30.11.2018
Ich lad an meiner Laterne
Laternentanken, das Laden von E-Autos über Steckdosen in Straßenlampen, ist in der britischen Hauptstadt London und anderswo im United Kingdom offenbar fest in deutscher Hand. Schon 290 solcher E-Laternen hat die Berliner Firma Ubitricity in Großbritannien bereits installiert.
In seiner Heimatstadt Berlin konnte das Start-Up-Unternehmen „Ubitricity Gesellschaft für verteilte Energiesysteme mbH“ bislang gerade mal 20 Laternen-Tankstellen installieren. Dabei sorgen sich viele deutsche Städte um drohende Fahrverbote auch für Diesel-Taxis. Wohl deshalb gibt es in der Baden-Württemberger Landeshauptstadt Stuttgart inzwischen einen „Elektro-Taxi-Aktionsplan ETAP zur Elektrifizierung der Taxiflotten“. Und auch der BaWü-Staatskonzern EnBW engagiert sich im Bereich E-Mobile. In Köln und dem Umland betreibt RheinEnergie 230 Ladepunkte an 130 meist öffentlich zugänglichen, ökostromversorgten Ladestationen, nach Firmenangaben „eine der dichtesten Ladeinfrastrukturen in Deutschland“. Drei Ladesäulen im Ortsteil Nippes sind sogar „Laternen-TankE“n mit jeweils 11 kW Leistung. Das genügt, um auch große Batterien über Nacht vollständig zu laden.
Doch warum haben Firmen wie Ubitricity auf der britischen Insel mehr Erfolg als hierzulande? Kommunikationschefin Alexa Thiele sieht dafür vor allem den „politischen Willen in London“ als Grund. Die City-Maut sei lange eingeführt, um den verfügbaren Raum besser zu nutzen und weniger Autoabgase in die City zu bekommen. So fahren dort auch viele Taxis mit E-Antrieb. „An den Laternen bekommen wir die Elektro-Lade-Infrastruktur kostengünstig in die Stadt.“ Das passt laut Thiele auch für Wohnstraßen: „Nur wenige Häuser haben private Garagen. Die Autos müssen auf der Straße parken.“ Die vorhandenen Straßenlaternen seien geradezu prädestiniert, um Tanksteckdosen aufzunehmen. Auch das Münchner Start-Up-Unternehmen ChargeX sorgt sich um das Laden von E-Autos. Die Idee laut Tobias Wagner, einer der Geschäftsführer und Co-Gründer, „die Mehrfachsteckdose für Elektromobile“, ist bereits zu kaufen. Beim „Pitch Contest“ um den Bayerischen Energie-Gründer-Publikumspreis belegte dieses einfach erweiterbare, „modulare Ladesystem für Elektroautos“ den zweiten Platz.
Eluminocity, eine andere Münchner Jungfirma, bietet eine „Ladestation für Parkraumbetreiber, für Unternehmen, für Ihr Autohaus, für Ihr Hotel. Smarte Beleuchtung für Ihren Parkraum, für Ihre Stadt“ an. Auch dieses selbst ernannte „Smart City Unternehmen“ findet damit offenbar im Ausland viel Resonanz. In Seattle/USA betreibe man „derzeit zehn Ladeinseln für Elektroautos“. Ob am Woodland Park Zoo, am Pacific Science Center oder am Seattle College Campus: Alle sind „öffentlich zugänglich und für alle Elektroautos geeignet“. Das Potenzial haben offenbar die Innogy AG und der Leuchtenhersteller Trilux erkannt: „Die beiden strategischen Investoren beteiligen sich an Eluminocity im Wege einer Kapitalerhöhung mit jeweils 17,5 Prozent“, wurde Ende 2017 bekannt.
Genauso strahlt offenbar die Ubitricity-Idee, die technische Intelligenz des E-Ladens von der Zapfstelle ins Kabel zu verlagern. London jedenfalls hat die Berliner nach einer Ausschreibung gemeinsam mit dem strategischen Investor Siemens als Partner zum offiziellen Lieferanten für Ladeinfrastruktur gekürt. Der Clou bei Ubitricitys Laternenparklösung: Viel Technologie im Kabel, vom Zähler bis zum Internet-Anschluss zur Abrechnung. Die Leitung bringt der Emobilist selber im Auto mit. Deshalb entstünden am Ladepunkt selbst kaum Kosten: Am Laternenmast wird im Wesentlichen die Steckdose montiert und mit dem Stromnetz innendrin verbunden. Das schwere Kabel liegt zudem am Boden und ist deshalb kaum Stolperfalle.
In Deutschland war „Laternenparken“ schon 2011 unter den Förderprojekten der Nationalen (Bundes-)Plattform Emobilität NPE. Die vier Prototypen in Leipzigs Mozartstraße funktionieren immer noch, ist zu erfahren. Viel mehr passierte nicht.
Und das, obwohl im >Ergebnispapier 10: Treiber und Hemmnisse bei der Anschaffung von Elektroautos< zum 2011 aufgesetzten NPE-Forschungsprogramm steht: Eine ausreichende Versorgung mit Ladesäulen sei unumgänglich, damit sich in Deutschland die Strom-Mobilität durchsetzt: Nicht nur an zentralen Punkten, sondern möglichst auch in Wohnstraßen, Tiefgaragen, eigentlich überall. „Nur so steigen die Leute um“, heißt es von Forscherseite. Die erinnern dabei an das immer noch von der Bundesregierung vorgegebene Ziel: Eine Million Elektroautos bis 2020. Dennoch: Nur wenige deutsche Kommunen sind so weit wie Köln, Stuttgart oder Berlin.
Peter Maier würde es schon reichen, „wenn Laden wenigstens an allen wichtigen Punkten in der Stadt möglich wäre, wo Menschen von außen hinfahren. Abgestimmte Abrechnungsmodi, am besten mit Scheckkarte“ wünscht sich der Mann mit jahrzehntelanger Stromer-Erfahrung: Er ist Vorsitzender des Solarmobil Erlangen e.V., des ältesten Vereins dieser Art in Deutschland. Maier fände es „ebenfalls sinnvoll, Park-und-Ride-Parkplätze zu öffentlichen Lade-Orten zu machen“. Im Gegenzug müssten die Innenstädte weniger Individualverkehr aufnehmen. Vielleicht hoffen die Städte ja darauf, dass Unternehmen mehr für E-Mobilität tun, aus welchen Gründen auch immer. Der Discounter Aldi Süd beispielsweise will bis Ende des Jahres „28 neue E-Tankstellen in Autobahnnähe für schnelles, kostenloses solares Aufladen mit bis zu 50 kW“ fertiggestellt haben.
Andere Händler wie Ikea, Rewe oder Hagebau sind ebenfalls dabei, E-Laden zur Kundenbindung einzusetzen. Und weil inzwischen viele Stromversorger die Zeichen der offenbar kommenden E-Auto-Zeit erkannt haben, sind EnBW, Innogy oder N-Ergie mit im Boot, teilweise sogar als Infrastruktur-Betreiber.
Das notwendige „Tool für Wärme und Emobilität – damit die Netze nicht zum Flaschenhals der Energiewende werden“ hat Florian Samweber jedenfalls bereits entwickelt. Die Dissertation des Bayerischen Energie-Nachwuchsförderpreisträgers heißt: „Systematischer Vergleich Netzoptimierender Maßnahmen zur Integration elektrischer Wärmeerzeuger und Fahrzeuge in Niederspannungsnetze.“ Jetzt fehlt „nur“ noch die Anwendung.
Heinz Wraneschitz
Tipp: In der SONNENENERGIE finden Sie in Ausgabe 4|18 und 1|19 die zweiteilige Serie "Tankstellen der Elektromobilität". Dort wird ausführlich auf die verschiedenen Lademöglichkeiten von Elektrofahrzeigen eingegangen.