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Jörg Sutter

Keine Stromsteuersenkung – wo bleibt die politische Vernunft?

Ein Kommentar von Jörg Sutter

Nicht nur symbolisch eine Baustelle für den Bundestag in Berlin.
[Bild: Jörg Sutter]

In dieser Woche hat der neue Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) den Entwurf des Bundeshaushaltes für das laufende Jahr 2025 vorgelegt. Darin sind Rekordinvestitionen enthalten und auch einige Wahlversprechen werden damit eingelöst.

Ein zentrales Versprechen wurde jedoch stillschweigend gestrichen: Die Zusage, die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestniveau abzusenken, was eine Ersparnis von einigen Cent pro Kilowattstunde bedeutet, und im Wahlkampf vielfach betont wurde. Und nicht nur das: Mit dem Koalitionsvertrag wurde diese Maßnahme im April ohne Einschränkungen beschlossen, und zwar in dieser Formulierung: „Dafür werden wir als Sofortmaßnahme die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß senken und Umlagen und Netzentgelte reduzieren“.

Überraschenderweise ist das nun nicht im Etat enthalten, sondern nur eine Absenkung für Industrie und eine „Verstetigung“ in der Land- und Forstwirtschaft. Bürger und Kleingewerbe sollen leer ausgehen. Das zerstört viel Vertrauen, das der neuen Regierung bislang entgegengebracht wurde. Soll allen Ernstes erst jetzt aufgefallen sein, dass diese Maßnahme Geld kostet und ein Loch in den Bundeshaushalt reißt? Oder anders gefragt: Wie soll das denn den Wählern erklärt werden? Im Koalitionsausschuss im Mai wurde die Absenkung ebenfalls vereinbart. Das Entsetzen ist groß: Vom Steuerzahlerbund über die Verbraucherzentrale Bundesverband bis zum Zentralverband des Deutschen Handwerks ist von Wortbruch und Vertrauensverlust die Rede – dem ist nichts hinzuzufügen.

Wie geht es nun weiter?

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, denn der Haushalt muss durch den deutschen Bundestag verabschiedet werden. Und schon nehmen Abgeordnete den Ball auf und betonen, dass darüber noch geredet werden muss, zum Beispiel in Zitaten hier im Handelsblatt. Auch die Union fordert das über Carsten Linnemann inzwischen öffentlich – sorry: War der Entwurf des Haushalts in der Regierung nicht vorab abgestimmt? Das wäre kaum glaubwürdig. Es bleibt zu hoffen, dass die Parlamentarier der Koalition auf die Einhaltung des politischen Versprechens drängen, der Druck dazu ist jedenfalls hoch und ich mir aktuell nicht vorstellen, wie Abgeordnete das in Ihren Wahlkreisen erklären wollen.

Und bei dieser Korrektur kann gleich noch ein zweiter Knaller im Regierungsentwurf korrigiert werden: Nach Idee der Bundesregierung soll die Gasspeicherumlage, die mit den Kosten für Gasbezug von den Verbrauchern bezahlt werden, entfallen und zukünftig diese Kosten vom Bund finanziert werden – das war ebenfalls im Koalitionsvertrag vereinbart. Doch dafür sollen Mittel ausgerechnet aus dem Klima- und Transformationsfond (KTF) eingesetzt werden. Die Ausstattung des KTF wurde noch mit der alten Regierung verhandelt – und kaum ein paar Monate später sollen beschlossene Mittel zweckentfremdet werden? Auch wenn der KTF wohl noch mit etwas mehr Geld ausgestattet werden soll – so das Versprechen aus Berlin – hat das aus meiner Sicht mit politischer Vernunft nichts zu tun, genauso wenig wie die Subventionierung von Erdgas mit einer klimafreundlichen Transformation des Landes.

Und es war ja nicht die erste Maßnahme der neuen Regierung gegen den Klimaschutz – man darf an dieser Stelle auch an den schnell beschlossenen subventionierten Bau neuer Gaskraftwerke erinnern. Nebenbei äußert vor einigen Tagen unsere neue Wirtschaftsministerin auch Ihre Ansicht, dass die inzwischen im Grundgesetz verankerte Klimaneutralität bis 2045 doch bitte etwas flexibler gehandhabt werden sollte. Ernsthaft jetzt?

Liebe Abgeordnete in Berlin, nehmen Sie den Klimaschutz, aber auch Ihre eigen formulierten politischen Ziele bitte ernst und arbeiten Sie weiter an der Energiewende und dem Klimaschutz. Liebe Bundesregierung: Es gibt national und international definierte Klimaziele und diese gehören in Angriff genommen und nicht zerredet. Wir sehen heute mit Niedrigwasser und Hitzezeiten schon im Juni wieder die reale Erinnerung daran, dass der Klimawandel bereits bei uns angekommen ist. Das kann und darf nicht ignoriert werden.