Ein Veranstaltungsbericht von Heinz Wraneschitz

„Energiewende – so klappt’s: Ursachen von und Umgang mit Verschwörungsmythen“: so hatte die KEA-BW, die Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg die Online-Veranstaltung angekündigt. Doch merkte ein Teilnehmer im Chat kritisch an, das Versprechen sei nach 70 Minuten nicht voll eingehalten worden: „Was sind konkrete Maßnahmen?“
Dabei hatten die drei Protagonist:innen grundsätzlich und einvernehmlich mehrfach betont: In der Vergangenheit habe die Kommunikation gegenüber Kritiker:innen von Wind- und Solarprojekten oder der Energiewende insgesamt fast ausschließlich auf schriftlich dokumentierte, wissenschaftliche Fakten gesetzt. Das aber sei zu wenig.
Drei Diskutierende – viel Übereinstimmung
Konkret empfahl Thekla Walker, seit Mai 2021 als Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft von Baden-Württemberg tätig: „Was man lernen muss: Daten und Fakten-Infos, das reicht nicht. Das funktioniert deshalb nicht, weil es bei den Menschen ein emotionales Bedürfnis gibt. Wie also bekommen wir das verständlich und nachvollziehbar hin? Wir brauchen dafür lokale Akteure, die für Erneuerbare Energien einstehen, glaubwürdige Personen, die es ehrlich meinen. Leute, die keine finanziellen Interessen an den Anlagen haben.“ Die könnten die Leute vor Ort menschlich überzeugen, ohne sich auf jene Daten und Fakten stützen zu müssen.
Religions- und Politikwissenschaftler Michael Blume, Baden-Württembergs Beauftragter der Landesregierung gegen Antisemitismus, hatte schon 2022 in einem Buch klar benannt, woher die Energie-Verschwörungsmythen kommen: „Öl- und Glaubenskriege – Wie das Schwarze Gold Politik, Wirtschaft und Religionen vergiftet“. Das bekräftigte er in der Diskussion: „Bei der Energiewende gibt es viele, die Lobbyinteressen haben. Und die bedienen die Reaktanz, also die Angst der Leute vor dem Neuen. Sprich: wenn jemand etwas verändern will, versuche ich es zu verhindern. Denken Sie an die Proteste damals gegen den Sicherheitsgurt oder das Rauchverbot.“ Doch er stellte auch klar: „Wir erreichen die Menschen nicht mit Texthaufen“, sondern mit persönlicher Kommunikation.
Der Dritte im Diskussions-Bunde, Bestseller-Autor Wolfgang Schorlau, hat in seinem Krimi „Black Forest“ genau diese Reaktanz beim Kampf um die Energiewende beschrieben. „Der Konflikt um das Windrad hatte einen Rationalen Hintergrund: Die Angst der Leute, dass der Wert ihrer Grundstücke sinkt. Von einigen Wenigen wurde die Angst vor dem Unbekannten geschürt, vor dem Infraschall. Denn viele Initiativen suchen nur Argumente nach ihren eigenen Interessen, nicht nach der Wahrheit. Und was auffällt: Die Vereine bestehen nur aus wenigen Leuten, aber die Kassen sind voll. Es gibt also offensichtlich jemand, der große Gelder dort hineingibt.“
Die Schuldigen: Fossil-Lobby – und wer noch?
Wer dies sein könnte? Die Diskutierenden hatten da unisono eine Gruppe im Verdacht: Die Fossilenergie-Lobby. „Natürlich geht es den Konzernen darum, dass man ihnen die Zügel nicht aus der Hand nimmt“, gab sich Wolfgang Schorlau überzeugt. Für Michael Blume haben „diese Leute Interesse, möglichst viel von der Energie aus dem Boden rauszuholen. Die wissen, dass sie die Debatte nicht mehr gewinnen, sie wollen nur noch verzögern. Denn jeder Monat bringt ihnen Geld.“ Aber auch „Autokratien wie Russland oder neu die USA“ könnten laut Ministerin Walker hinter bewussten Falschinformationen stecken.
Ein bekannter Energiemythos: „Die Energiewende ist an den hohen Preisen schuld. Dabei sind die Kosten für Wind oder Solar die günstigsten. Nur die Umstellung der Infrastruktur, der Aufbau verursacht Kosten. Wir müssen vorrechnen, dass durch die Energie alles günstiger wird. Teuer wird es nur dann, wenn wir uns weiter abhängig machen von Energieimporten.“ Derzeit fielen dafür in der EU 300 Milliarden Euro pro Jahr an, erwähnte Thekla Walker.
Hat Ukrainekrieg Bewusstsein für Energiewende gestärkt?
Nach ihrer Einschätzung haben aber viele Leute „durch den russischen Überfall auf die Ukraine erstmals verstanden, wie abhängig wir sind“. Deshalb wünsche sie sich, „dass endlich alle demokratischen Parteien an einem Strang ziehen und das Thema auch gemeinsam begründen und erzählen, und nicht so tun, als ob man einfach noch ein bisschen länger Gas haben, nur weil wir uns dran gewöhnt haben“. Das wäre für Michael Blume ein weiterer Grund, warum man in der Diskussion mit EE-Kritikern „so früh wie möglich auf die Gefühlsebene einsteigen und klären sollte: Was sind die wirklichen Ängste?“ Trotzdem muss noch einmal der kritische Chatter zitiert werden: „Auch hier wurde immer wieder mit Fakten argumentiert.“
Emotionale Momente
Aber wenigstens blieb am Ende diese emotionale Forderung von Autor Schorlau hängen: „Leute, zieht mit uns in den Kampf um das Gelingen der Energiewende. Nur so können wir die Zukunft für unsere Kinder und Enkel gewinnen.“ Und das Bild, das Michael Blume – ein Mann ohne Irokesenschnitt – in Worten von sich malte: „Ich bin Solar-Punk. Ich erzähle vom Gelingen, ich lebe es. Ich hab mein Leben umgestellt, und finde es super. Nur der Anfang ist schwierig. Aber niemand hindert uns daran, es zu leben. Deshalb lebe ich die Hoffnung.“ Nur dürfe man nicht allein auf die Politik setzen: „Ich freue mich immer, wenn es Pro-Energiewende-Vereine gibt. Wir alle müssen ausschwärmen“, forderte Ministerin Walker ganz allgemein mehr Engagement von der Bevölkerung.
