Ein Bericht von Heinz Wraneschitz

Wer kennt sie nicht, die „nüchterne Sprache der Wissenschaft“? „Mangroven sind Anbieter:innen von Ökosystemleistungen. Die Leistungen, die sie erbringen, sind vielfältig“, heißt es vom U Bremen Research Alliance (UBRA), in dem die Universität Bremen und zwölf Institute kooperieren, übrigens alle mit Sitz in diesem kleinsten Bundesland.
Die Menschen in der Nähe dieser Mangroven beziehungsweise deren Küstenökosystemen hängen sicher „aufs Stärkste von ihnen ab“. Denn laut UBRA wird aus den Bäumen Verschiedenstes hergestellt, von Tees über Medizin, Baumaterial bis zu Alkoholika. Vor allem aber „schützen sie mit ihren ausgreifenden Wurzeln die Küsten vor Sturmfluten und Landverlust, reinigen Abwässer aus dem Hinterland. Und ganz nebenbei lagern sie in ihrem Sediment, in ihrem Holz und ihren Blättern noch aus Kohlendioxid (CO2) gebildete organische Moleküle ein. Von „blauem Kohlenstoff“ sprechen die Fachleute“, also wohl jene aus den UBRA-Instituten.
Einer von denen ist Prof. Martin Zimmer. Er koordiniert den Forschungsverbund „sea4soCiety“, ausgeschrieben „searching for solutions for Carbon sequestration in coastal eco-systems”. Und Zimmer hebt heraus, dass Küstenökosysteme wie z.B. Mangrovenwälder „superwichtig für die Gesellschaften in den Tropen sind, aber auch für uns“. Denn sie leisteten viel zur Eindämmung des Klimawandels.
Mangrovenwälder können nicht alleine alles
Doch Prof. Zimmer stellt auch klar, deren CO2-Speicherkraft habe Grenzen: „Mangrovenwälder sind zwar sehr, sehr effiziente Kohlenstoffspeicher, sie binden im globalen Durchschnitt deutlich mehr als terrestrische Systeme. Aber sie sind kein Allheilmittel gegen den Klimawandel.“ Er warnt deshalb vor übertriebenen Erwartungen. Denn sie könnten jährlich gemeinsam mit Seegraswiesen und Salzmarschen höchstens drei Prozent der weltweiten Treibhausemissionen kompensieren.
Ökosysteme müssen auch hierzulande gepflegt werden
Und deshalb sind Ökologie-Projekte auch hier in Deutschland eminent wichtig, wie klein sie auch immer sein mögen. Doch nicht immer wird es den Menschen und Organisationen leicht gemacht, diese Ideen umzusetzen. Ein Beispiel dafür: die von drei Kommunen Markt Erlbach, Emskirchen und Hagenbüchach im westlichen Mittelfranken gemeinsam geplante, 1,5 Hektar große Ökokontofläche zum Ausgleich für Bodenverbrauch von Baugebieten.

Denn um die anzulegen und die Öko-Punkte auf die teilnehmenden Kommunen zu verteilen, gingen knapp zehn Jahre ins Land. Was „in anderen Bundesländern längst üblich ist“, zum Beispiel in Baden-Württemberg, habe im Kreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim (NEA) erst über viele Umwege und nach zehn Jahren Vorlauf geklappt: So zumindest fasste Markt Erlbachs Bürgermeisterin Birgit Kreß die Entstehungsgeschichte der jetzt abgeschlossenen Umwandlung eines großen Biotopverbunds am hier noch kleinen Bächlein Aurach aus einer bisherigen Brachfläche zusammen.
Fast zehn Jahre Vorlauf – ein Monat Bauzeit
Dabei war Umgestaltung selbst schnell erledigt: Das habe am Ende gerade mal einen Sommermonat gedauert; nach der Brutzeit der Amphibien durfte das beauftragte Bauunternehmen beginnen, die Ökokontofläche zu erschaffen. Nun aber ist die Durchgängigkeit der Aurach in diesem Talabschnitt verbessert, sind einige mit Wasser gefällte Erdmulden-Tümpel entstanden, stehen und liegen Totbäume in der Fläche, wurden Gräben angelegt, die sich nur bei Hochwasser füllen, gibt es dort abgemagerte Böden. So sollen sich hier wieder viel mehr Tier- und Pflanzenarten ansiedeln – wissenschaftlich „mehr Biodiversität“ genannt – lautet das Ziel der Maßnahme.
Die gut 140.000 Euro Kosten haben sich die Kommunen Markt Erlbach und Emskirchen, denen die Fläche gehört, sowie Hagenbüchach geteilt. Doch Kreß merkte kritisch an: „Planung- und Baukosten liegen etwa im Verhältnis 50-50.“ Denn wer die Geschichte der Fläche betrachtet, merkt: Es waren mehrere Planungen. Nach der ersten Idee, geboren vor etwa zehn Jahren in der Aurach-Zenn-Allianz, wurde ein Konzept in Auftrag gegeben. „Aber es fehlte der politische Wille bei den höheren Naturschutzbehörden, das Ansinnen rechtlich in die Tat umzusetzen.“ Ende 2017 war also erst einmal Schluss mit dem Projekt.
Eigentlich drei Projekte
Doch dann wurde im Januar 2020 der Verein IKoMBe gegründet, das „Interkommunale Kompensationsmanagement im Mittelfränkischen Becken“ mit Sitz in Erlangen. Dort sah man gute Chancen für ein Pilotprojekt und konzipierte die ökologische Aufwertung dieser bisher „ökologisch minderwertigen Fläche“ neu. Nun aber spielte laut Kress die Untere Naturschutzbehörde (UNB) im Landratsamt NEA nicht mit bei dem Wunsch, ein gemeinsames Ökokonto nach der BayKompV zu führen, der „Verordnung über die Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft“.
Die Konsequenz war die nächste Planung der Ökokontofläche, diesmal nach Baurecht. Dabei war man „nicht zwingend auf die Zustimmung der UNB angewiesen“, so die Bürgermeisterin. Auch eine wasserrechtliche Erlaubnis war nicht notwendig. Und als Ende 2024 die Baugenehmigung da war, folgte die Ausschreibung.
Im Mai bekam eine qualifizierte, lokale Baufirma den Auftrag, ein anderes ortsnahes Unternehmen lieferte die notwendigen Baumstämme. Und jetzt haben die drei Gemeinden zusammen 126.000 Ökopunkte, genug beispielsweise, um den Neubau von sechs bis acht Hektar neuer Wohngebiete auszugleichen. Übrigens fallen kaum Folgekosten an, weil sich das Gebiet selber entwickelt. So zumindest der Plan.
Damit habe man nun endlich „nach fast zehn Jahren mit oft viel Verzweiflung ein Pilotprojekt und Vorzeigeobjekt“. Zumal in der ganzen Region immer wieder betont werde, man wolle die Entwässerungs-Fehler der Flurbereinigung ausgleichen und zur „Schwammregion“ werden. Weshalb Birgit Kreß hofft, „dass die UNB künftig besser kooperieren“. Zum Beispiel, wenn anderswo in Bayern interkommunale Ökoideen geboren werden.
Übrigens hält sich die Pressestelle des zuständigen Landkreises NEA bis Redaktionsschluss mit einer konkreten Antwort auf die Frage zurück: Warum hat die UNB sich hier so hartleibig verhalten?
PS: Wer mehr zum Bremer Forschungsverbund wissen will, kann dies im Magazin „Impact“ tun. In der aktuellen Ausgabe findet sich ein ausführlicher Beitrag über die Mangroven-Forschungen unter dem Titel „Die Kraft natürlicher Klimaschützer“ – und auch ihre natürlichen Grenzen.
