist Bernd Geisen auf das zurzeit „nach Sturm- und Käferschäden auf Halde liegende Schadholz“ hin. Aber: „Es gibt kein Wirtschaftsmodell von der Stange.“ Jedes sei individuell.
Die Altholz-Alternative?
Frank Scholl von STEAG New Energies sieht dagegen „die Entsorgungsfunktion für Altholz“ als Zukunftsperspektive. „Die werden entstehen und auch ohne EEG überlebensfähig sein“, ist der Praktiker sicher. Und am Beispiel des seit 2003 laufenden Biomasse-HKW Buchen zeigt er: Dieses Geschäftsmodell funktioniert auch heute schon.
„Wir könnten quasi schon ins Post-EEG-Zeitalter hineinspringen“, erklärt Erich Blass vom Biomasse-Heizkraftwerk Siegerland. Damit wird der örtliche Flughafen mit Fernwärme versorgt. Blass sieht neben Alt- und Restholz auch Perspektiven für andere Rohstoffe wie Grünschnitt oder Gewerbeabfall für Holz-HKW. Und er hofft auf „hohe CO2-Zertifikate für Bio-Wärme und –Strom: Bei einem Preis von 48 Euro pro Tonne“ sei seine Anlage auch nach einem teuren „Retrofit“ wirtschaftlich zu betreiben. Doch CO2-Handel mit Bioenergie: Bei dieser Forderung zieht nicht jeder in der Branche mit; das zeigt die folgende Diskussion.
Jan Sagefka, Geschäftsführer der Baywa-Tochter Clean Energy Sourcing, setzt einerseits mehr auf den Stromterminmarkt – „der Preis geht seit 2016 grundsätzlich nach oben und wird weiter steigen“ – und auf langfristige Abnahmeverträge mit Einzelkunden. „Einem Erzeuger einen Verbraucher zuordnen“, nennt er das. Und Sagefka empfiehlt, „Firmen mit schlechtem Image“ als Kunden für Ökostrom zu suchen. Die könnten dann „ein Grünes Fähnchen“ heraushängen lassen.
Ein paar Euro obendrauf…
Florian Röder von NEXT-Kraftwerke sieht virtuelle Vernetzung als das Maß aller Dinge. 7.000 Megawatt (MW) aus insgesamt 8.000 Anlagen hat Next bereits zusammengeschaltet, um Regelleistung zu vermarkten. „Auch drei Holz-HKW mit zusammen 5,1 MW sind dabei, die bieten 2,9 MW Sekundärregelleistung“. Seine Firma tritt als Vermarkter gegenüber den Netzbetreibern auf, steuert die Anlagen aus der Ferne – diese Möglichkeit müsse deshalb vorhanden sein. „On Top auf die EEG-Vergütung 2 Euro pro MWh, das sind bei 1 MW Leistung etwa 15.500 Euro im Jahr, aufgeteilt zwischen Vermarkter und Betreiber“, rechnet er den aktuellen Zustand aus.
Für die Zukunft schlägt Roeder aber besonders „bedarfsorientierte Einspeisung“ vor. Was damit gemacht wird? „Wasser am Meer über Deiche pumpen“, nennt er als Beispiel. „Es ist eine geringe Investition für die Fernsteuerbarkeit notwendig“, lockt er Anlagenbetreiber.
Die Baden Airpark Energie liefert unter anderem Wärme für die Holzfaserproduktion. Diese Anlage vermarktet laut Rainer Schrägle von der Beratungsfirma Technologica sogar ein eigentliches Abfallprodukt aus Holz-HKW.
Am Kraftwerk fällt Holzasche an aus dem eingesetzten naturbelassenen Holz. Die werde zur Bodenstabilisierung eingesetzt, im Straßenbau beispielsweise als Ersatz für Kalk. Das würde nicht nur beim Baden-Airpark funktionieren. Denn während Kalk über weite Strecken angefahren werden müsse, gebe es die Holzasche im Kraftwerk um die Ecke, nennt Schrägle einen Vorteil. Natürlich sei es besser, mit der Asche Felder zu düngen, „doch die fällt bekanntlich ganzjährig an. Und so große Lager haben HKW halt nicht.“ Und weil „eine Fußnote in der Verordnung entfernt“ wurde, sei Holzasche noch nicht einmal mehr deponierbar, schüttelt er den Kopf ob dieser gesetzlichen Unsäglichkeit.
Einspeisevorrang ist Voraussetzung
Corinna Vogler vom Saarbrücker Uni-Forschungsinstitut IZES hat im Projekt „Altholz - Quo Vadis“ Post-EEG-Geschäftsmodelle unter die Lupe genommen.
„Die Grundvoraussetzung für alle Zukunfts-Ideen: Der Einspeisevorrang für Erneuerbaren Strom muss erhalten bleiben.“ Das ist zwar offiziell noch nicht sicher. Doch andererseits habe die Bundesnetzagentur bereits bestätigt: „Auch ausgeförderte bleiben Erneuerbare Energie-Anlagen“. Und deshalb sieht sie eine ganze Menge Perspektiven.
So werde „langfristig der Wärmemarkt eine dominante Rolle spielen“ – gut für Bio-HKW. Doch es brauche auch politische Entscheidungen. Die Möglichkeit der Förderung von Prozesswärmeauskopplung für Altholzanlagen gäbe es erst dann, wenn eine Fußnote im KfW-Programm 295 gestrichen werde. Es müsse endlich „durch die Anerkennung von Altholz als Erneuerbarer Energieträger auch für Neuanlagen Einspeisevorrang geschaffen werden“. Doch wenn der Gesetzgeber wolle, hätte Holzkraft jede Menge verlässliche Erlösperspektiven, sagt Forscherin Vogler. Und da ist sie sich mit den meisten Teilnehmern des Holzenergie-Kongresses einig.