Ein Einordnungs-Versuch von Heinz Wraneschitz

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„Eine Rückkehr zur Kernkraft lehnte sie ab. Der Ausstieg sei vollzogen, ein Wiedereinstieg angesichts fehlenden Vertrauens und fehlender gesellschaftlicher Akzeptanz nicht realistisch“, ist von Katherina Reiche (CDU) aktuell in der >Zeit< zu lesen. Mit der Neu-Wirtschaftsministerin und Alt-Fossil-Managerin gibt es zumindest eine wichtige Person aus der Klein-Koalition (KleinKo), die sich klar gegen die – ohne Subventionen – teuerste Stromerzeugungsform hierzulande ausspricht. Denn (weiter >Zeit<): „Im Wahlkampf hatte die Union die Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke im April 2023 noch als „Fehlentscheidung“ bezeichnet und eine Prüfung ihrer Wiederinbetriebnahme angekündigt.“ Im KleinKo-Vertrag steht aber kein Wort zu Atomstrom – nur für die noch weit ferne Kernfusion soll weiter viel Geld verpulvert werden, wie ab Zeile 2523 zu lesen ist.
In Reiches früheren Politikerinnen-Leben – die Ministerin hat ja bereits viel Kabinetts-Erfahrung als Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur – war sie noch Atom-Unterstützerin. 2006 beispielsweise verbrämte sie ihre Kernspalt-Begeisterung als „vernünftige Energiestrategie“. 2010, so berichtete damals der Tagesspiegel, wurde sie dafür vor ihrem Büro ausgepfiffen. Und noch 2019 bekannte sie sich zum Einsatz von Uran zur Stromversorgung – und zwar einmal sogar in neu gebauten AKW, ein andermal aber nur in bestehenden Meilern. Doch das jeweils im Gespräch mit der gleichen Zeitung, der Frankfurter Rundschau.
Welches Standing Reiches heutige Anti-Atom-Meinung in ihrer eigenen Partei hat, ist aber fraglich.
Bekennende CDU-Atomfans
Denn beileibe nicht alle verantwortlichen Politiker:innen der CDU wollen draußen bleiben; es gibt sogar einige, die offen wieder rein wollen in die gefährliche, angstmachende Kernkraft. Das konnte man zuletzt bei einer Veranstaltung erleben, die am gestrigen Donnerstag (22. Mai 2025) in Berlin über die Bühne des exklusiven 5-Sterne-„Hotel de Rome“ direkt neben dem Außenministerium ging: Die „Anschalt-Konferenz“.
Dass die Lieblings-Atom-Lobbyistin der DGS-News-Redaktion, Anna Veronika Wendland dort gesprochen hat, ist kein Wunder. Denn immerhin war „Vero“ Wendland einst im Vorstand des Mit-Ausrichters Nuklearia e.V. vertreten. Doch nicht diese bekennende Marburger Atomfannin, sondern ausgerechnet ein CDU-Mitglied mit Bundeskabinetts-Erfahrung war die Haupt-Einschalt-Befürworterin: Kristina Schröder.
„Damit Deutschland aufwacht!“ Sie freue sich „sehr, dort auch eine Keynote halten zu dürfen“, ließ die Ex-Bundesfamilienministerin mit diesem Satz über die Sozialmedien im Vorfeld wissen. Doch die CDU war nicht nur mit dieser Ex-Bundespolitikerin, die heute Unternehmen fast über Gott und die Welt berät – konkret: „in den Bereichen Human Resources, Kommunikation, Reputation und Corporate Affairs“ – prominent auf dem Atomfankongress-Podium vertreten. Mit Johannes Winkel sprach dort ausgerechnet der aktuelle Vorsitzende der Jungen Union über seine Atombegeisterung. Übrigens sitzt er für die CDU im aktuellen Deutschen Bundestag, gehört also deren KleinKo-Fraktion an. Ist der Studentenbündler Winkel womöglich eine Art Trojanisches Atompferd?
Dass andere Referenten sich als SPD- oder Grünen-Mitglieder bekennen, scheint dagegen eher Nuklearia-passende Würze zu sein. Denn weder Armadeo Sarma aus Roßdorf noch Prof. Jan Barkmann von der Hochschule Darmstadt sind bisher in ihren Parteien bundespolitisch wirklich auffällig geworden.
Neue AKW, alte AKW oder was?
Aber geht das überhaupt: Neue AKW in Deutschland, oder die alten, in Abwrackung befindlichen Meiler wieder aufhübschen und weiterlaufen lassen? Immerhin gibt es seit dem von der CDU-Kanzlerin und promovierten Physikerin Angela Merkel betriebenen Atomausstiegsbeschluss des Deutschen Bundestags im Jahre 2011 – wir erinnern uns: nach dem Fukushima-GAU – auch endlich ein Nachdenken über die Frage: Wohin mit dem Atommüll? Und seit 2017 gilt das StandAG, das Standort-Auswahlgesetz. Deshalb wird seitdem unter Beteiligung der Öffentlichkeit nach dem Ort in Deutschland gesucht, unter dem irgendwann in wohl noch sehr ferner Zukunft jenes Lochsystem erstellt werden soll, das die zigtausend Tonnen hochradioaktiven Mülls für eine Million Jahre sicher aufbewahren kann.
Erst am Mittwochabend, 21. Mai, traf sich wieder einmal das Planungsteam Forum Endlagersuche (PFE): Diese Gruppe bereitet auf ehrenamtlicher Basis die aus dem StandAG entstandenen jährlichen Fortschrittskonferenzen vor, „Forum Endlagersuche“ genannt. Die letzte fand im November 2024 in Würzburg statt, Das 4. Forum Endlagersuche soll im November dieses Jahres in Hannover steigen. Einer, der dem Planungsteam schon lange angehört, ist Andreas Fox. Noch viel länger engagiert er sich in der Bürgerinitiative BI Morsleben gegen die – offiziell friedliche – Nutzung der Atomkraft. Doch die ist als Kehrseite für die Herstellung von Spaltmaterial für Atombomben unerlässlich. Auch deshalb setzen sich viele atomkritische Menschen dafür ein, dass der vom Bundestag beschlossene deutsche Atomausstieg unumkehrbar wird. Das ginge zum Beispiel durch eine Verankerung im Grundgesetz.
Diese Festlegung gibt es bekanntlich bis heute nicht. Auch deshalb sind Vereine wie Nuklearia oder dessen in Kanada beheimateter Veranstaltungs-Partner Radiant Energy Group weiterhin öffentlich für die Wiederinbetriebnahme deutscher Atomkraftwerke. Jüngstes Beispiel: jene „Einschalt-Konferenz“ in Berlin. Andreas Fox dazu: „Die lassen nichts unversucht.“
Die Mittel für diese Pro-Atom-Lobbyarbeit scheinen jedenfalls vorhanden. Und die Regierungspartei CDU ist mit maßgeblichen Mitgliedern voll dabei.