01.07.2022
Windthermie: Wärme aus Wind machen
Ein Bericht von Götz Warnke
Dass die Energiewende ein Wärmeproblem hat, ist seit Jahren bekannt und spätestens seit dem drohenden russischen Gasstopp auch beim allerletzten Bürger dieser Republik angekommen. Immerhin macht der Wärmesektor rund die Hälfte des Energieverbrauchs in Europa aus. Während man seit rund einem Vierteljahrhundert die Transformation des Stromsektors mehr oder merkel-minder fleißig vorangetrieben hat, schien das Heizen mit billigem Russlandgas lange alternativlos, zumal zu wenig in die Forschung an kostengünstigen Wärmespeichern investiert wurde. Das hat wiederum dazu geführt, dass viele Politiker inzwischen ein All-Electric-Energiesystem favorisieren, bei dem neben dem Strom- und dem Mobilitätssektor auch der Wärmesektor elektrisch versorgt werden soll. Doch der Schritt, Erneuerbare Energien zu Strom und diesen dann zu Wärme umzuwandeln führt zu Energieverlusten – ganz abgesehen von den dabei nötigen, teuren Stromspeichern. Daher bezweifeln Fachleute, dass ein All-Electric-Energiesystem überhaupt machbar und sinnvoll ist, zumal jetzt schon durch den Importenergie-Bedarf neue Abhängigkeiten am Horizont auftauchen.
Ein Projekt, wie man Wärme kostengünstig und ohne den Umweg über Elektrizität erzeugen kann, ist die Windthermie. Hierbei geht es darum, eine Wärmepumpe (WP) durch ein Windrad direkt-mechanisch antreiben zu lassen. Ein solches Verfahren wurde vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und wird nun an einer kleinen Testanlage erprobt.
Diese besteht aus einer 22 Meter hohen PSW-Horizontal-Windturbine mit einer Dauerleistung von 15 kW. Hier wurde der E-Motor, der bei diesem Typ regulär im Turmfuß sitzt, und durch eine vom Rotor oben hinabreichende Welle angetrieben wird, ausgebaut. Natürlich hätte man statt der PSW-Turbine ein klassisches Western-Windrad verwenden können, das für das Wasserpumpen ebenfalls eine vertikale Antriebswelle besitzt. Zur Pilotanlage gehört auch ein Technikcontainer neben der Windkraftanlage (WKA), der den thermischen Anlagenteil beinhaltet. Dazu kommt, neben einem Wärmespeicher und einer mechanisch angetriebene Wärmpumpe (WP), auch ein hydrodynamischer Retarder („Wasserwirbelbremse“), der effizient Bewegung in Wärme umwandelt, aber im Gegensatz zur Wärmepumpe nur Heizen und nicht Kühlen kann.
Systemvorteile sehen die Forscher bei folgenden Punkten:
- Die kostengünstige (Wärme-)Energiespeicherung in Wasser
- 10 bis 20 Prozent weniger Investitionskosten gegenüber konventionellen Windturbinen durch Wegfall der elektrischen Komponenten (Generator etc.)
- Bessere Nutzung der mechanischen Leistungsfähigkeit der WKA durch Retarder und WP
Wichtigste Forschungsgegenstände sind das optimale Zusammenspiel der Komponenten und die Effizienz des Konzepts Windthermie im Vergleich zu anderen Techniken. Denn schließlich gibt es neben der Windthermie im Bereich der Erneuerbaren Wärme auch noch weitere Techniken wie z.B. Solarthermie und Geothermie. Auch sind „Windbetriebene thermische Energiesysteme“ (WTES) kein grundsätzlich neues Konzept. Schon in den 1970er Jahren haben dänische Windkraft-Pioniere mit dieser Power-to-Heat-Technologie experimentiert: so Karl Erik Jørgensen 1973 in Herborg/Westjütland, Ricard Matzen und Sonne Kofoed 1974 im Institut für Agrikultur-Techniken in Høje-Taastrup, Jørgen Andersen 1975 in Serritslev/Nord-Jütland und viele mehr. Verwendet wurden dabei hydrodynamische Retarder oder elektrische Heizpatronen. Das frühe Engagement zeigt, dass man schon damals in Dänemark die Wärmewende sehr ernst nahm.
Auf wissenschaftlicher Seite hat man sich mit dem Thema besonders in den 2010er Jahren intensiv beschäftigt, so u.a. Roustiam Chakirov und Yuriy Vagapov auf der ICECS-Konferenz 2011 in Singapur, die Japaner Toru Okazaki, Yasuyuki Shirai, und Taketsune Nakamura im Fachjournal „Renewable Energy“ Nr. 83 in 2015, sowie ein deutsch-argentinisches Team um Karl-Kiên Cao und Alejandro Nicolás Nitto im Journal „Energy“ 2018. Dennoch haben die DLR-Forscher um Malte Neumeier vor den Testläufen nochmals die wissenschaftliche Literatur durchforstet und die verschiedenen Wind-zu-Wärme-Konzepte miteinander verglichen. Und dieser Vergleich war offensichtlich vielversprechend.
Betrachtet man das Projekt, so fallen einige Dinge auf:
Erstens sind solche regenerativen Power-to-Heat-Technologien natürlich nicht auf den Wind als Energiequelle beschränkt. Ebenso sind Wasser-zu-Wärme-Konzepte umsetzbar, zumal es solche bereits gibt, wie u.a. die Klostermühle Heiligenrode in Stuhr bei Bremen oder die Stümper Mühle in Paderborn zeigen. Wassermühlen, in der deutschen Politik derzeit ziemlich marginalisiert, könnten als laufende oder reaktivierte Anlagen einen wichtigen Beitrag zu einer dezentralen Wärmewende leisten. Insofern bietet sich ein entsprechendes Parallel- oder Anschlussforschungsprojekt geradezu an.
Zweitens möchte das DLR künftig auch große Windkraftanlagen zur Wärmegewinnung einsetzen, wie z.B. Bild 3/3 hier zeigt. Dabei soll die Wärmepumpe in die Rotorgondel der Windkraftanlage verlegt werden, da – im Gegensatz zu den kleineren Anlagen – eine Antriebswelle von solcher Länge nicht stabil wäre. Das führt aber zu einem hohen Energiebedarf für das Pumpen des Wassers. Eine Lösung könnte das Höhenwindradkonzept des Leipziger Ingenieurs Dr. Horst Bendix sein. Um zu schwere Generatorgondeln zu vermeiden, sieht das Konzept einen Treibriemen vor, der von der oberen Rotorwelle bis zu dem am Boden installierten Generator reicht. Treibriemen sind eine erprobte Technik, wie z.B. kilometerlange Förderbänder zeigen; und statt des Generators könnte man am Boden eine Wärmepumpe installieren.
Die o.a. Beispiele zeigen, dass die technische Entwicklung der Erneuerbaren Energien noch lange nicht abgeschlossen ist.