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Heinz Wraneschitz

Maßgebliche CDU-Politikerin ist ein Trojanisches Atompferd!

Ein Kommentar von Heinz Wraneschitz

Rost in Temelin – in den Reaktor kann man nicht schauen.
[Foto: Wraneschitz]

Als ich vergangenen Mittwoch meine Einschätzung über mögliche Trojanische Atompferde in der CDU beim wöchentlichen Textchef abgeliefert hatte, konnte ich nicht ahnen, was nach Redaktionsschluss am Donnerstag passieren würde: Da nämlich erklärt Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), dass Deutschland seinen Widerstand gegen den Europäischen Pro-Atom-Kurs aufgebe. Man sei in der KleinKo nun „offen für eine Förderung der Forschung an sogenannten kleinen modularen Kernreaktoren (SMR) aus dem EU-Haushalt“; das war nicht nur bei Tagesschau.de zu lesen. Denn, so Reiche weiter: Man müsse „technologieoffen“ sein. Technologie-Offenheit: Ein Begriff, mit dem wir uns in den DGS-News schon mehrdutzendmal beschäftigt haben.

Zur Erinnerung: Mit „damit Deutschland aufwacht“ hatte Ex-Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) ihren Hauptvortrag beim Atomfreundetreffen „Anschalt-Konferenz“ angekündigt gehabt. Ebenfalls prominenter Redner dort war Johannes Winkel: Auch der aktuelle Vorsitzende der Jungen Union sprach über seine Atombegeisterung. Und anders als Schröder sitzt der Studentenbündler Winkel sogar für die CDU im aktuellen Deutschen Bundestag, gehört also deren KleinKo-Regierungsfraktion an.

Doch was genau bedeutet Reiches Atomtechnologie-Offenheitsaussage? Niemand weiß das wohl genau. Denn sie wechselt ihre Meinung wie einst der „Drehhofer“ genannte Horst S. (CSU). So war von Reiche eine Woche zuvor in der >Zeit< zu lesen, eine Rückkehr zur Kernkraft lehne sie ab. Zitat: Der Ausstieg sei vollzogen, ein Wiedereinstieg angesichts fehlenden Vertrauens und fehlender gesellschaftlicher Akzeptanz nicht realistisch. Hat also die Neu-Wirtschaftsministerin und Alt-Fossil-Managerin womöglich gelogen, als sie sich so gegen die – ohne Subventionen – teuerste Stromerzeugungsform hierzulande ausgesprochen hatte?

War die CDSU-Atomwende nach der Wahl nur angetäuscht?

Es wäre kein Wunder. Denn bekanntlich hatte die Gesamt-Union im vergangenen Bundestagswahlkampf zum wohl hunderttausendsten Male „die Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke im April 2023 als „Fehlentscheidung“ bezeichnet und eine Prüfung ihrer Wiederinbetriebnahme angekündigt“ – auch hier per >Zeit<-Zitat.

Reiches Rein-und-Raus in der Atomdebatte ist jedenfalls nicht nur aus meiner Sicht unerträglich. Sogar die erzkonservative, wenn nicht inzwischen fast reaktionäre Neue Zürcher Zeitung kommt nicht umhin, von „Verwirrung“ zu schreiben – genaueres wird aber hinter der „Schranke“ versteckt. Was also bedeutet es tatsächlich, dass im KleinKo-Vertrag kein Wort zu Atomstrom steht, und dass nur für die noch weit ferne, womöglich nie funktionierende Kernfusion weiter viel Geld verpulvert werden soll, wie ab Zeile 2523 zu lesen ist? Das bleibt eine spannende Frage.

Reiche, die Energieverantwortliche – mit oder ohne Atom

Fakt ist auf jeden Fall: Reiche ist die Energie-Verantwortliche in Fritze Merzens Kabinett, bestimmt also die Politik in diesem Bereich. Womöglich will sie ihre verborgene Vergangenheit als klare Atom-Unterstützerin wieder hochholen. 2006 beispielsweise verbrämte sie ihre Kernspalt-Begeisterung als „vernünftige Energiestrategie“. Selbst noch im Jahre 2019 bekannte sie sich zum Einsatz von Uran zur Stromversorgung – einmal in neu gebauten AKW, ein andermal aber nur in bestehenden Meilern. Doch das tat sie jeweils im Gespräch mit der gleichen Zeitung, der Frankfurter Rundschau.

Es wäre also kein Wunder, als meinte Katharina Reiche das ernst, was sie letzte Woche zum Atom sagte. Da hilft nicht viel, dass Umweltminister Carsten Schneider (SPD) ihr gleich einen Tag später in der >Welt< ihrer These widersprach, die Bundesregierung sei sich einig, in der Atomkraft auf EU-Ebene einen radikalen Kurswechsel zu vollziehen und die Technik in Gesetzen als nachhaltig einzustufen: Der Minister vom kleinen Partner der CDSU hat in der Koalition bei Energiefragen nichts zu vermelden. Dennoch sagte er der Nachrichtenagentur dpa etwas, nämlich: „Äußerungen von einzelnen Mitgliedern der Bundesregierung, es gäbe hier eine neue Offenheit, sind Privatmeinungen.“ Sprich: Damit ist Schneiders Aussage, „eine Positionierung der Bundesregierung gibt es nicht und wird es mit der SPD auch künftig nicht geben“ eben dasselbe, eine Privatmeinung nämlich.

Doch für ein Thema ist des SPD-Ministers Ressort „Umweltschutz und Verbraucherfragen“ dagegen auf jeden Fall verantwortlich: für das Wegräumen des Mülls, den die Atomkraftwerke in 70 Betriebsjahren hinterlassen haben. Und der Atommüll-Haufen, für den noch einige Jahrzehnte nach einem Loch gesucht wird, würde noch viel größer, kämen neue Meiler dazu – ob nun „Small Modular Reaktors“ SMR (von denen bis heute gerademal eine Handvoll laufen) oder große wie Fukushima oder Tschernobyl, die schon mal die Umwelt verseuchen.

Die Hoffnung, die mir bleibt, dass es nie wieder Atomkraftwerke in diesem unserem Lande geben wird, die hat ausgerechnet die CDU-Kanzlerin und promovierte Physikerin Angela Merkel auf die Beine gestellt: Den Atomausstiegsbeschluss des Deutschen Bundestags aus dem Jahr 2011. Doch dem fehlt bislang eine Verankerung im Grundgesetz. Leider. Deshalb bleibt meine Angst bestehen.