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Heinz Wraneschitz

Netzdienliche Speicher sparen allen Geld

Ein Bericht über ein noch seltenes Beispiel von Heinz Wraneschitz

Groß-Stromspeicher können netzdienlich sein – dieser hier in Franken arbeitet betriebswirtschaftlich. [Foto: Wraneschitz]

„Wir werden die Ansiedelung von großen Abnehmern wie etwa von Speichern und großen Erzeugern Erneuerbarer Energien dort anreizen, wo es dem Netz nützt. Energiespeicher werden als im überragenden öffentlichen Interesse anerkannt sowie im Zusammenhang mit privilegierten Erneuerbaren-Energien-Erzeugungsanlagen ebenfalls privilegiert. Die Mehrfachbelastung durch Steuern, Abgaben und Entgelte wird so weit wie möglich abgeschafft. Die regionale Nutzung ansonsten abgeregelten Stroms wollen wir deutlich erleichtern.“ Das steht in den Zeilen 1004 bis 1009 des Koalitionsvertrags zwischen CDSU und SPD.

Der Hintergrund: In sommerlichen Mittagsstunden könnten die Solarstromanlagen in Deutschland oft viel mehr Strom in die regionalen Verteilnetze einspeisen, als zu diesem Zeitpunkt dort verbraucht wird. Nicht selten scheitert die Abgabe überschüssigen Stroms ans in Europa komplett verknüpfte Höchstspannungs-Übertragungsnetz an für diese Leistungen nicht ausgelegten Übergabepunkten. Deshalb werden Photovoltaik- oder Windkraftwerke heruntergeregelt. Dieses Abregeln überschüssigen Stroms wird Redispatch genannt. Der gar nicht produzierte Strom muss dennoch nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG vergütet werden.

Wie kürzlich verschiedene Medien berichtet haben, mahnt selbst der Europäische Rechnungshof (EuRH) mehr Stromspeicherausbau an:

Damit könnte der Ausbau der kontinentalen Netze geringer ausfallen und weniger Kosten verursachen. Das Thema ist laut EuRH „schnell anzugehen“. Ein Beispiel, um Redispatch zu verhindern, wären Batterie-Großspeicher, die an bestimmten Orten im Verteilnetz angesiedelt sind. Die könnten den Überschuss aufnehmen und bei Flauten oder nachts wieder abgeben. Viel intelligenter als das aktuelle Runterregeln. Und das würde Millionensummen sparen, die an die Solarstrom-Betreiber bezahlt und mit denen die Stromverbrauchenden belastet werden. Denn die VNB dürfen die für Redispatch-Eingriffe entstehenden Kosten auf die Netzgebühren umlegen. Warum das bislang nicht von Verteilnetzbetreibern selbst gemacht wird: Das deutsche Energiewirtschaftsrecht erlaubt den VNB nicht, selbst solche Speicher zu betreiben.

Schlechte und gute Speicher-Möglichkeiten

Im 8.900 km² großen nordbayerischen Netzgebiet der N-ERGIE Netz GmbH (NNG) laufen seit gut zwei Jahren bereits zwei Großspeicher mit je 21 MW Leistung und 24 MWh Kapazität. Die werden von einer Tochter der österreichischen Verbund AG betrieben – aber eigenwirtschaftlich. Deshalb seien die keine Hilfe gegen Solarstromspitzen, ist von der NNG zu hören.

Nun aber bringen einige VNB durch eigene Ausschreibungen an interessierte Firmen Bewegung in die Speicher-Installation. Die Unternehmen bekommen den Überschussstrom quasi umsonst. Sie dürfen ihn aber nur dann wieder auf eigene Rechnung verkaufen, wenn im Netz Strommangel herrscht. „Die Bundesnetzagentur (BNetzA) begrüßt Aktivitäten der Netzbetreiber, die dafür sorgen, dass Energieversorgungsnetze sicher und effizient betrieben werden können“, heißt es von der Aufsichtsbehörde. Auf unsere Nachfrage erwähnt sie ausdrücklich als Beispiel „Ausschreibungen von netzdienlichen Speicherdienstleistungen“.

Die NNG ist deutschlandweit einer der ersten VNB, welche solche Ausschreibungen angehen. Durch diese Speicher dürfe „kein zusätzlicher Netzausbaubedarf oder Engpass in derselben bzw. in anderen Netzebenen verursacht werden“, nennt die NNG als wesentliche Randbedingung für die Installation. „Im Gegenzug bieten wir dem Speicherbetreiber ein Dienstleistungsentgelt für die Einschränkungen seiner Speicherbewirtschaftung an“. Bis Februar dieses Jahres war eine Registrierung als Speicherpartner möglich. Nach NNG-Angaben haben sich mehrere Dutzend interessierte Unternehmen gemeldet.

Allein bei NNG zweistellige Millionenkosten

Ins NNG-Stromnetz mit den Spannungsebenen 400, 20.000 und 110.000 Volt speisen nach Unternehmensangaben aktuell über 100.000 EEG-Erzeugungsanlagen ihren Strom ein. Deren Gesamt-Spitzenleistung: 4 Gigawatt (GW), also 4.000.000 Kilowatt (kW). Der maximale Strombezug im NNG-Netz liegt dagegen bei gerade mal 1,2 GW. Deshalb muss die NNG-Strom-Leitstelle aktuell jährlich 100.000 Redispatch-Überlastungsfälle abarbeiten, berichtet Stefan Schindler. Als Kosten für diese „Ausfallarbeit“ nennt er „einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag jährlich“.

Die Grundlagen für die Stationierung der Speicher im nordbayerischen Netz hat vor allem Johannes Kempe in seiner Masterarbeit an der Hochschule Ansbach gelegt: Er hat darin eine Reihe Standorte im NNG-Mittelspannungsnetz gefunden, wo die Übertragungs-Kapazität bestehender Leitungen nicht für die regionalen solaren Einspeisespitzen ausreicht. Oder dort, wo die Leistung der Koppler ans Tennet-Höchstspannungsnetz zu gering für diese Spitzen ist. Inzwischen ist er bei NNG in der Netzentwicklung angestellt und kümmert sich selbst mit um die Umsetzung seiner Berechnungen.

Auch wenn laut NNG-Pressestelle „der zeitliche Ablauf noch nicht festliegt“: Demnächst sollen einige dieser „netzdienlichen Energiespeicher in der Größenordnung je Standort im Bereich zwischen 10 MW und 30 MW ausgeschrieben werden. Das Verhältnis von Kapazität zu Leistung soll dabei ungefähr dem Faktor 4 entsprechen“, also zwischen 40 und 120 MWh liegen. NNG-Geschäftsführerin Kerstin Fröhlich sieht solche Speicher zudem als Möglichkeit, „zu einer gleichmäßigeren Auslastung unseres Netzes zu kommen. Das ist aktuell nur an 1.300 Stunden im Jahr ausgelastet.“ Das Normaljahr hat bekanntlich 8.760 Stunden.

Nur wenige VNB-Aktivitäten bisher

Die Einspeise- und Redispatch-Probleme brennen augenscheinlich auch anderen VNB auf den Nägeln. Die für die Genehmigung der Installation zuständige BNetzA „war oder ist mit folgenden VNB in Gesprächen: Bayernwerk Netz, N-ERGIE Netz, DB Energie, Netze Duisburg, ÜZ Mainfranken“, heißt es auf Anfrage unserer Redaktion. Außerdem planten oder errichteten gerade mehrere Übertragungsnetzbetreiber bereits im Netzentwicklungsplan genehmigte „Netzbooster“, so ein BNetzA-Sprecher.

Intelligent eingesetzte, also netzdienliche Batterie-Speicher, die Geld für alle sparen können: Diese Idee könnte an vielen Stellen im Verteilnetz umgesetzt werden.

Selbst Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger setzt „auf den Ausbau der Netze und Speicher“. Aber offensichtlich nicht, um VNB und Verbrauchern Geld zu sparen, sondern um eine aus seiner Sicht „Fehlentscheidung“ zu verhindern: den Vorschlag des Verbands der Europäischen Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E, auch die bisher einheitliche deutsche Strompreiszone aufzuteilen. Hier ist der Minister übrigens mit dem Bundesverband Erneuerbare Energien BEE tatsächlich einmal einer Meinung.

PS: Für seine Masterarbeit „Wie können elektrische Großspeicher im Mittelspannungsnetz sowohl betriebswirtschaftlich ertragreich als auch netzdienlich betrieben werden?“ bekam NNG-Netzplaner Johannes Kempe kürzlich den 2024er Ehrenpreis der Bezirksgruppe Ansbach des Vereins Deutscher Ingenieure VDI Bayern Nord-Ost.