02.08.2019
Wir brauchen mehr von dem weniger
"Hey Alter, dass es so viele Flüge täglich gibt, hätte ich nicht gedacht" so ein Kommentar, mit dem der folgende Tweet des Portals Flightradar24 am 27.7.2019 in facebook gepostet worden war: "yesterday we tracked 225.000 flights in a single day for the first time“. Täglich 225.000 Flüge, das bedeutet stündlich rund 9.400 Starts und Landungen, mit Spitzen bei 20.000 - und dabei sind die militärischen gar nicht eingerechnet. Diese kurze Info lief parallel zur innerdeutschen Debatte über Fliegen und die Deutsche Bahn. Man müsse mehr Bahn fahren und viel weniger fliegen, so der Tenor. Das Flugbenzin bzw. Kerosin müsse besteuert, verteuert und die Umsatzsteuer für die Bahn ermäßigt werden. Der Linken Vorsitzende Bernd Ritzinger setzte noch eins drauf, am besten sei es, die Lufthansa zu verstaatlichen. Einmal abgesehen von der merkwürdigen Logik, dass andere Besitzverhältnisse bei der Kranich-Airline zu einer Verbesserung im Staatskonzern Deutsche Bahn führen müsse, mutet die Diskussion insgesamt gespenstig an.
Ein Vorschlag kann nicht dämlich genug sein, als dass er sofort durch die Medien gejagt wird. Entsprechend bildet sich das natürlich dann in der Deutschen liebstem Stammtisch, den sozialen Netzwerken im Internet, ab. Hauptsache es wird getalked, damit sich der Eindruck verfestigt, es werde etwas gegen die Klimakrise getan. Die Diskussion spielt sich hierzulande auf Kindergartenniveau ab. Was muten die Bundestagsparteien und die Medien eigentlich dem Publikum zu, das in seiner Hilflosigkeit den Mist nur noch einmal wiedekauen kann? Der Planet Erde befindet sich in einer globalen Klimakrise und den hochbezahlten Laberbacken fallen nur "nationale Maßnahmen" ein. In Sibirien brennen über 30.000 Hektar Wald, in Brasilien und Indonesien ist die Abholzung der Regenwälder von den jeweiligen Regierungen praktisch freigegeben und gleichzeitig wird hierzulande eine einseitige Diskussion über Aufforstung geführt, so als ob das nicht gegen einander stehen würde.
Agrarministerin Julia Klöckner beklagt den Zustand der deutschen Wälder und verspricht im September einen „nationalen Waldgipfel“. Aus den Reihen der Grünen kommt die Forderung nach einer Urwald-Offensive. Und CSU-Chef Markus Söder meint, wenn man Klimaschutz in die Verfassung schreibe, wäre das Wichtigste schon erledigt. Beifall von der SPD. Das alte Kinderlied „Ich bin kein Frosch im Brunnen, der nur ein Stück vom Himmel sieht“ scheint hier Pate gestanden zu haben. Je tiefer der Brunnen, also das Diskussionsniveau, desto kleiner der Ausschnitt, der vom Himmel bleibt. So verhält es sich mit den nationalen Maßnahmen gegen ein globales Problem. Es ist kein neues Patentrezept dafür, dass sich nichts ändert, nichts ändern soll. Betrachtet man die politischen Kräfteverhältnisse auf dem Planeten Erde wie im Inland, bekommt man den Eindruck, trotz Fridays for Future sind die Klimaschützer nicht gerade auf dem Vormarsch. Die ideologische Offensive liegt woanders.
Die ökonomischen Probleme, welche die Globalisierung hervorgebracht hat, scheinen vordergründig nicht so gravierend, zumindest wenn man sich über die Massenmedien informiert. Tatsächlich sind sie aber geprägt vom harten Konkurrenzkampf der großen Mächte und Konzerne - die EU eingeschlossen - von Kriegen und vom massiven Aufforsten rechter Gesinnungen und Konzepte. Von alleine kommen letztere nicht. Was sich dem Normalbürger nicht leicht erschließt, die ökonomischen Probleme unserer Zeit haben alle sehr viel mit den Energiefragen zu tun. Die Krise der Automobilindustrie, auch und gerade die Tatsache, dass der Automarkt nicht unbegrenzt wachsen kann, hat zu neuen Lösungen geführt. Elektromobilität ist ein Kind vom aufstrebenden Wettbewerber China und beginnt sich durchzusetzen. Auch mit freundlicher Unterstützung der Energiewendefreunde.
Die Krise in der Kohleverstromung hat ihre Ursache natürlich auch mit darin, dass die Erneuerbaren billiger als die herkömmlichen Verfahren der Kohleverstromung geworden sind. Aber wenn der Treibstoff für die weltweite Autoflotte und die Kohle für den Strom von Erneuerbaren abgelöst und dann auch noch zu Bedingungen zur Verfügung gestellt würde, deren Grenzkosten gegen Null tendieren, dann sägt das an den Fundamenten des Wirtschaftssystems. Das wird natürlich keiner so offen aussprechen und stattdessen lieber die nationale Karte spielen - egal ob es Lufthansa-Verstaatlichung oder ‚make America great again‘ heißt.
So scheint das gegenwärtige Szenario durchwachsen. Elektroantriebe ja, Erneuerbare in der Wärmeversorgung nein. Sektorenkopplung ja, aber nach der Kohle rollt nun der „Fuel Switch“ an. Die Camouflage mit der Brückentechnologie lässt man inzwischen fallen – man hat ja, was man wollte. Die Energiekonzerne kämpfen um ihre Zukunftsperspektiven und die liegen nicht bei den Erneuerbaren. Auch ohne Kohle halten sich die internationalen Monopole mit Erdgas und Öl aus der Tiefsee für überlebensfähig. Das mit Elektroantrieben ist ein vielversprechender Anfang, so man den Einstieg schafft. Vielleicht auch in der Luftfahrt? Und ob man die Befürworter von 100 % Erneuerbaren nicht doch noch mit geschickten Geschäftsmodellen unter Kontrolle bekommen kann, ist längst nicht ausgemacht. Die „Digitalisierung der Energiewende“ erscheint da als ein mächtiger Hebel, der gegen Mittelstand und Bürgerenergie wirken kann.
Man braucht kein Prophet zu sein, aber der Luftverkehr wird weiter expandieren. Genauso wie der Straßenverkehr. Gegenwärtig liegt die Zahl der Autos mit Verbrennungsmotoren – PKW, LKW und Busse – bei 1,3 Milliarden. Aber mit der Elektromobilität wird das erst richtig wacker voran gehen. Bis 2030, so die Statistiker, würde bei gleichbleibender Steigerungsrate der Weltbestand auf 1,6 Mrd. wachsen. Wenn der Elektroantrieb die Herstellungskosten verbilligt und einen neuen „sauberen“ Markt eröffnet, erwarten neuste Studien einen Anstieg auf 2,7 Mrd. bis 2050. Und das wäre verbunden mit einem kompletten Austausch der Verbrenner-Flotte innerhalb einer Generation. Was ist der CO2-Ausstoß eines Verbrennungsmotors im Vergleich zu einem Neubau?
Das Zauberwort ist und bleibt Wachstum. Und das steht nirgends zur Disposition. Weder bei den Freunden der Steuerung mit marktwirtschaftlichen Mitteln, noch bei denen, die von Verstaatlichung oder ordnungspolitischen Maßnahmen träumen. Nicht nur auf der Linken. Es könnte also durchaus sein, dass in ein paar Jahren ein Facebooker den Spruch postet, „eh Mann, dass es so viele Autos gibt, hätte ich nicht gedacht“. Aber bis es so weit ist, wird noch das Narrativ durch die Medien gejagt, die Entwicklung selbstfahrender Autos könnte der steilen Wachstumskurve einen „schlagartigen Knick“ nach unten verpassen. Und im Übrigen bleibt die Erde eine Scheibe.
Klaus Oberzig
Weltbestand an Autos
Flightradar24