04.02.2022
Heizkostenzuschuss und EEG-Umlage: Was hilft gegen die hohen Energiepreise?
Eine Analyse von Jörg Sutter
Die Energiepreise sind hoch, nicht nur bei Verbrauchern, die den Stromanbieter seit Ende 2021 wechseln mussten, weil sie von ihrem herausgeworfen wurden oder der Lieferant insolvent wurde. Nein, die Kosten steigen derzeit auch für die normalen Haushalte, denn alles, auch Gas und Pellets wurden teurer. „Derzeit ist Energie so teuer wie nie“, sagte Steffen Suttner, Geschäftsführer Energie bei Check24, in dieser Woche im Spiegel. Laut einer Analyse des Vergleichsportals sind die Kosten für Strom, Heizung und Mobilität in den vergangenen 12 Monaten um rund 57 Prozent bei einer durchschnittlichen Familie gestiegen.
Die Ursachen sind vielfältig: Schnelles Wiederanfahren der Wirtschaft – vor allem in Asien – nach der Coronapause, weltweit hohe Gaspreise und damit verbunden auch hohe Strompreise, weil in Europa viel Strom aus Gas erzeugt wird. Und Russland liefert derzeit nur so viel Gas, wie vertraglich vereinbart ist, nicht mehr. Als Hintergrund kann der politische Konflikt um North Steam II vermutet werden, auch wenn das kein Politiker offiziell zugeben möchte. Die Staaten in Europa reagieren und dämpfen die Energiekosten für Bürger und Wirtschaft ab, in verschiedenen Ländern jedoch auf völlig unterschiedliche Weise. So hat Frankreich die Strompreise gesetzlich gedeckelt und gibt dem französischen Stromversorger EDF nun rund 20 Mrd. Euro, um Verluste auszugleichen. Unser östlicher Nachbar Polen hatte beschlossen, die Umsatzsteuer für Energie von Januar bis März abzusenken: Bei Gas von 23 auf 8 Prozent, bei Strom von 23 auf 5 Prozent. In Deutschland sind zwei Maßnahmen schon in Umsetzung bzw. konkret angedacht.
Der Heizkostenzuschuss
Die Bundesregierung hat in den vergangenen Tagen den schon zuvor öffentlich diskutierten Heizkostenzuschuss angestoßen. Damit soll betroffenen Haushalten mit geringem Einkommen geholfen werden, um die meist im Sommer anstehende Nachzahlung für Heizkosten abzufedern. Wohngeldbezieher sollen 135 Euro erhalten, Zweipersonenhaushalte 175 und Auszubildende wie auch Studierende 115 Euro. Statistisch betrachtet setzen Haushalte mit geringem Einkommen rund 10 Prozent der Einkünfte für Energie aus, bei einkommensstärksten Haushalten ist mit 5 Prozent nur die Hälfte.
Doch hilft das wirklich? Sicher, eine einmalige Entlastung ist kurzfristig eine Lösung, wenn die Nachzahlungsrechnung auf dem Tisch liegt. Doch schon die Höhe wird kritisiert: „Der Zuschuss in Höhe von 135 bzw. 175 Euro reicht leider nicht aus, um die Mehrkosten wirklich abzufedern“ erklärt der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten. Schon im Januar hatte auch der Verbraucherzentrale Bundesverband einen deutlich höheren Betrag gefordert: 500 Euro pro Haushalt im Durchschnitt, um die tatsächlichen Erhöhungen abfangen zu können. Zusätzlich wurde das neuerliche Aussetzen von Gas- und Stromsperren gefordert.
Doch unabhängig von der genauen Höhe: Reicht das? Der Deutsche Mieterbund fordert weitere Maßnahmen, die deutlich mehr Haushalte erreichen und diese sofort entlasten. Dazu gehören Sofortmaßnahmen wie eben das Aussetzen von Strom- und Gassperren und die Senkung des Strompreises. Das führt zum Beispiel zur Absenkung der EEG-Umlage, die im nächsten Absatz beschrieben wird. Vorteil dieser Maßnahme: Sie wirken auch langfristig, auch wenn die Energiekosten bis ins nächste Jahr oder noch länger hoch bleiben. Man kann gespannt sein, ob die Höhe und weitere Änderungen noch bis zur geplanten Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes zum Heizkostenzuschuss in die Regelungen Eingang finden. Ziel dafür ist jedenfalls eine Gesetzeskraft ab 1. Juni 2022.
EEG-Umlage
Die EEG-Umlage erreichte im vergangenen Jahr einen Rekordwert von 6,5 Cent pro Kilowattstunde. Bei einem Privathaushalt summiert sich das bei einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh auf einen Jahresbetrag von 228 Euro. Schon im vergangenen Jahr hat Minister Altmeier eine Absenkung auf 3,7 Cent/kWh vorgenommen, die seit 01.01.2022 umgesetzt ist. Geplant war, die Umlage dann 2023 vollständig abzuschaffen. Nach Finanzminister Lindner ist eine weitere Reduzierung, derzeit steht eine Absenkung auf Null im Raum, denkbar und auch schnell, perspektivisch zum 1. Juli 2022 möglich. Dazu müsste dieser Punkt in das angekündigte „Osterpaket“ der Bundesregierung eingebaut werden, derzeit darf das angenommen werden.
Doch Thorsten Müller (Stiftung Umweltenergierecht) weist zurecht darauf hin, dass die reine Absenkung der Umlage nicht automatisch beim Endkunden ankommen muss, der Gesetzgeber muss weitergehende Vorkehrungen treffen, um tatsächlich eine Preissenkung zu erreichen. Denn: Das EEG regelt nicht, dass die Verbraucher die EEG-Umlage zahlen. Der Gesetzgeber müsste also die Stromlieferanten tatsächlich gesetzlich zusätzlich verpflichten, die 3,7 Cent-Absenkung vollständig an die Kunden weiterzugeben.
Ein kleiner Nachteil aus der Sicht der Photovoltaik sei an dieser Stelle nicht verschwiegen: Ohne EEG-Umlage sinkt die Preisdifferenz zwischen bezogenen und im Eigenverbrauch selbst erzeugtem Solarstrom. Doch dieser Effekt bleibt klein, wenn die Energiepreise hoch bleiben. Und: Vor allem bei komplexeren Projekten wird beim Messkonzepten und der Abrechnung durch eine Abschaffung der Umlage vieles einfacher und damit auch nochmals günstiger. Dieser Vorteil wird überwiegen, ein Nachfrage-Einbruch bei der PV ist dadurch nicht zu erwarten.
Weitere Maßnahmen
Ein Bündnis aus Verbänden um den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), den Deutschen Mieterbund und die Deutsche Umwelthilfe fordert aktuell die Regierung auf, "kurzfristig eine verbraucherfreundliche Strompreisreform" umzusetzen. Dazu gehöre neben der Abschaffung der EEG-Umlage auch eine vorübergehende Absenkung der Stromsteuer auf das nach EU vorgegebene Minimum. Gleichzeitig müssten die Fördermittel für die Förderung für klimafreundlichen Neubau und Sanierung von Gebäude erhöht werden. Sie müssten von heute 17 Milliarden Euro auf 25 Milliarden Euro "angehoben und langfristig verstetigt werden". Der Fokus der Förderung müsse dabei auf der Sanierung verschoben werden. Auch die Idee des Energiesparens wird nun wieder ins Rampenlicht gezerrt, wenngleich das in vielen Haushalten nicht die Lösung des Problems sein kann.
… und die Erneuerbaren?
In den aktuellen Forderungspapieren – vor allem aus politischen Federn - ist natürlich des öfters davon die Rede, dass die Erneuerbaren Energien verstärkt ausgebaut werden müssen. Und es wird argumentiert, dass regenerative Energien preisstabilisierend und preissenkend wirken. Aber was derzeit fast vollständig fehlt: Konkrete Beispiele von Haushalten, die heute schon von geringen Energiekosten aufgrund von Solarnutzung oder erneuerbar versorgter Heizung profitieren. Haben Sie schon geringe Energiekosten durch ihre eigen Solarthermie- oder PV-Anlage? Schreiben Sie mir durch kurz unter sutter(at)dgs.de. Ich würde gerne einige solche Beispiele in einer der kommenden DGS-News vorstellen.
Anmerkung der Redaktion:
Das bedingungslose CO2-Steuer-Grundeinkommen
Der Paritätische Gesamtverband und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland haben in einer gemeinsamen Stellungnahme die Einführung einer pro-Kopf-Rückzahlung für hohe Energiekosten (ein sogenanntes Klimageld bzw. eine Klimaprämie) gefordert. Das erinnert ein wenig an das von der DGS bereits 2016 skizzierte „bedingungslose CO2-Steuer-Grundeinkommen“. Die These damals lautete: Um eine CO2-Abgabe für sozial benachteiligte abzufedern, sollten alle Bürger einen definierten monatlichen Betrag erhalten. Folglich kann jeder - weil er einfach möchte - weiterhin fossile Energien verschwenden und dafür jenes Grundeinkommen aufbrauchen. Wer nicht anders kann und viel Energie benötigt, wird dagegen dadurch unterstützt. Und wer ein bisschen über seine Konsumgewohnheiten nachdenkt und sich für CO2-freie Produkte entscheidet, der hätte am Ende des Monats tatsächlich ein zusätzliches Grundeinkommen zur Absicherung seines Lebens. Die Thesen von damals: www.sonnenenergie.de//uploads/media/SE-2016-04-s016-Politik-CO2_Steuer_Lohn.pdf