Ein Bericht von Heinz Wraneschitz

„Netzengpässe waren gestern: So wird das Stromnetz flexibler“: Wer unter dieser Schlagzeile im EES-Newsletter 10/2025 etwas genauer nachliest, wird schnell merken: ganz so pauschal, wie es Speicher-Anbieter Eco Stor hier schreibt, lassen sich die Netzengpässe quer durch die Republik dann doch nicht von heute auf morgen beseitigen.
Denn es gibt nicht nur viele Solar- und Windkraftwerke, die neu ans Netz sollen, oder Biogasanlagen, die bis zu achtfach überbaut werden, also kurzfristig den achtfachen Nennstrom ans Stromnetz abgeben könnten und damit auch den achtfachen Anschlusswert benötigen: Derzeit rolle ein „Speicher-Tsunami“ auf die Stromnetzbetreiber zu, wie es das Stadtwerkemagazin ZfK drastisch formulierte. Sprich: Zig Gigawatt (GW) an Speicherleistung und noch mehr Gigawattstunden (GWh) an Kapazität sollen ans Netz gebracht werden. Und zwar nicht nur – wie Eco Stor treuherzig verkündet – netzdienlich. Sondern oft mit ganz krassen Wirtschaftlichkeitsprämissen.
Machen Parteien die Arbeit der Netzagentur?
Beim Stromnetzgipfel der Grünen Landtagsfraktion Bayern diese Woche (7.10.2025) wurde ein solcher Fall geschildert: Ein Speicher werde trotz negativem Börsenstrompreis (also Stromüberschuss im Netz) schnell geleert, weil der eine Stunde später angekündigte Negativpreis noch deutlich niedriger liege. Und dann werde der Speicher wieder gefüllt.
Dass netzdienliche Speicher viel von den Einspeisespitzen kappen können, das haben inzwischen einige Stromnetzbetreiber verinnerlicht. Doch der Netzausbau sei trotzdem unbedingt notwendig, da waren sich alle Teilnehmer:innen des Grünen-Gipfels einig. Leider duckte sich auch hier der für Insider Hauptverantwortliche des Netzausbaumangels schnell wieder weg: Klaus Müller, seit 2022 Präsident der Aufsichtsbehörde Bundesnetzagentur (BNetzA). Er zeigte sich dem Gipfel nur per aufgezeichneter Videoeinspielung. In der gab er lediglich Allgemeinplätze von sich.
Dieses Wegducken kritisiert die ZfK im Zusammenhang mit Speichern. Auf dem Stromnetzgipfel trug beispielsweise Bernd Wust, der Vorsitzende des Bundesverbands Windenergie (BWE) in Bayern, vor: „Wir brauchen auf jeden Fall den Netzausbau, vor allem im Verteilnetz – da regelt der Bund kaum etwas. Gerade Finanzierungsfragen sind aus meiner Sicht offen.“
Für Bernd Kerscher vom Solar-(Betreiber-)Verband Bayern wurde der Verteilnetzausbau schlichtweg „zu spät angegangen“. Und das Netzkapazitätsproblem werde noch größer, weil „die Batterien jetzt erst richtig Fahrt aufnehmen“.
Bevorzugt BNetzA das Übertragungsnetz?
Und auch die für Nieder- und Mittelspannungsnetze zuständigen Verteilnetzbetreiber (VNB) ihrem Dauerärger Luft: die BNetzA kümmere sich fast nur um den Übertragungsnetzausbau (ÜN), also die Leitungen der Höchstspannungsebenen 380 und 220 kV sowie Gleichstromautobahnen, um deren Verwirklichung seit Jahren gestritten wird. Und schaut man auf die Webseite der BNetzA, dann scheint diese VNB-Kritik der ÜN-Bevorzugung verständlich.
Doch wer die Vertreter der ÜN-Betreiber gehört hat, musste sich auf einer anderen Veranstaltung fühlen. „Wir kommen gut voran mit dem Netzausbau. 200 km sind im Bau“, gab sich Andreas Schieder von Tennet zufrieden. Und auch der Amprion-Vertreter wirkte nicht unglücklich über die Situation.
Die VNB-Repräsentant:innen – von Bayernwerk über LEW bis zu den Stadtwerken München oder Coburg – wünschten sich dagegen unisono schnellere Genehmigungsverfahren für ihre Ausbaupläne. „Immer noch 10 Jahre“ stehen laut Thomas von Sarnowski von LEW dafür zu Buche.
Viele Vorschläge – wenig Umsetzung?
Von allen Seiten kamen Vorschläge, wie die Netze besser auszulasten seien. Beispiele: Durch Künstliche Intelligenz in der Digitalisierung. Durch kurzzeitig dreifach berechnete Einspeiseleistung. Durch „Überbauung“ von PV-Standorten mit Windkraftanlagen, die an einem gemeinsamen Anschlusspunkt einspeisen und möglichst noch einen Speicher auf dem Gelände nutzen, auch „Netzsteckdose“ genannt. Durch Leitungsmonitoring – also das Überwachen der Temperatur bei höherer Auslastung.
Doch bis heute müssten selbst bei Neubeseilung bestehender Leitungstrassen lange Neu-Genehmigungsverfahren durchlaufen werden. Bei „Repowering“, also dem Ersatz alter kleiner durch neue große Windräder, sei das ebenfalls notwendig.
Will BNetzA Ausbau-Mittel kürzen?
Und nicht zuletzt: Statt mehr Geld für den Netzausbau zu genehmigen, plane die BNetzA sogar eine Kürzung der Mittel um 4 Mrd. Euro, war auf dem Gipfel zu hören. Ob bei sinkender Rendite das Interesse der Netzbetreiber aller Spannungsebenen an der Erhöhung der Netzkapazitäten steigt, ist mehr als fraglich.