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Jörg Sutter

Billigerer Strom dank Erneuerbarer Energien

Eine Studiendurchsicht von Jörg Sutter

Stromverteiler
[Bild: Sutter]

„Erneuerbare Energien senken den Strompreis unabhängig von der Nachfrage“

So lautet der Titel einer neuen Analyse der Agora Energiewende, die wir heute an dieser Stelle vorstellen möchten. Nachdem vor einiger Zeit das Ziel der Energiewende „nur“ ein schneller Ausbau der erneuerbaren Energien war, wird das Augenmerk heute verstärkt auf günstige Strompreise und Versorgungssicherheit gelegt. Agora Energiewende hat daher Aurora Energy Research beauftragt, zwei Szenarien mit Sensitivitäten zu entwickeln, die einen wenig ambitionierten Ausbau und einen beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren ansetzen, jeweils mit stärkerer oder schwächerer Erhöhung des Stromverbrauches. Das passt auch zu den derzeitigen politischen Diskussionen um die Klimaziele und die Ausbaugeschwindigkeit bei den erneuerbaren Energien.

Die Analyse hat dabei die Auswirkungen betrachtet. Zum einen jene auf die Strombörsenpreise (Base load), die sich ja aus Angebot und Nachfrage ergeben. Zum anderen wurden die CO2-Emissionen betrachtet: die würden mit mehr Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung weiter sinken, bei hoher Stromnachfrage und wenig EE-Ausbau aber steigen, weil mehr fossile Kraftwerke, vor allem gasbefeuerte, eingesetzt werden müssen, so die Autoren.

Schwache Stromnachfrage und starker EE-Ausbau

Steigt der Stromverbrauch bis 2030 nur moderat bei weiter schnellem Ausbau der erneuerbaren Energien, so steht natürlich mehr Strom am Markt zur Verfügung, es ist also kein Wunder, dass der Strompreis (an der Strombörse) in einer Vorhersage dann um 18 Prozent niedriger ist als wenn neben der moderater Stromverbrauchserhöhung auch der Ausbau nur langsam erfolgt.

Das bedeutet konkret: Wenn die Umsetzung der Energiewende im Strombereich weiter langsamer voranschreitet und die früheren Ziele bei der Elektromobilität und der Umsetzung von Wärmepumpen nicht erreicht werden, ist ein weiterer starker Ausbau der erneuerbaren Energien ein deutlicher Preissenker für die Stromkosten.
Und nicht nur das: Im Vergleich sinken dabei auch die Emissionen um knapp 20 Prozent bis 2030. Das wäre auch für die neuen Klimaziele der EU vorteilhaft, denn die EU hat gerade in dieser Woche die Senkung der CO2-Emissionen bis 2040 um mindestens 90 Prozent als Plan vorgestellt. Ohne einen weiterhin starken Ausbau von Photovoltaik und Wind scheint dieses Ziel nicht erreichbar zu sein.

Gleichzeitig würde sich in diesem Szenario auch ein weiterer großer Vorteil ergeben: rund 53 Terawattstunden Strom müssten in 2030 nicht importiert werden, die Energie-Unabhängigkeit und damit auch die Stabilität der Strompreise würde weiter ansteigen.

Starke Stromnachfrage und schwacher EE-Ausbau

Das Gegenteil des gerade beschriebenen Szenarios wurde auch untersucht und eine Prognose dafür ermittelt. Demnach wäre ein starkes Wachstum beim Stromverbrauch und ein geringer Ausbau der erneuerbaren Energien eine ausgesprochen schlechte Idee: Die Strombörsenpreise wären 2030 dann 25 % höher im Vergleich zum Ausbauszenario. Und die Emissionen würden ebenfalls höher sein – laut Untersuchung um 18 %, denn der steigende Strombedarf müsste dann wieder vermehrt vor allem aus fossilen Gaskraftwerken gedeckt werden.

Abgleich mit dem EEG-Ausbau

Das aktuelle Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) enthält einen Zubaupfad im Bereich von PV und Wind für die kommenden Jahren. Nach den aktuell hinterlegten Ausbauzahlen sollen im PV-Bereich bis 2030 215 Gigawatt installiert sein, also rund das Doppelte der schon heute auf den Dächern und Freiflächen vorhandenen Anlagen. Genau dieser Ausbau, als das Ziel von 215 GW im Jahr 2030, wurde als ambitionierter Ausbau in der Studie angesetzt. Bei der Windenergie wurde analog vorgegangen, auch hier ist der Ausbauplan des EEG mit 115 GW Windkraft bis 2030 als ambitionierter Ausbau angesetzt. Der wenig ambitionierte Ausbau wurde mit 157 (statt 215) GW PV-Leistung und 97 (statt 115) GW Windkraftleistung angesetzt.

Ein Unterschied zum Ausbau im EEG besteht jedoch: In der aktuellen Agora-Studie wurde mit dem Ausbau der Erneuerbaren auch der Ausbau von Stromspeichern, also Batteriesystemen mit modelliert, für die im EEG keine Ausbauplanung zu finden ist.

Im wenig ambitionierten Ausbau würden demnach 29 Gigawatt an Speicherleistung bis 2030 installiert, davon 18 GW als Heimspeicher und „nur“ 11 GW als Großspeicher in Industrie und mit Netzspeichern. Nahezu doppelt so hoch sind die Zahlen im ambitionierten Ausbau: Hier würden bis 2030 54 (statt 29) GW Speicherleistung erreicht. Und: Das Verhältnis verschiebt sich, da dann mehr Großspeicher errichtet würden. Das erwartete Verhältnis lautet hier: 21 GW für die Heimspeicher, 54 GW für die „Utility“-Großspeicher.

Die verschiedenen betrachteten Ausbauszenarien bis 2027 und 2030 in der Analyse.
[Bild: Aurora Energy Research für Agora Energiewende]

Und das Ergebnis?

Das Fazit der Agora-Analyse: Am schnellen Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung – und damit sind explizit PV, Wind und Batteriespeicher gemeint – führt kein Weg vorbei, wenn in Zukunft die CO2-Emissionen und die Strompreise sinken sollen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Botschaft auch in der Politik in Berlin ankommt, wo ja derzeit oftmals andere Prioritäten in den Vordergrund geschoben werden.

Und noch ein greifbares Ergebnis: Bei der berechneten Stromkostenersparnis geht es nicht um Peanuts! Beim Szenario mit schwächerer Stromnachfrage machen die geringeren Preise in Summe eine Einsparung von Stromkosten in Höhe von 12 Milliarden Euro für Verbraucherinnen, Verbraucher und die Industrie aus. Und das dauerhaft und jedes Jahr.