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Heinz Wraneschitz

Klima- und energiepolitische Wirren

Ein persönlicher Rundumschlag von Heinz Wraneschitz

Grimm-Cleantech: Wirtschaftsweise Grimm – Fossilienfan?
[Foto: Wraneschitz]

Wissenschaftlich nachgewiesen, leben wir in einer sich negativ schnell veränderten Welt, wie es die Menschheit noch nie erlebt hat.

Dass Donald „Taco“ Trump trotzdem zurück zur „schönen sauberen Kohle“ will, dass wissen wir nun schon seit seinem zweiten präsidialen (?) Amtsantritt im Januar. Von den Afden sind wir ja länger Ähnliches gewohnt, zum Beispiel, dass Beatrix von Storch die Sonne für den Klimawandel verantwortlich macht. Doch dass inzwischen hierzulande sogar maßgebliche Energiepolitiker:innen aus Landes- oder Bundesregierungen wirre Gedanken zur Klima- und Umweltpolitik nicht nur ausbrüten, sondern auch öffentlich kundtun, das ist doch anlässlich immer öfter verbreiteter wissenschaftlicher Katastrophenszenarien nicht nur verwunderlich, sondern absolut unverantwortlich.

Ein Beispiel: Am selben Tag – nämlich dem Mittwoch, 4. Juni 2025 – als Eduardo Alastrué de Asenjo vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) Exzellenzcluster Climate, Climatic Change, and Society (CLICCS) der Universität Hamburg die Meldung verbreitete: „Extremhitze in Europa: Jedes Jahr zählt!“, da posaunte Bayerns Energie-, Wirtschafts- und Jagdminister Hubert Aiwanger heraus: „Wirtschaftswachstum muss wieder Staatsziel werden, sonst geht der Wohlstand den Bach runter.“ Dass ihr Wohlstand dank genau solch ungezügeltem Wirtschaftswachstum nicht den Bach, sondern den Berg runtergeht, haben ein paar Tage zuvor Menschen im schweizerischen Dorf Blatten am eigenen Leib, Haus und Besitz leidvoll erfahren müssen.

Gas-Kraftwerksstandort Irsching bei Ingolstadt: Noch viel Platz für „Neue“?
[Foto: Wraneschitz]

Echte Technologieoffenheit“ = Festhalten an Fossilien

Ein zweites Beispiel: Die auch von gerade genannten „Hubsi“ Aiwanger zum Beispiel im Februar 2025 vielbeschworene „echte Technologieoffenheit, damit sichern wir langfristig unseren wirtschaftlichen Erfolg“, unterstützte dieser Tage ausgerechnet eine einst als Verfechterin dezentraler und regenerativer Energien bekannte Wirtschaftswissenschaftlerin: Prof. Veronika Grimm von der Technischen Universität Nürnberg. Genau am gleichen Ort wie Aiwanger, nämlich im Cleantech Innovation Park in Hallstadt bei Bamberg, erklärte die Wirtschaftsweise Grimm am 28. Mai 2025: „Die Energiewende wird nochmal neu diskutiert werden, der Zubau der Gaskraftwerke ist extrem wichtig.“ Sie unterstützt also die im Koalitionsvertrag der KleinKo-Bundesregierung festgehaltenen Pläne – und damit jene als „Technologieoffenheit“ verbrämte Zementierung der alten Fossil-Energiewirtschaft. Denn so wird der Begriff nicht nur in Kreisen der Erneuerbaren-Energien-Branche gesehen.

Unser Geld für Putin

Und genau dieses Festhalten an der Verbrennung passiert! Laut Tagesspiegel unterstützen wir den Angreifer Putin (= Russland) mehr, als wir der angegriffenen Ukraine helfen. Der Grund: Die Gas- und Ölexporte, die „für fast ein Drittel der Einnahmen Russlands sorgen, machten 60 Prozent aller Exporte aus. … Dabei war der Anteil beim Flüssigerdgas (LNG) besonders groß, wie BBC berichtet: Die Hälfte des gewonnenen LNG habe Russland in die EU verkauft.“

Und hier bei uns wird es verheizt – oder in Gaskraftwerken verfeuert. Wenn es nach der von mir zum „Trojanischen Atompferd“ gekürten CDU-Bundes-Wirtschaftsministerin und (Ex-?)Fossil-Lobbyistin Katherina Reiche geht, wohl noch länger. Denn die will bis 2030 nach übereinstimmenden Meldungen sogar neue Gaskraftwerke mit insgesamt mindestens 20 Gigawatt Stromerzeugungsleistung vor allem auf süddeutschen Boden stampfen lassen. Damit dürften sie wohl noch lange nach dem offiziell verkündeten klimaneutralen Deutschland im Jahre 2045 in Betrieb sein. Gegen Deutschlands massive Gasausbaupläne hat inzwischen selbst die EU-Vizekommissionschefin Teresa Ribera Widerstand angekündigt. Zumal Reiche dafür nicht einmal bei allen die zuletzt oft verwandte Phrase von „H2-ready“ ergänzt hat. Klimapolitisch ein Skandal – und mit zweistelligen Milliarden-Fördersummen verbunden, die wohl wir alle zu bezahlen hätten.

Selbst der Ex-VW-Vorstand Herbert Diess wundert sich über die hiesige, augenscheinlich fossilorientierte Energiepolitik. In einer aktuellen Kolumne für die Wirtschaftswoche ist zu lesen: „Wir diskutieren hier immer noch über neue Gaskraftwerke. Wahrscheinlich ist aber fossile Stromerzeugung nicht einmal mehr mit staatlichen Subventionen wettbewerbsfähig gegen die mittlerweile extrem wettbewerbsfähige Kombination aus Solar und Batteriespeicher.“

Speicher statt Fossilien

Die Hoffnung stirbt zuletzt, heißt es. Und so gab es auch auf jener Veranstaltung, auf der Prof. Grimm für Gaskraftwerke warb, in einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Cleantech als Gamechanger – Nachhaltige Innovation für morgen“ immernhin ebenfalls gegenteilige Meinungen. Statt mit Russen- oder US-Fracking-Gas Spitzenstrom zu liefern, benannte Julian Marberger vom Elektrotechnik-Verband VDE eindeutig „Speicher. Die könnten Autarkie bringen“ bei immer mehr Erneuerbarem Strom aus Sonne und Wind.

Übrigens: „Speicher sind das letzte ungelöste Problem der elektrischen Energietechnik.“ Der einzige Satz, gesprochen vom längst verstorbenen Nürnberger Ohm-Professor Horst Küch, stammt aus dem Jahr 1981. Wo stünden wir wohl heute bei Stromspeichern, wenn wir Prof. Küch damals beim Wort genommen und schnell das Problem gelöst hätten. Stattdessen setzt unsere Großpolitik bis heute immer noch auf „Technologieoffenheit“, also die Fossilien.