Kein Veranstaltungsbericht von Matthias Hüttmann

[Foto: Hüttmann]
Morgen ist heute schon gestern. Wir stehen ständig an der Schwelle zur Zukunft. Und diese Zukunft ist bekanntlich die Zeit, welche unmittelbar auf die Gegenwart folgt und hinter der die Vergangenheit liegt. Philosophisch betrachtet ist die Zukunft „jener von allen vergangenen Ereignissen nicht vollständig determinierte Zeit-Raum offener Möglichkeiten, auf den wir zukommen und der auf uns zukommt, solange es Gegenwart geben wird.“
Denken wir bei Zukunft vor allem an die ferne Zukunft, vernebelt das uns den Blick auf die eigentliche Zukunft, also das was wir heute tun. In der politischen Agitation wird diese Desorientierung durchaus geschickt genutzt, um sich aus der Verantwortung für die Gegenwart zu stehlen. Dazu wird die (ferne) Zukunft gerne innovativ und blühend beschrieben, ohne aber im Heute die wichtigen Entscheidungen dafür zu treffen. Das liegt wohl auch dran, dass es immer gefährlich erscheint, die Gegenwart zu gestalten – muss doch dabei immer auch die Vergangenheit kritisch bewertet und nicht zuletzt das Jetzt umgestaltet werden. Wie aber können wir uns aus dieser Klemme befreien? Roger Hackstock hat dazu in seinem Abendvortrag einen schönen Satz formuliert: „Wir warten nicht auf die Zukunft, sondern wir arbeiten dran.“ Das ist wichtig und richtig. Um den Solaraktivisten aus Österreich nochmals sinngemäß zu zitieren: Wir müssen eine klimaneutrale Zukunft zu einem Sehnsuchtsort machen und den Menschen die Angst vor der Zukunft nehmen, da diese eben nicht mit Verzicht verknüpft sein muss. Im Gegenteil, es wird eine Zukunft sein, in der wir, entledigt von den Mega-Sorgen, die uns die Fossilen eingebrockt haben, deutlich sorgloser leben können.
Neu aufgestellt
Hintergrund dieses Gedankenspiels ist das Symposium Zukunft Wärme, welches in gewisser Weise der Enkel des Symposiums Solarthermiei ist, das 32mal im altehrwürdigen Ambiente des Kloster Banz zu Staffelstein stattfand. In seiner 33. und 34. Auflage wurde es um den Zusatz „und Innovative Wärmesysteme“ ergänzt. Dieses Jahr, bei seiner 35.ten Auflage, führt es erstmals den Begriff der Solarthermie nicht mehr im Titel. Zugleich ist es auch das letzte seiner Art an diesem Ortii. Denn künftig wird das ehemalige Anwenderforum in Marburg stattfinden. Das hat sicherlich viele Gründe, möglicherweise auch den, dass die Tagung künftig eben nicht mehr das ehemalige Symposiums Solarthermie sein soll. Es gilt für den Veranstalter Conexio PSE, so steht es auch auf der Website, einen „neuem thematischem Fokus“ zu setzen und eine „zentrale Plattform für innovative Wärmesysteme in Deutschland“ zu kreieren, aber – ganz wichtig – die Erfahrungen aus den vorangegangenen 35 Jahren nicht zu unterschlagen. Der Veranstalter arbeitet also aktiv an der Zukunft. Das ist großartig und wichtig, denn die Zukunft ist jetzt. Von vielen langjährigen Teilnehmern wurde dennoch die eine oder andere Träne verdrückt, denn es war auch ein Abschied von lieb Gewonnenen und Gewohntem.
Wärmeversorgung der Zukunft
Dass Solarthermie keine Technologie von gestern ist, wenngleich es sie schon länger gibt, ist für die Teilnehmer des Symposiums unstrittig, und wurde an dieser Stelle auch schon ausführlich beschrieben. Das Symposium Zukunft Wärme – Nomen est omen – beschäftigt sich mit der Wärmeversorgung, die bereits neu gestaltet wurde und, Stichwort Zukunft, ab heute errichtet wird.
Bei dieser zukünftige Wärmeversorgung, das ist die gute Nachricht für alle Anhänger der solarthermischen Wärmeerzeugung, kann auf keine der regenerativen Technologien verzichten werden. Darauf wies auch Hans-Martin Henning, Institutsleiter des Fraunhofer ISE, in der Eröffnungssitzung in seinem eindrücklichen Vortrag „Auf dem Weg in eine klimaneutrale Wärmeversorgung“ hin. Henning, seines Zeichens auch Vorsitzender des Expertenrats für Klimafragen, machte darin deutlich, dass etwa vom Gebäudesektor zum vierten Mal in Folge die nach Klimaschutzgesetz (KSG) zulässigen Emissionen überschritten wurden. Dabei handelt es sich vor allem um Emissionen, die von der Wärmeversorgung und Warmwasserbereitstellung verursacht werden. Um aber endlich den Pfad in Richtung Klimaneutralität einzuschlagen, gilt es zum einen die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden inklusive der Optimierung des Betriebs voranzutreiben, aber auch, das war eine wesentliche Feststellung seiner Ausführungen, den Maßnahmen zur klimaneutralen Wärmebereitstellung eine deutlich größere Bedeutung zu geben. So kam jüngst eine Studie des vom BMBF-geförderten Ariadne-Projekts zur Analyse von Transformationspfaden des deutschen Energiesystems zu dem Ergebnis, dass im Zuge der Absenkung des Endenergiebedarfs im Gebäudesektor für Raumwärme und Warmwasser zwar a) eine starke Dominanz von Wärmepumpen angenommen wird und es b) einen steigenden Anteil an Gebäuden geben wird, die durch Wärmenetze versorgt werden, aber auch c) die Solarthermie einen nicht unerheblichen Anteil beitragen muss. Dabei, so die Prognose, entfallen zwei Drittel auf gebäudeintegrierte Anlagen und ein Drittel auf Anlagen, die in Wärmenetze einspeisen. Das ist durchaus überraschend, wurde doch schon längst von vielen Mündern der Abgesang der Solarthermie auf Gebäuden angestimmt. Dazu muss Solarthermie – auch das ist keine Neuigkeit – zwingend wieder sichtbarerer werden. Wie das erreicht werden kann, würde den Rahmen dieses Textes komplett sprengen.
Eine weitere, vom Bundesverband Solarwirtschaft in Auftrag gegebene Studie wurde während des Symposiums ebenso vorgestellt. Darin kommt das Fraunhofer ISE zu der Erkenntnis, dass große Solarthermieanlagen industrielle Prozesswärme in Deutschland, das ist durchaus überraschend, deutlich günstiger erzeugen können als das konventionelle Erdgasanlagen tun, und dabei auch einen nicht unwesentlichen Teil des Bedarfs der Unternehmen decken können. Wichtig für Entscheidungsträger, die sich auf einen schnellen Kapitalertrag konzentrieren: Die Amortisation der solarthermischen Kraftwerke liegt zwischen drei und zehn Jahren.
Wir schaffen das (nicht?)
Nochmal zu der kleinen Betrachtung der Zeit vom Anfang zurückzukommen: eine Frage in einer Podiumsdiskussion der Verbandsvertreter (BSW, BDH und BWP) war, wie das Wärmeversorgungssystem in Deutschland im Jahr 2030 aussehen könnte. Hier gab es schöne, und auch motivierende Stellungnahmen, aber auch die ernüchternde Feststellung, dass fünf Jahre keine lange Zeit sind und, so die Marktteilnehmer, nicht viel passieren wird. Die Zeit bis 2045, dem Datum, bis zu dem die Treibhausgasemissionen Deutschlands gemäß Bundesklimaschutzgesetz auf Netto-Null gesunken sein sollen, erscheint daher in einem anderen Licht.
Die Solarwärmebranche selbst ist momentan auch grundsätzlich „mit der Gesamtsituation unzufrieden“. Charlotte Brauns, Solarthermiereferentin im BSW Solar e.V., nannte die aktuelle Marktlage gar „katastrophal“. Denn auch wenn sich Großanlagen sehr positiv entwickeln – aktuell sind etwa 175.000 m2 Kollektorfläche dort installiert, weitere 250.000 m2 sind in der Entwicklung –, können sie den Rückgang der auf Gebäuden installierten Anlagen nicht kompensieren. Eine Hoffnung: Durch den Boom der fossilen Energieversorgung, ausgelöst durch die unsägliche Heizungskampagne, gibt es mittlerweile rund fünf Millionen Gaskessel, die jünger als fünf Jahre sind. Diese, so die Einschätzung des BSW, werden den Besitzenden wegen der zu erwartenden, steigenden Bezugspreise – der Gaspreis hat sich seit 2021 bereits verdoppelt – auf die Füße fallen. Hier gibt es daher durchaus ein nicht unerhebliches Potential einer solaren Nachrüstung.
Auf dem Symposium wurden viele interessante Projekte vorgestellt, auf die hier aus Platzgründen nicht eingegangen werden kann. In der SONNENENERGIE 3|25 ist ein weiterer Bericht zu dem Symposium geplant.
i noch ist die Website www.solarthermie-symposium.de aktiv, von ihr aus erfolgt eine Weiterleitung auf www.symposiumzukunftwaerme.de.
ii Der Autor dieses Textes ist im Übrigen in gewisser Weise ein Chronist dieser Epoche, war er doch die letzten 30 Jahre ununterbrochen Gast auf der Tagung, ist somit mit der Geschichte der Solarthermie und deren Protagonisten im deutschsprachigen Raum gut vertraut.