31.05.2019
Solaranlagen sorgen für Artenschutz und Biodiversität
Unter dem Motto „Rein mit den Schafen!“ fand am Rande der Solarmesse Intersolar in München, leider fast unbemerkt, die Auftaktveranstaltung zur Kooperation von Schäfern und Betreibern von Solar-Freiflächenanlagen statt. Dabei wurde deutlich, wie wichtig diese Flächen für Naturschutz und Biodiversität sind und welche Chancen sie für den Artenschutz bieten. Die Veranstaltung am 17. Mai wurde von den Bayerischen Ministerien Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie Umwelt und Verbraucherschutz in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie durchgeführt. Ziel war es Betreiber von Solaranlagen für eine intensivere Zusammenarbeit mit Schäfern zu begeistern. Denn diese Interessengemeinschaft, davon sind alle Beteiligte überzeugt, sollte viel öfter genutzt werden. Die Vorteile für beide Partner sind enorm.
Meint man es hierzulande ernst mit dem Klimaschutz, so müssen künftig verstärkt Freiflächen mit Photovoltaik und Solarthermie, also der Erzeugung von Solarstrom und Solarwärme, belegt werden. Für die Funktionsfähigkeit dieser Anlagen ist es notwendig, den Pflanzenbewuchs in Schach zu halten. Zudem ist eine kontrollierte Vegetation für den Brandschutz von großer Bedeutung. Auch wenn es durchaus Solarparks gibt, die nicht beweidbar sind, kommt für das Kurzhalten des Grünwuchses in den meisten Fällen neben der Mahd eine Schafbeweidung in Frage. Bei dieser, meist kostengünstigere Pflegevariante, ist im Gegensatz zur mechanischen Variante keine Staubentwicklung und Beschädigung der Anlagenteile durch Steinschlag zu befürchten. Nicht zuletzt kann durch die regelmäßige Anwesenheit und Kontrollen der Schäfer die Diebstahl- und Vandalismusgefahr deutlich verringert werden.
Aber auch die andere Seite würde davon profitieren. Aus Sicht der Schafhalter könnte hier eine Dienstleistungsnische entstehen, die Flächenverluste an anderer Stelle zumindest teilweise kompensiert. Für die Schäfer hat es den Vorteil, dass die Solarflächen weder gedüngt noch mit Pestiziden behandelt werden und die Solarflächen als Unterstand als Schutz gegen Hitze, Sturm etc. dienen können. Der sichere Zaun um die Solaranlage unterstützt den Schäfer zudem beim Herdenschutz. Das wiederum hilft indirekt dem Wolf, der in den letzten Jahren in seinen natürlichen Lebensraum in Deutschland und Europa erfolgreich zurückerobert. Denn erschwert man es ihm, sich an wenig geschützten Haustieren zu bedienen, kann seine Integration, die international hohen Schutz genießt, leichter erfolgen.
Ein zentraler Aspekt ist ebenso, dass bei der Produktion von Erneuerbarer Energie besonders darauf geachtet werden sollte, dass die beanspruchten Flächen naturnah und ressourcenschonend gepflegt werden. Mit Hilfe einer extensive Weidehaltung unterstützt der Betreiber in besonderem Maße den Gedanken des Tierwohls. Dies ist wichtig, denn die öffentliche Wahrnehmung wird immer bedeutsamer. Gerade unter dem Aspekt eines forcierten Ausbaus ist es nötig für die entsprechende Akzeptanz zu sorgen.
Freiflächensolaranlagen können auch ganz konkret helfen. Das machte Geoökologe Ralf Bolz deutlich. Er stellte ein Biodiversitätskonzept auf PV-Freiflächenanlagen zur Schaffung lokaler „Insekten-Hotspots“ und Bienensommerweiden durch Beweidung vor. Denn das Insektensterben ist nicht nur ein aktuelles Medienthema, der andauernde Rückgang der heimischen Artenvielfalt und Individuenzahlen ist real und dramatisch. Beispielsweise muss der Mensch die Honigbiene ab Juli mit Nahrung versorgen, anstatt reiche Sommertrachten wie früher einzubringen. Noch weniger im Fokus ist die Funktion der Insekten als prägende Landschaftsgestalter. Denn sie dienen nicht nur als Bestäuber, sondern auch als Nahrungsgrundlage für Vögel und Wirbeltiere. Der extrem starke Einbruch hat seine Gründe. Neben den Habitatverlusten und der Blütenarmut im Hochsommer ist es vor allem die extensive Landwirtschaft mit Insektiziden, die den Insekten essentielle Probleme bereitet. Bolz stellte dazu ein Konzept für artenreiche Freiflächen-Solaranlagen vor, durch das Weiden – nicht nur für Bienen, sondern auch für Weidevögel - geschaffen werden sollen. Damit möchte man auch dem Vorurteil entgegenwirken, dass PV-Anlagen wertvolle Landwirtschaftsfläche wegnehmen. Denn schließlich ist Beweidung auch Landwirtschaft und es gibt deutlich zu wenig Weidetiere in der Landschaft.
Der Beweidung mit Schafen kommt hier eine wichtige Schlüsselrolle zu. Neben der gezielten Ansaat und der Einbringung von einheimischen wie auch regional spezifischen Pflanzen fungieren Schafe auch als Sameneinbringer. Erst durch sie ist eine Artenvielfalt machbar. Dazu hilft die extensive Schafbeweidung mit niedriger Besatzdichte letztendlich diese neu geschaffenen Biodiveritäts-Inseln zu pflegen. Das gilt im Übrigen für Neuanlagen als auch für Bestandsanlagen.
Abschließend sollte jedoch nicht übersehen werden, dass für diese Maßnahmen vor allem reine Herdenschäfer in Frage kommen und solche „Solarschäfer“ dabei auch ein wenig maschinenaffin sein sollten und einen Blick für die Anlage haben müssen. Dabei ist der Schäfer kein passiver Besucher. Seine Aufgabe umfasst mehr, bisweilen muss er auch einmal eine Maschine in die Hand nehmen. Den Betreibern wiederum sollte bewusst sein, dass ein solcher qualifizierter Schäfer diese Arbeit nicht umsonst macht und er nicht allein wegen des Futters kommt. Denn die Schäferei bewegt sich, was den Verdienst betrifft, ohnehin am unteren Limit. Somit könnte eine Kooperation mit Solaranlagenbetreibern helfen, dass die Schäferei als solches überleben kann.
Matthias Hüttmann
Zu diesem Thema hat die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft eine kostenfreie Broschüre veröffentlicht: https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/publikationen/daten/informationen/beweidung-pv-anlagen-schafe_lfl-information.pdf. Dort findet sich u.a. auch einen Muster-Beweidungsvertrag.