30.10.2020
Pioniere der Erneuerbaren Energien 2: Augustin Mouchot
Ein Bericht von Götz Warnke
Die Erneuerbaren Energien sind weder plötzlich vom Himmel gefallen noch sind sie das Produkt unbekannter Erfinder nach einer durchzechten Nacht. Sie sind das Ergebnis unzähliger Einzelinnovationen von einer Vielzahl von Menschen, die heute – stets zu Unrecht – mehr oder minder vergessen sind. Diese Pioniere der Erneuerbaren Energien aus dem Halbschatten der Geschichte ins fachöffentliche Bewusstsein zu ziehen, ist der Sinn dieser Serie. Die entsprechenden Beiträge werden in unregelmäßigen Abständen und ohne chronologische Reihenfolge der Personen erscheinen. Auch stellt die Reihenfolge keine Rangfolge der technisch-wissenschaftlichen Leistungen der entsprechenden Personen dar.
Augustin-Bernard Mouchot (1825-1912)
Augustin Mouchot wurde am 7. April 1825 in der Kleinstadt Semur-en-Auxois (Côte-d'Or) als sechstes und letztes Kind eines Schlossermeisters geboren. Damit war ihm zwar eine akademische Karriere nicht in die Wiege gelegt, doch durch seinen Fleiß und ein Abitur mit Auszeichnung 1845 am Kolleg von Semur hielt er sich diesen Weg offen. Mouchot arbeitete zuerst als Grundschullehrer in den nahe gelegenen Städten Movran und Dijon, um dann 1853 seinen Abschluss in Mathematik und insbesondere Physik an der Université de Bourgogne in Dijon zu machen. Danach war es für Mouchot an der Zeit, die Bourgogne (Burgund) zu verlassen: Er zog noch im selben Jahr ins rund 460 km weiter westlich gelegene Alençon (Normandie), um dort Mathematik an weiterführenden Schulen zu unterrichten. Hier in Alençon kam ihm auch 1860 erstmals die Idee, die Sonnenenergie technisch zur Wärmeerzeugung zu nutzen und damit zu experimentieren.
Nicht nur die technische Entwicklung der Solarenergie-Nutzung, auch die theoretische Beschäftigung mit solaren Möglichkeiten hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine Reihe von Fortschritten hinter sich: Der französische Physiker Edme Mariotte (1620 bis 1684) hatte um 1680 ermittelt, dass sich im Gegensatz zum Sonnenlicht die Wärmestrahlung mit einer Glasscheibe blockieren ließ. Die Schweizer Naturforscher Horace Bénédict de Saussure (1740 bis 1799) und Marc-Auguste Pictet (1752 bis 1825) entdeckten, dass mit Glas abgedeckte Behältnisse sich in ihrem Inneren stärker erwärmen, und dass dieses Phänomen unabhängig von Außentemperatur und Luftdruck funktioniert. Der deutsch-britische Astronom Wilhelm/William Herschel (1738 bis 1822) entdeckte 1800, dass die Temperatur im Spektrum des Sonnenlichts bis jenseits des Rots zunahm (Infrarot). Und der französische Physiker Claude Pouillet (1790 bis 1868) entwickelte 1838 das Pyrheliometer, mit dem er die von der Sonne einstrahlende Wärmeenergie messen konnte. Diese wenigen Erwähnungen von vielen weiteren Forschungen mögen hier genügen.
Mouchot fing also „nicht bei Null an“. Er fokussiere sich bei seinen Forschungs-Arbeiten immer stärker auf die konzentrierte Solarthermie, zuerst noch mit Linsen, dann aber bald mit Spiegeln. Schon 1861 meldete er eine entsprechende Solar-Dampfmaschine zum Patent an, zog dieses Patent aber bereits 1862 wieder zurück. Doch seine Arbeiten gingen weiter, sowohl während seiner Lehreranstellung in Rennes (1862 bis 64) als auch am Gymnasium von Tours, wo er ab 1864 arbeitete. Denn Mouchot war überzeugt, dass mit der damals üblichen Kohleverfeuerung keine dauerhaft zuverlässige Energieversorgung für Staaten möglich sei. 1866 konnte er seinen ersten Solarmotor mit Parabolspiegel fertigstellen; nach einer Präsentation des Modells vor Napoleon III. hatte er auch die Unterstützung der französischen Regierung, so dass er in den folgenden Jahren seine Maschine mit Hilfe der staatlichen Werkstätten verbessern konnte. Der Apparat ging jedoch dann in den Wirren des Deutsch-Französischen-Krieges 1870/71 verloren.
1869, also noch vor dem Krieg, veröffentlichte Mouchot die erste Auflage seines Buches „La Chaleur solaire et ses applications industrielles“ (Die Solarwärme und ihre industriellen Anwendungen). Schon der Titel zeigt Mouchots Anspruch, das Industriesystem auf eine neue energetische Basis zu setzen, und sich nicht mit einigen solaren Anwendungen im privaten Bereich zufrieden zu geben. Das Buch ist dabei sehr wissenschaftlich-didaktisch aufgebaut und mit vielen Zeichnungen und Tabellen ausgestattet.
Nach dem Krieg 1870/71 hatte Frankreich nicht nur seine Kriegsschäden zu beheben, sondern auch Entschädigungen an Deutschland zu zahlen, wozu noch die Weltwirtschaftskrise von 1873 kam. Zwar hatte sich die Pariser Regierung der noch kohlearmen Nation mit dem Cobden-Chevalier-Vertrag von 1860 freien Zugang zum englischen Kohlemarkt gesichert, aber die wirtschaftliche Situation, auch auf dem Energiemarkt, blieb insgesamt angespannt. Für Mouchot bedeutete der Krieg, dass er seine kaiserliche Unterstützung verlor.
Im Herbst 1871 konnte er jedoch die Departement-Verwaltung von Tour (Weinbaugebiet) durch eine selbst konstruierte Solardestille beeindrucken, so dass er finanzielle Unterstützung erhielt und seine Lehrerstelle aufgeben konnte. Mouchot baute nicht nur bis 1874 einen experimentellen Solarmotor für die Bibliothek von Tours, sondern er konstruierte auch Solarpumpen und Solarkocher. Das fand das Interesse der Politik, denn Frankreich war seit 1830 Kolonialmacht in Algerien. Die dortigen Militär-Patrouillen mussten aus hygienischen Gründen in der Wüste Wasser und Nahrungsmittel abkochen können. Mouchots Technik machte aus dem Nachteil des dortigen Holzmangels einen Vorteil: beim solaren Kochen stieg kein Rauch auf, der die Truppen verraten konnte.
1875 konnte Augustin Mouchot eine solare Dampfmaschine der Akademie der Wissenschaften vorstellen, wodurch er weitere Förderung erhielt, um seine große Solar-Dampfmaschine fertig zu stellen. Mit dieser Maschine und ihrem rund 20 Quadratmeter großen Parabolspiegel als Dampferzeuger erhielt er auf der Pariser Weltausstellung 1878 eine Goldmedaille. Mouchots Maschine trieb über Keilriemen verschiedene Arbeitsmaschinen an, u.a. eine Eismaschine und später, unter Mouchots Assistenten Abel Pifre, auch eine Druckmaschine. Doch die Zeit war gegen Mouchot: die zunehmende französische Kohle-Förderung und ihre Sektorenkoppelung mit der Dampfeisenbahn verdrängten den solaren Ansatz, und die französische Regierung verlor ihr Interesse. Mouchot entwickelte zwar noch einige Zeit seine Solartechnik weiter, zog sich aber dann auf seinen Lehrerberuf zurück und starb 1912 verarmt in Paris.
Was bleibt von Mouchot außer der Erinnerung? Der Einsatz seiner einfachen solaren Pumpen, Kocher und Destillen könnten auch heute noch in vielen Gebieten der Erde einen technischen und sozialen Fortschritt darstellen. Und in der zweiten Auflage seines Werks La Chaleur solaire et ses applications industrielles von 1879 verweist er am Ende auf die Möglichkeit, mit Sonnenlicht Wasser für die Gewinnung des Energieträgers Wasserstoff aufzuspalten. Auf diese Idee ist schließlich 140 Jahre später die Bundesregierung auch gekommen.
Literatur
- Mouchot, Augustin: Die Sonnenwärme und ihre industriellen Anwendungen, deutsche Übersetzung der 2. Aufl. von 1879, Olynthus-Verlag, Oberbözberg/Schweiz 1987
Pioniere der Erneuerbaren Energien 1: Ehrenfried Walther von Tschirnhaus