03.07.2020
Eine ganz andere Welt der Transformation: Climate Transformation Summit
Es war einfach eine ganz andere Welt, mit der Klimakatastrophe umzugehen, als ich sie bisher kannte: Ich habe mich am vergangenen Freitag in den Climate Transformation Summit gestürzt – und bin (mit Pausen, zugegeben) fast neun Stunden begeistert dringeblieben. Im Internet. Denn dort fand dieser Klima-Umwandlungs-Kongress statt, Kürzel CTS2020.
Ja, ich kenne wissenschaftliche Aufarbeitungen auf Kongressen zur Genüge. Die Tagungsbände von fast 30 Photovoltaik-Symposien auf Kloster Banz stehen in meinem Bücherregal – seit dem 20. bin ich nicht mehr jedes Jahr nach Altenbanz gefahren. Denn irgendwie war es Routine. Wohl vor allem bei den Veranstaltern. Und trotz immer mehr TeilnehmerInnen im Lauf der Jahre ist OTTI e.V. nicht mehr unter uns. Auch wenn das Web noch anderes vermuten lässt.
Von Kongressroutine kann man beim Climate Transformation Summit 2020 beileibe nicht sprechen. Vielleicht sind die sehr jugendlich wirkenden Organisatoren Lara Obst und Yasha Tarani von „The Climate Choice“ in 30 Jahren soweit wie einst die OTTI-Crew, dass sie routiniert ihre Knöpfe drücken und sich die Tagesordnung fast ohne weiteres Zutun aufstellt. Doch in diese Veranstaltung haben Lara und Yasha ihr ganzes Herzblut gesteckt, das merkt sogar – oder gerade – ein Alt-Solarier wie ich. Er ging etwas chaotisch los, der CTS2020. Doch schon das Warten, dass der Einspieler des auch sehr umweltaktiven Fernsehdoktors Eckart von Hirschhausen nicht dreifach übereinander, sondern eineindeutig zu sehen war, hat sich gelohnt. Denn Hirschhausen reizte gerade Menschen wie mich zum Weitermachen: „Nur ein Prozent der Weltwirtschaftsleistung wäre nötig, die Energieversorgung komplett auf Erneuerbare Energien umzustellen. Wenn wir das nicht schaffen, ist das eine Beleidigung für die Ingenieure.“ Dieses Problem, dass nämlich in vielen Betrieben und Behörden eine Noch-Übermacht der Kaufleute herrscht, kritisierte auch Elisa Naranjo, Chefin des Kondom- und Tampon-Herstellers Einhorn Products in ihrer Keynote: „In den Produkten muss man von vornherein Nachhaltigkeit festlegen. Was gibt es Nachhaltigeres als Baumwolle?“ fragte sie und erwähnte, dass sie aufschrecke, wenn ein Kaufmann gegen die Investition einer Solarstromanlage zur Versorgung der Produktion eintrete.
Das Hauptpanel „Klimatransformation - zwischen Konjunkturpaket und Climate Distancing“ war sehr breit und hochkarätig aufgestellt. Doch hätte man sich gewünscht, dass Moderator David Wortmann von DWReco nicht nur die Frage „Wie bekommen wir den Wandel hin?“ gestellt hätte, sondern wenigstens bei Corinna Weinmiller von Nestlé auch die kritischen Aspekte von konzerngetriebener Lebensmittelproduktion hinterfragt hätte.
Doch Lisa Badum (Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90 / Die Grünen), Linda Kannenberg (Carbon Disclosure Project) und Tristan A. Foerster von ClimatePartner brachten eine sehr breit aufgestellte Diskussion zustande. Ferry Heilemann von Leaders for Climate Action beispielsweise ließ keinen Zweifel aufkommen: „Nachhaltig handeln kostet mich mehr Geld und kann Nachteile gegenüber Mitbewerbern bringen. Um das auszugleichen, brauchen wir ernsthafte Politik und nicht eine homöopathische CO2-Steuer.“ So viel Mut gegenüber seinen Mit-Gesellschaftern aus der Politik zeigte DENA-(Deutsche Energie Agentur)Chef Andreas Kuhlmann nicht. Er setzt offenbar weiterhin zuerst auf die Eigendynamik der hiesigen (Markt-)Wirtschaft: „Deutschland ist immer noch das Energiewendelabor der Welt. Wir dürfen uns nicht schlechter machen, als wir sind.“ Auch darüber wurde im „Slack“, der Austauschplattform, während und nach dem Panel heftig weiterdiskutiert.
Den Themen Energie, Gebäude, Produktion, Mobilität, Food, Digital und Umwelt waren die jeweils 45-Minuten-„Firesite-Chats“ gewidmet, einer nach dem anderen. Zehn parallele Workshops machten die Bandbreite des Kongresses noch größer. Dann wurde gepuzzelt, also aus einzelnen Ideen der Teilnehmenden ein Gesamtbild zusammengestellt. Den Tag schloss Jimdo-Mitbegründer Fridtjof Detzner von Planet A mit der zweiten „Keynote“-Präsentation ab. Ein paar mehr Zahlen und Fakten zu CTS2020 stehen inzwischen auch bereits im Netz.
Und, achja: Das „Du“ ist angesagt an diesem Tag. Etwas, was einem Dauer-Duzer wie mir sehr entgegenkommt. Was ich aber in unserem urdeutschen Energiewirtschaftsleben kaum noch erlebe, zu „professionalisiert“, also geldorientiert ist dieses ansonsten geworden. Vielleicht kommen ja gerade, auch angeschoben von Fridays for Future, wieder die Überzeugungstäter an die Reihe, bei denen nicht „Wachstum, Wachstum, Wachstum“ und Gewinnmaximierung an erster Stelle ihres Denkens stehen. Teilnahmepreise von 13,40 bis 66,58 Euro lassen auch hier anderes erkennen.
PS: Wer den Climate Transformation Summit 2020 selbst erleben will, kann sich den ganzen Livemitschnitt aktuell noch auf Youtube reinziehen.
Ob die neun Stunden nötig sind, muss jede*r selbst entscheiden. Zumindest ein Durchzappen ist unbedingt empfehlenswert. Aber: Was dort nicht zu sehen, lesen, finden ist, sind die – bereits angesprochenen - Hintergrunddiskussionen. Bei anderen Kongressen ist mit den vergleichbaren Flurgesprächen schon kurz nach dem letzten Vortrag Schluss. Doch hier laufen die immer noch weiter in so genannten „Slacks“ oder „Channels“ zu den einzelnen Foren, „Fireside Chat“ genannt. Dabei ist CTS2020 offiziell schon lange offiziell beendet.