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Heinz Wraneschitz

Landnutzung hat Kohlenstoffspeicher zerstört

Ein Studienblick von Heinz Wraneschitz

Intensive Landnutzung verringert die Speicherfähigkeit des Bodens.
[Foto: Heinz Wraneschitz bildtext.de]

„Unsere Ergebnisse zeigen den tiefgreifenden menschlichen Einfluss auf den globalen Kohlenstoffkreislauf.“ Was von Klimawandel-Leugnern oft in Abrede gestellt wird, steht für den Geographen Raphael Ganzenmüller von der Ludwig-Maximilians-Universität LMU München spätestens jetzt ganz sicher fest: Wir Menschen haben durch unsere intensive Landnutzung die globalen terrestrischen Kohlenstoffspeicher bereits um ein Viertel entleert. Das hat die Arbeitsgruppe Physische Geographie und Landnutzungssysteme am Department für Geographie der LMU in der Studie „Humans have depleted global terrestrial carbon stocks by a quarter“ (auf Deutsch: „Der Mensch hat die weltweiten terrestrischen Kohlenstoffvorräte um ein Viertel erschöpft“) herausgefunden. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Wissenschaftsmagazin „One Earth“ veröffentlicht.

Die natürlichen Kohlenstoffspeicher an Land seien durch den Einfluss von uns Menschen bereits um insgesamt 24 Prozent verringert worden, hat das Team um Ganzenmüller berechnet. Zur Einordnung: Dieses Defizit von 344 Milliarden Tonnen Kohlenstoff entspricht in etwa dem, was weltweit in den letzten 50 Jahren aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Erdgas an CO2-Emissionen in die Atmosphäre geblasen wurde.

Konkret nennen die LMU-Forschenden „menschliche Aktivitäten wie die Abholzung von Wäldern und die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen“: Diese hätten „einen massiven Einfluss auf den natürlichen Zustand von Ökosystemen“. Die daraus entstehende „Freisetzung großer Mengen an Kohlenstoff in die Atmosphäre trägt erheblich zum menschengemachten Klimawandel bei“.

Wie wird die Studie bewertet?

Doch nicht alle stimmen sofort mit der Meinung der Forschenden überein. So sieht beispielsweise das Bayerische Landwirtschaftsministerium (StMELF) den Freistaat von dem durch die LMU-Forschenden festgestellten massiven Kohlenstoffabbau nur gering betroffen: „Insgesamt wurden keine gravierenden Veränderungen des Humusgehalts festgestellt. … Aber meist nicht durch aktuelle Bewirtschaftung, sondern vermutlich durch frühere Landnutzungsänderungen oder den Klimawandel verursacht“, schreibt das Ministerium auf Anfrage der Redaktion. Der Beamte aus dem „Referat PR“ gibt aber zu: „Die erst am 15. August veröffentlichte Studie spricht wichtige und komplexe Themen an. Eine abschließende Bewertung ist gegenwärtig noch nicht möglich.“ Weshalb man sich vor allem auf einen Untersuchungsbericht der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) aus dem Jahre 2022 beruft, entstanden aus „Bodendauerbeobachtungsflächen (BDF) mit ihrem langjährigen Monitoring. Seit den 1980er Jahren werden dort in regelmäßigen Abständen Bodenproben genommen, Bodenfauna erfasst, Vegetation dokumentiert und Bewirtschaftungspraktiken aufgezeichnet. Die Ergebnisse liefern wichtige Einblicke zur Entwicklung der Humusgehalte in landwirtschaftlich genutzten Böden Bayerns.“

Dem entgegnet Ganzenmüller: Anders als die LfL habe die LMU nicht nur die letzten 35 Jahre betrachtet, sondern den heutigen Stand und den früher unbeeinflussten Boden verglichen.

Das StMELF verweist aber auch darauf, dass zwar „die Entwässerung organischer Böden, vor allem Moorböden, zu Abbau organischer Substanz und Emission von klimaschädlichen Gasen wie CO₂“ führe. Doch in diesem „wichtigen Kohlenstoffspeicher“ bleibe „durch Anhebung des Wasserspiegels der Torf erhalten und Kohlenstoff gespeichert“. Solche „klimaverträglichen Bewirtschaftungsweisen zum Erhalt dieser Kohlenstoffspeicher“ würden durch das so genannte Moorbauernprogramm gefördert. Genauso verweist das Ministerium darauf, dass „humuserhaltende und mehrende Praktiken im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik, des Bayerischen Kulturlandschaftsprogramms und weiterer Bundesprogramme gefördert werden. Die Gewässerschutzberatung sowie das Demonstrationsbetriebsnetz für Gewässer-, Boden- und Klimaschutz und Projekte an Landwirtschaftsschulen unterstützen Wissenstransfer und praktische Umsetzung.“

Fördermaßnahmen können helfen

Auch die LMU-Forschenden hoffen ganz offensichtlich auf den Erfolg solch gewollter und staatlich geförderter Aktivitäten. Denn Studienleiter Raphael Ganzenmüller stellt unter anderem auf Nachfrage „den Schutz und die Wiederherstellung intakter Ökosysteme“ heraus“. Mit einer dringenden Warnung: „Weitere Degradation sollte vermieden werden, da die Wiederherstellung der Kohlenstoffspeicher in Pflanzen und Böden Jahrzehnte bis Jahrhunderte dauert.“

Deshalb verweist das LMU-Team auf eine ganze Reihe von Punkten, die sich aus der Studie in Bezug auf die Klimapolitik ergeben. Darunter finden sich die Reduzierung der Auswirkungen durch Landwirtschaft; eine Steigerung der Landnutzungseffizienz, die Flächen einsparen könne; die Minimierung von Lebensmittelabfällen, wodurch weniger Acker- und Weideland nötig sei; „das große Potenzial, das in einer nachhaltigeren Waldbewirtschaftung, Aufforstungs- und Wiederaufforstungsmaßnahmen liegt“. Und sie führen auch an „die Ernährungsumstellung: Die Änderung von Ernährungsgewohnheiten kann den Bedarf an Weideflächen verringern.“ Sprich: Weniger Fleisch, aber mehr pflanzliche Ernährung.

Hilfestellung für das Null-Emissions-Ziel

Und auch wenn das LMU-Team deutlich macht: „Es handelt sich um eine globale Studie, die Ableitung spezifischer, lokaler Handlungsempfehlungen zugeschnittener Handlungsempfehlungen ist daher nur sehr limitiert möglich“: Auf jeden Fall könnten „die Daten der Studie genutzt werden, um Klimamodelle zu verbessern und präzisere Klimasimulationen zu ermöglichen“. Das sei im Hinblick auf die von Bund und EU gesetzten Netto-Null Ziele beim CO2-Ausstoß und die völkerrechtlich vereinbarten Pariser Klimaziele sehr wichtig.