Ein Meinungsbeitrag von Götz Warnke

„Wir befinden uns im Jahre 2025 n. Chr. Die ganze Welt setzt auf Elektromobilität… Die ganze Welt? Nein! Ein von unbeugsamen Deutschen bevölkerter Teil Europas hört nicht auf, der Zukunft Widerstand zu leisten.“
So in etwa könnte man die derzeitige Situation mit den Worten der bekannten Comics-Reihe „Asterix und Obelix“ beschreiben. Aber leider ist die Situation gar nicht komisch.Denn die nach eigener Einschätzung weltweit führende Autonation Deutschland liegt bei den Neuzulassungen von E-Autos international gerade mal auf Platz 17 – und damit sowohl unter den Zahlen der EU als auch der ganzen Welt. Während man sich zwischen Leck und Lindau vielfach vor dem „Verbrenner-Aus“ bei Erstzulassungen in 2035 gruselt, ist dieses in Ländern wie Norwegen und selbst Äthiopien bereits Realität. Dabei sind sich auch in Deutschland die Fachleute einig, dass es zur Elektrifizierung des Verkehrs und insbesondere des Autoverkehrs keine Alternative gibt – ja, Fachleute, die wirtschaftlich rechnen müssen wie Fuhrparkmanager und Flottenbetreiber, setzen längst überwiegend auf E-Mobilität.
Ein völliges Festhalten am fossil betriebenen Verbrenner und die völlige Negierung der Ergebnisse der internationalen Klimaforschung hingegen sind wohl eher eine Alternative für Deppen.
Woher aber kommt dann dieser lautstarke Kampf gegen das „Verbrenner-Aus“, wer sind die entsprechenden Protagonisten? Blickt man genauer hin, kann man verschiedene Interessengruppen erkennen:
Die Status-Quo-Profiteure
Hierzu gehört eindeutig die deutsche Autoindustrie: Se kann sich auf das konzentrieren, was sie am besten kann – Verbrenner bauen – und dabei fürs erste weiterhin hohe Gewinne einfahren. Dass sich das europäische Umfeld und auch China als weltgrößter Automarkt immer mehr in Richtung Elektromobilität entwickeln, ist für die aktuellen Quartals- und Jahresbilanzen erst einmal nicht interessant. Ähnlich sieht es mit dem Management der Autoindustrie aus: Boni gibt es für wirtschaftliche Erfolge in der Gegenwart und nicht dafür, wie es den Autoherstellern im nächsten Jahrzehnt geht, und ob sie überhaupt überleben. Zwar kennt auch das Management die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Äußerungen von Fachleuten, die gegen eine Verlängerung der „Verbrennerzeit“ sprechen. Aber hier zählen tun wohl andere „Werte“.
Die Schon-bald-Verlierer
Dazu gehört eindeutig die Zulieferindustrie, weil ein E-Auto weniger Teile benötigt als ein Verbrenner, ja sogar ganze Segmente wie die Auspuffanlage entfallen.
Dazu gehören weiterhin die Kfz-Werkstätten, weil es beim E-Auto weniger zu reparieren gibt.
Weniger im Rampenlicht stehen die Wissenschaftler der universitären Lehrstühle für Verbrennungsmaschinen und Kolbenmotoren, deren Fachgebiete zunehmend in der Bedeutungslosigkeit versinken.
Last and least ist hier eine eher anrüchige Gruppe zu erwähnen: die Autoposer. E-Autos machen nun mal keinen Radau.
Die Ideologen
Für diese Gruppe ist nur ein Verbrenner-Fahrzeug ein richtiges Auto oder Motorrad. Daher lehnen sie eine Verkehrswende mehr oder minder explizit ab. Medial beruft man sich gern als „Kronzeugen“ auf Manager und Motorenkonstrukteure mit großen Namen aus der Vergangenheit, die dann wortreich erklären, dass der Weg weg vom Verbrennungsmotor ein Irrweg sei. Dass diese Kronzeugen aus der Vergangenheit nur Experten in einem sehr begrenzten Bereich des Verkehrs sind, stört aus ideologischen Gründen nicht weiter.
Die Neider
E-Autos sind nur was für Reiche, und dürfen daher nicht auch noch gefördert werden – so in etwa lautet hier die Argumentation dieser Gruppe. Dass es mittlerweile immer mehr günstige E-Autos gibt, dass die Bundesregierung auf eine E-Auto-Förderung für kleine und mittlere Einkommen setzt, interessiert die Neider ebenso wenig wie die Tatsache, dass über Jahrzehnte hin ihre fossile Mobilität mittels Dieselsubventionierungen, Abwrackprämien etc. massiv gefördert wurde. Beispiele für solche Neider und Wutbürger finden sich u.a. bei den Leserkommentaren im Medium „Focus“, wohl auch angestachelt durch einige Redakteure.
Die Bedenkenträger
Deutschland mit seiner alternden Bevölkerung war und ist das Land der Bedenkenträger. Und natürlich gibt es auch zum E-Auto viele Bedenken und Fragen. Die sind zwar längst geklärt, werden aber dennoch immer wieder angesprochen:
- Sind E-Autos nicht brandgefährlicher als Verbrenner? Nein, so sagen die Statistiken und die Versicherungswirtschaft, die es wissen muss. E-Autos brennen seltener als – Nomen est Omen – Verbrenner, und es gibt heute entsprechende Techniken, die Batteriebrände zu bekämpfen. Das Problem ist eher die öffentliche Wahrnehmung: während jedes brennende E-Auto als Volksbedrohung erscheint, wird der Rückruf von rund 757.000 Stellantis-Verbrennern (Opel, Peugeot) wegen Brandgefahr – immerhin elf dokumentierte Brände – weitgehend ignoriert.
- Halten die Batterien lange genug? Ja, meist sogar länger als die Autos selbst. 300.000 km sind keine Seltenheit. Und sollte tatsächlich mal eine einzelne Batteriezelle defekt sein, lässt sie sich auch kostengünstig austauschen.
- Gibt es überhaupt genug Ladesäulen für die heutigen E-Autos? Wer mit einem E-Auto unterwegs ist, merkt schnell, dass sich freie Ladepunkte leicht finden lassen. Allenfalls in der Urlaubszeit kann es an Autobahnen vor den Ladepunkten zu Staus kommen. Generell gibt es derzeit deutlich mehr Ladepunkte als ladewillige E-Autofahrer.
- Sind E-Autos überhaupt umweltfreundlich? Ja, E-Autos sind auch heute deutlich umweltfreundlicher als Verbrenner, sobald sie die erhöhte CO2-Last ihrer Herstellung nach 17.000 km ausgeglichen haben. Wer noch umweltfreundlicher sein will, lädt mit Ökostrom, den es jetzt auch an Schnellladern gibt.
- Kann das deutsche Stromnetz die vielen E-Autos künftig überhaupt versorgen? Sollten alle Autos auf elektrischen Antrieb umgestellt werden, was sich ja über Jahre hinzieht, so würde der deutsche Stromverbrauch um maximal 20 Prozent steigen – kein Problem.
- Sollte man als Autofahrer nicht doch lieber auf Wasserstoff und E-Fuels warten? Grüner Wasserstoff wird dringend von der Industrie gebraucht, u.a. für CO2-freien Stahl; doch die H2-Produktion kommt nicht ins Laufen. Nicht besser sieht es mit E-Fuels aus, die der zivile und militärische Luftverkehr unbedingt benötigt. Wer noch ernsthaft glaubt, dass es 2035 oder 2050 genug Treibstoffe gibt, damit er mit seinem Verbrenner ins Wochenende fahren kann, glaubt wahrscheinlich auch an Elfen, Zauberer und das Auenland.
Die Politiker
In der zunehmend alternden, konservativen (Wahl-)Bevölkerung Deutschlands geht natürlich die Politik auf Stimmenfang und versucht, potentiellen Wählern nach dem Munde zu reden, statt Aufklärung zu betreiben. Dabei sind die Äußerungen der Politiker oft von keinerlei Sachkenntnis getrübt, wie man an den vielen Diskussionen zum Thema „Technologieoffenheit“, aber auch an anderen Äußerungen wie z.B. aktuell zum Verbrenner-Erstzulassungs-Aus zeigen kann. Denn Plug-In-Hybride sind nun mal keine „neue technische Option“; es gibt sie schon mindestens 20 Jahre. Leider erhalten solche Politikeräußerungen viel mediale Aufmerksamkeit und werden von Bürgern geglaubt.
Mein Fazit
Diese genannten Protagonisten sichern nicht den Fortbestand der deutschen Autoindustrie, sondern – im Gegenteil – sie gefährden ihn!