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Heinz Wraneschitz

Aquathermie – das ungenutzte Energiepotenial von Fließgewässern

Ein Bericht von Heinz Wraneschitz

Mitten in der Stadt: Das Flusswasserkraftwerk der Stadtwerke infra Fürth. Eine Aquathermie-Nutzung gibt’s bislang nicht.
[Foto: Heinz Wraneschitz bildtext.de]

Mit „Stadt Land Fluss, Potenziale der Aquathermie“ ist ein Beitrag im aktuellen DGS-Magazin „Sonnenenergie 3/2025“ überschrieben. Kurz zuvor, im Mai dieses Jahres hatte Götz Warnke in den DGS-News über die Wärmepotenziale aus Wasserkraft ganz allgemein geschrieben.

Und auch allgemein scheint es so, als ob das Thema „Aquathermie – Wärme aus Wasserkraft“ in der letzten Zeit endlich stärker ins Blickfeld von Fachleuten aus der Energiewirtschaft gelangen würde. Nicht zuletzt, weil im Frühjahr 2024 die renommierte Münchner Forschungsstelle für Energiewirtschaft ffe in der Studie „Wärmepumpen an Fließgewässern“ die riesigen, weithin ungenutzten Energiepotenziale der in Flüssen enthaltenen Wärmemengen bloßgelegt hat: Würde das Flusswasser in Bayern um drei Grad abgekühlt, könnte theoretisch die ganze in Deutschland benötigte Wärme daraus gewonnen werden. Zudem würde die Abkühlung der Gewässer-Fauna und -Flora gut tun, denn die Wassertemperaturen sind heute zwischen zwei und vier Grad wärmer als in vorindustriellen Zeiten: Das sind zwei der wesentlichen Ergebnisse dieser ffe-Studie.

Flusswärme fast überall nutzbar

Weil durch fast alle Städte Flüsse und Bäche fließen, gibt es auch fast überall Wasserkraftwerke. Deren Strom könnte zum Betrieb von Wärmepumpen für Nahwärmenetze genutzt werden. Nicht zuletzt dieser Aspekt war Anlass für die Online-Konferenz „Aquathermie & Wasserkraft 2025“ des Wasserkraftverbands Mitteldeutschland e.V. (WKVM) Anfang September. Das breite Interesse an dem Thema bewiesen die hohe Zahl der Zuhörenden und die intensiven Diskussionen.

Und tatsächlich wurden jede Menge praktische Informationen geliefert und beispielhafte Projekte präsentiert.

Für WKVM-Präsident Martin Richter ist einer der wichtigsten Gründe, warum Flusswasserwärme bislang bei kommunalen Wärmeplänen außen vor bleibt: „Meist wissen die Wasserkraft-Betreiber nicht, ob die Gemeinden überhaupt wissen, dass Aquathermie auch in ihrer Kommune funktionieren würde.“ Und auch die Genehmigungsbehörden wüssten oft gar nicht so recht, wie sie damit umgehen sollten. Womöglich auch deshalb gingen Gemeindevertreter:innen erst gar nicht auf die Betreiber zu, wie eine Befragung mehrerer Wasserkraft-Verbände gezeigt habe. Und andersherum: „Nur die wenigsten Betreiber nutzen die Wasserkraft (WK) außerhalb des eigenen Gebäudes“ – womöglich, weil ihnen die EEG-Vergütung für Strom für den Betrieb ausreicht. Zumal selbst von den WK-Betreibern offenbar nur jeder fünfte über eine solche Wärmenutzung im eigenen Bereich nachdenkt – oft sogar Gewerbeunternehmen mit höherem Bedarf.

Win-Win-Situationen

Dabei könnten Wasser-Ent- und Zuleitung im Einlaufbereich des Kraftwerks und der Betrieb einer damit verbundenen Wärmepumpe durch Generatorstrom sowohl dem Betreiber zusätzliche Einnahmen generieren, wie auch der Gemeinde bei der schnellen Umsetzung einer CO2-freien kommunalen Wärmeplanung helfen. Mit einer Kilowattstunde WK-Strom vier kWh Wärme zu produzieren, das leisten solche Systeme heutzutage mindestens. Deshalb empfahl Richter beiden Seiten, schleunigst über eine solche Zusammenarbeit mit Win-Win-Situation nachzudenken. Zumal „die ehemals guten Vergütungen durch die volatilen Preise in der Direktvermarktung eingebrochen“ seien, die Einspeisevergütungen für WK-Strom nach WKVM-Angaben „auf dem Stand vor 10 bis 15 Jahren liegen“.

Augenscheinlich gehen wir mit dieser Möglichkeit in Deutschland fahrlässig um. Die für ihre Langsamkeit oft belächelte Schweiz ist da offenbar wesentlich schneller gewesen: Schon 1938 wurde das Rathaus Zürich mit der Limmat als Wärmequelle verbunden, berichtete der Leipziger Planer Bernd Felgentreff. Seine Empfehlung (auch) für hiesige Kommunen: keine „konventionellen“, sondern „kalte“ Nahwärmenetze (Vorlauftemperatur 6 bis 45 °C) mit Aquathermie-Wärmepumpen errichten. Denn die seien für den breiten Wärmebedarfsbereich von 700 bis 1500 kWh/a pro laufenden Leitungsmeter „sehr gut geeignet“. Bei Netzen mit hohen Vorlauftemperaturen (70 bis 120 °C) müssten dagegen für die sehr gute Eignung mindestens 1900 kWh/a*m bezogen werden. Als gutes Beispiel führte Felgentreff eine in der Umsetzung befindliche Flusswasser-Anlage in Achern an.

Umweltingenieur Christoph Pfeffer aus Regen (Bayern) bewies, dass (fast) an jeder Kleinwasserkraftanlage auch eine Aquathermie-Wärmepumpe betrieben werden kann. Und dass dies auch schon vielerorts passiert.

Breite Anwendungsfelder

Konkrete Anwendungen präsentierte Michael Westermeier vom Wärmepumpen-Lieferanten Rathiotherm aus Dollnstein, ebenfalls Bayern. In Eichstätt versorgen zwei Wärmepumpen (WP) seit 2005 mit WK-Strom nahegelegene Gebäude mit Wärme. In Mörnsheim-Altendorf wird seit 2006 ein zum Wohnhaus umfunktioniertes Mühlengebäude mit WK-bestromten Flusswasser-WP beheizt. In Eschweiler wird gerade ein kaltes Nahwärmenetz für einen Schulkomplex, eine Kita sowie eine neue Wohnsiedlung errichtet. Die Gesamtheizlast beträgt 755 kW. Dafür hebt eine große Flusswasser-WP das Temperaturniveau auf das des Nahwärmenetzes an; dezentralen Wärmepumpen in den Gebäuden besorgen den Rest. Dadurch seien die Verluste bei den Leitungen recht gering und die Energiekennzahlen (COP) recht hoch.

Wissens- und Genehmigungsprobleme?

Das größte Problem sahen die Planer genauso wie WKVM-Chef Richter in den bislang oft restriktiven Genehmigungsverfahren. Und außerdem seien „Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuständigen Behörden“ unbedingt notwendig, genauso wie die „Anerkennung von Systemdienstleistungen in der Vergütung und vereinfachte Netzregulierung für Wärmenetze“.

Das Potenzial für Aquathermie jedenfalls sei vielerorts riesig, hieß es übereinstimmend von allen Rednern. Und dafür geben ihnen die Studien wie die bereits genannte von ffe oder die ebenfalls 2024 von der Energy-Watch-Group unter dem Titel „Wasserstrom – der neue Gamechanger für Klimavorsorge, Heimatenergien und Gewässernatur“ veröffentlichte uneingeschränkt Recht.

PS: Die Wasserkraft-Konferenz lässt sich übrigens nachschauen und -hören: bei Youtube.

PPS: Wer sich schnell einlesen will in eine Reihe grundlegender Fakten, Vor- und Nachteile sowie aktuelle Probleme, dem sei diese Vortragspräsentation von WKVM-Präsident Martin Richter ans Herz gelegt.

Kommentar

Im Blick der Veranstaltung wurde aber auch auf das seit einiger Zeit im Aufbau begriffene „Netzwerk Aquathermie“ des WKVM, Sitz Dresden hingewiesen. Wenn es jedoch gleichzeitig offenbar konkurrierende „Netzwerk“-Aufbauten an anderer Stelle gibt, wie z.B. den „Arbeitskreis AK Aquathermie“ des in Leipzig residierenden „Energienetzwerk Mitteldeutschland e.V.“, oder ein Forschungsprojekt der Emschergenossenschaft Lippeverband, zwar „mit neun Partnern als sechs Ländern“, aber ohne die beiden vorgenannten, dann dürfte es schwer werden, ein schnelles Problembewusstsein bei der Politik zu erreichen. Warum nicht gemeinsam agieren? WRA