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Jörg Sutter

Energiemonitor die Zweite

Eine Analyse von Jörg Sutter

PV- und Windanlage
[Bild: Sutter]

Bereits im Sommer dieses Jahres, als unsere Wirtschaftsministerin Katherina Reiche angekündigt hatte, eine Bestandsaufnahme der Energiewende zu machen, waren einige Fachleute irritiert. Warum? Weil die Erstellung des dann im September veröffentlichen Monitoring-Berichts (wir haben hier darüber berichtet) fremdvergeben wurde, obwohl ja schon von der früheren Bundesregierung ein regelmäßiges Beobachten der Fortschritte bei der Energiewende vereinbart und prozessual aufgesetzt wurde.

Ein zweiter Monitoringbericht

Die Expertenkommission, die dieses regelmäßige Beobachten und Auswerten der Energiewende vornimmt, hat nun ihren jährlichen Bericht vorgelegt; begleitet von der Pressearbeit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Bemerkenswert dabei: Auf den Monitoringbericht vom September wird dabei an keiner Stelle Bezug genommen, untersucht wurde hier primär das Jahr 2023 und bei Vorliegen aktuellerer Daten auch 2024 und 2025.

Die Autoren sind dabei ausgewiesene Fachleute: Neben Prof. Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum sind Prof. Veronika Grimm (Technische Universität Nürnberg), Dr. Felix Matthes vom Ökoinstitut aus Freiburg sowie Prof. Anke Weidlich von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg jeweils mit ihren Mitarbeitern gemeinsame Verfasser des Berichtes. Seit 2011 beraten diese Experten die Bundesregierung.

Der Bericht hat einen Umfang von spannenden 523 Seiten pdf (Link siehe unten) und beschreibt den Status zusammengefasst wie folgt: „Für die Jahre 2023 und 2024 steht die Energiewende-Ampel überwiegend auf Gelb. Die Expertenkommission drückt damit aus, dass die Ziele der Energiewende zwar weiterhin erreicht werden können, diese Zielerreichung jedoch kein Selbstläufer ist“. Die Kommission sieht in allen Bereichen politischen Handlungsbedarf, damit die Transformation schnell und kostengünstig gelingt.

Im Gegensatz zum anderen Monitoring-Bericht aus dem Herbst weist dieser Bericht keine Aussparungen auf – der Gesamtprozess der Energiewende zur Erreichung der Klimaneutralität in 2045 wird beschrieben und gleich zu Beginn auch darauf aufmerksam gemacht, dass bis dahin nur noch 20 Jahre zur Verfügung stehen.

Die Pressemeldung zum Bericht betont: „Für die Jahre 2023 und 2024 steht die Energiewende-Ampel überwiegend auf Gelb“. Blättert man im Bericht zu der zusammenfassenden Gesamteinschätzung, dann erscheint einiges gelb und auch der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung ist grün, aber es ist auch viel Rot zu sehen: Vom Wasserstoff über den eE-Anteil beim Gesamtenergieverbrauch, vom Wärmebedarf bis zur Energiesicherheit – all diese Punkte werden von den Experten sehr kritisch gesehen – eine Erreichung der Ziele scheint als fachlicher Sicht nicht möglich.

Interpretation des Berichts

Ohne in die Details des Berichtes zu gehen: Es ist schon spannend zu sehen, dass zu diesem Bericht – und vor allem zur Aussage des notwendigen politischen Handlungsbedarfs – keine Reaktion der zuständigen Politiker hervorgerufen hat.

Selbst die Pressemitteilung des BMWE weist „nur“ darauf hin, dass der Bericht „verständlich aufbereitet jede Menge aktuelle Daten und Fakten bereit[stellt]“. Es soll nach BMWE auch „gegebenenfalls Handlungsbedarfe aufzeigen“ – ja, das tut er! Die Ampel steht auf gelb – das macht eine Verkehrsampel kurz bevor sie auf rot springt. Doch aus diesem Bericht, aus der Auswertung und den konkreten Handlungsempfehlungen der Experten wird keine einzige konkrete Maßnahme abgeleitet – auch nicht vorgestellt oder verkündet. „Das letzte Kapitel des Berichts ist einer wirksamen Energie- und Klimapolitik gewidmet.“ – lapidarer kann man den Inhalt dieses Kapitels mit konkreten Expertenempfehlungen an die Politik nicht abwerten.

Als Beleg dafür Zitate aus diesem letzten Kapitel: „Die Expertenkommission sieht aber die Notwendigkeit, die im Koalitionsvertrag vorgesehene Absenkung der Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Minimalniveau für alle Verbraucher ebenfalls zeitnah umzusetzen“ und „Gerade im Bereich der Energie- und Klimapolitik werden viele Ad-Hoc-Entscheidungen auf der Basis von verkürzten Narrativen getroffen, die auf unvollständigen Informationen oder unzureichenden Analysen beruhen“. Oder folgende Aussage: „Weitere zentrale Aspekte sind eine frühzeitige Ankündigung neuer Maßnahmen für eine bessere Planbarkeit sowie eine transparente Kommunikation“.

Daran müssen wir vermutlich wieder denken, wenn Anfang des kommenden Jahres wieder ein umfangreicher Gesetzentwurf mit 48 Stunden Bearbeitungszeit vom Ministerium an die Energieverbände versendet wird. Der Bericht wäre eine gute Chance gewesen, die politischen Leitplanken an den Expertenvorschläge auszurichten. Doch das hat nicht stattgefunden.

Der Monitoring-Bericht kann hier abgerufen werden.

Beheizungsstruktur im Wohnungsneubau
[Bild: Monitoringbericht, Seite 31]