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Götz Warnke

Wohin weht der Offshore-Wind?

Ein Bericht von Götz Warnke

Moderator Jan Rispens (links), Geschäftsführer EEHH mit Ditlev Engel, CEO DNV Energy Systems
[Quelle: G. Warnke]

Die Offshore-Windkraft ist im Rahmen der Sektorkoppelung ein zentraler Baustein der Energiewende. Die Anlagen erzielen ca. 4.500 Vollaststunden in der Nordsee, halten bis zu 30 Jahre und liegen im Meer außerhalb der Sichtweite der Küste. Mit ihren Vollaststunden erreichen sie rund das Doppelte der Onshore- und das Vierfache der PV-Anlagen in Deutschland; sie sind zwar noch nicht grundlastfähig – das Jahr hat immerhin 8760 Stunden –, aber bieten gewaltige Ausbaupotentiale.

Das ist von Seiten der Wissenschaft auch allgemein anerkannt; jenseits der Klimakrisen-Leugner und Energiewende-Verächter halten allenfalls noch einige Naturschützer dagegen, die sich mit den Veränderungen des Landschaftsbildes durch die Windanlagen und den dazugehörigen Trassenbau einfach nicht abfinden können. Denn für Vögel und Meerestiere stellen die Anlagen keine Gefahr dar.

Dennoch sind die Milliardeninvestitionen auf dem Meer ein schwieriges Geschäft. Um sich hierzu auszutauschen, trifft sich die Branche alljährlich im Frühjahr zur Hamburg Offshore Wind Konferenz, diesmal die #HOW2025, für die die Ausrichter DNV und Erneuerbare Energien Hamburg wieder einen interessanten Kreis von Referenten und Podiums-Disputant:innen zusammengestellt hatten. Konferenzsprache war Englisch.

Nach der Begrüßung durch die beiden Moderatoren sprach der neue Staatsrat der Hamburger Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Landwirtschaft, Dr. Alexander von Vogel. Er betonte u.a., dass der Offshore-Markt in der EU wachse und die Wertschöpfung – anders als bei der PV in der Vergangenheit – im Lande bleibe.

Pierre Tardieu, politischer Direktor beim Branchenverband Wind Europe, plädierte dafür, den Offshore-Wind „wieder auf die Spur zu bringen“: Offshore-Investitionen seien in den letzten Jahren risikoreicher geworden, sowohl hinsichtlich der Finanzierung als auch der Genehmigungen und der Auktionen. Es gäbe z.B. mehrere gescheiterte Auktionen im Baltikum und in Dänemark. Dabei sei die Gestaltung der Rahmenbedingungen der Offshore-Windindustrie eine europäische Aufgabe – immerhin hingen viele Unternehmen und Arbeitsplätze in ganz Europa daran – selbst in Binnenländern wie Österreich und Tschechien.

Ditlev Engel, Geschäftsführer der Energiesystem-Abteilung von DNV, gab einen Ausblick auf die Energiewende in Deutschland bis 2050, der sich im Wesentlichen auf den vom Energieforschungsteam des DNV und weiteren Experten erstellten „Energy Transition Outlook“ stützte. Hier seien nur wenige der vielen interessanten Punkte erwähnt: Sowohl das Ziel der Klimaneutralität in 2045 als auch in 2050 wird deutlich gerissen; es gelingt nur eine CO2-Reduktionn gegenüber 1990 um 89% bzw. 95%. Das Verhältnis Energieeigenerzeugung zu Energieimporten wird sich bis 2050 umkehren; erstere werden dann bei 73%, letztere bei nur noch 37% liegen. Die Transformations-Geschwindigkeit der einzelnen Sektoren ist unterschiedlich; am leichtesten sei der Transportsektor zu dekarbonisieren – Verbrennerfahrzeuge würden 2050 weniger als 3% des Fahrzeugbestands ausmachen.

Beim ersten Podium zu Auswirkungen des deutschen Auktionsdesigns auf die Projektentwicklung und den Elektrizitätsmarkt herrschte bei den Teilnehmern weitgehende Einigkeit, dass gescheiterte Auktionen Gift für den Offshore-Markt seien, da sie nicht nur die Industrie verunsicherten, sondern auch die großen Investoren, die als Pensionsfonds darauf angewiesen seien, das ihnen anvertraute Geld sicher anzulegen. Das deutsche Ausschreibungs-Design der Auktionen, das auf maximale staatliche Einnahmen setze, sei zu hinterfragen; z.B. in den Niederlanden kämen auch Kriterien wie Umweltfreundlichkeit der Anlagen und technische Innovationen zum Zuge. Gut sei, dass die neue Bundesregierung Offshore-Wind als Teil der kritischen Infrastruktur einstufe. Hinsichtlich der Vermarktung des Offshore-Stroms gab es eine weitgehende Einigkeit hinsichtlich direkter Stromlieferverträge (PPA) und entsprechender Auktionen, während der CFD-Markt umstritten blieb.

Das 2. Podium, nach dem Mittagessen und mit anderer Besetzung, versuchte in einem Realitätscheck zu klären, ob wir neue Szenarien für die kurz- und langfristigen Ziele brauchen. Nochmals wurde von Teilnehmern betont, dass grundsätzlich klare Rahmenbedingungen für Planung und Investitionen wichtig seien. Es gehe nicht nur um eine kurzfristige Sicherheit und das Festhalten an den großen Zielen, sondern der Rahmen müsse auch mittelfristig klar sein: stabile Bedingungen, Regelungen und Förderungen bis 2030. Immerhin dauere es fünf Jahre, um eine Fabrik gut zum Laufen zu bringen. Und auch für die Hafenkapazitäten rund um die Nordsee bestünde ein riesiger Bedarf.

Auch wenn sich die Podiumsteilnehmer weitgehend einig waren, dass die Offshor-Windkapazitäten am besten auf einem europäischen Level ausgebaut würden, so war man sich klar, dass derzeit die Nationalstaaten immer noch die Ausbauziele vorgeben. In diesem Zusammenhang kam dann die Anti-Offshore-Politik des neuen US-Präsidenten zur Sprache, die direkte Auswirkungen auf die europäische Windindustrie hat; immerhin kommen Türme und Monopiles für die US-Projekte ganz oder teilweise aus Europa.

Zum Schluss folgten zwei interessante Redner, die kurzfristig für verhinderte Referent:innen eingesprungen waren:

Dr. Elmar Friedrich von Copenhagen Infrastructure Partners beschrieb unter dem Titel Strom für die Zukunft – eine Vision für das europäische Energiesystem im Jahr 2050 die Politik seiner Firma, die als Großinvestor keine Gelder mehr in fossile Infrastruktur stecke, sondern Großprojekte finanziere wie die künstliche Insel „Zeedonk“ in der niederländischen Nordsee, die Strom und damit hergestellten Wasserstoff liefern soll, oder den Baltic Sea Hydrogen Collector. (BHC). Auch in der deutschen Nordsee seien mit „Energieland Nordsee“ und „Energieinsel Dogger“ zwei Energieinseln geplant. Friedrich verwies u.a. darauf, dass für Investoren heute nicht mehr allein die Emissionsreduzierung im Vordergrund stehe, sondern daneben auch weitere wichtige Ziele wie Energiesicherheit. Energiekosten und ökonomisches Wachstum hinzugetreten seien. Dies müsse für die Erneuerbaren Energien kein Nachteil sein, da sie naturgemäß Energiesicherheit und extrem niedrige Energiekosten böten.

Last but realy not least sprach Andreas Nauen von Sandbrook Capital zum Thema, wie man die Offschore-Windkraft wieder nach vorn bringen könne. Dazu entwickelte er interessante Ideen, u.a.:

  • Zusammenschluss von Energieunternehmen, um gemeinsam bei den Auktionen auf große Lose bieten zu können.
  • Gemeinsame Nutzung von teurer Infrastruktur wie z.B. Installations-Schiffen
  • Partikulare Zusammenarbeit mit China – ohne Know-How-Abfluss.
  • Zusammenschluss von eigenständigen Erstausrüstern (OEM) zur Schaffung eines „Windenergie-Airbus“ nach dem Vorbild Luftfahrt-Konzerns.

Wenn es nach den rund 120 Experten und der Vielfalt der hier angesprochenen Themen und Gedanken geht, so wird diese 22. Ausgabe der Hamburg Offshore Wind Konferenz nicht die letzte gewesen sein.