30.10.2020
Berlin könnte das Stromnetz wieder komplett übernehmen
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Am vergangenen Freitag verkündete Vattenfall, dass das Unternehmen dem Land Berlin alle Anteile an der Stromnetz Berlin GmbH zum Kauf an. Die Bindefrist des Angebots endet am 31.07.2021.
Vattenfall bietet dem Land eine Übertragung aller Anteile in 2021 an. Somit würden alle Mitarbeiter dieser Firma in den Verantwortungsbereich des Landes Berlin übergehen, ebenso diejenigen Vattenfall-Mitarbeiter, "die dienstleistend für das Berliner Stromnetz tätig sind". Der Konzern hat das Angebot vergangenen Freitag bei der für die Beteiligungen des Landes zuständigen Senatsverwaltung für Finanzen eingereicht. Es wird derzeit von der Vergabestelle geprüft.
2014 lief der Konzessionsvertrag aus, beim Vergabeverfahren hatte sich das landeseigene Unternehmen Berlin Energie durchgesetzt. Bislang scheiterte eine Übernahme jedoch an mehreren Rechtsstreitigkeiten, bei denen es um die Rechtmäßigkeit der Vergabe ging. Vattenfall signalisierte, dass es mit dem Angebot diese jahrelangen Auseinandersetzungen um die Stromkonzession beenden möchte. In seiner Presseerklärung von vergangenem Freitag teilt der Konzern mit, dass er nicht mit einer zeitnahen Konzessionsentscheidung im Sinne von Vattenfall rechne. Zudem stelle die Aussicht auf weitere Jahre gerichtlicher Auseinandersetzungen eine Belastung für das Unternehmen dar und erschwere auch "Entscheidungen über die anstehenden Milliardeninvestitionen". Außerdem möchte der Energiekonzern "dem Berliner Senat noch vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus die Möglichkeit geben, die politisch gewünschte Rekommunalisierung der Stromnetze auch umzusetzen". Im Koalitionsvertrag der Rot-Rot-Grünen Landesregierung wurde das Ziel einer 100-prozentigen Rekommunalisierung des Stromnetzes vereinbart.
Das Kaufangebot an das Land Berlin stehe unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Verwaltungsrates des schwedischen Staatsunternehmens Vattenfall AB sowie des Aufsichtsrats der Vattenfall GmbH und einer Freigabe der zuständigen Kartellbehörden.
Auch nach Meinung des Berliner Finanzsenators Dr. Matthias Kollatz ermöglicht das Angebot "beiden Seiten, ein langwieriges Gerichtsverfahren nicht noch über Jahre hinaus auszutragen, sondern im Interesse beider zu einem guten und vernünftigen Ergebnis zu kommen." Kollatz teilte mit, dass er eine baldige Entscheidung befürwortet. Er werde sich "dafür einsetzen, dass die grundsätzlichen Weichenstellungen hierfür so früh wie möglich, das heißt Anfang 2021, vorgenommen werden". Die Übernahme soll zum 1. Januar 2021 erfolgen.
Anna Borg zufolge, CFO und künftige CEO und Präsidentin von Vattenfall AB, wolle Vattenfall mit dem Kaufangebot "den Weg für eine neue Qualität in der Kooperation mit dem Land Berlin ebnen". "Wir bleiben Berlins größter Stromanbieter und werden weiterhin etwa 1,6 Mio. Strom- und Gaskunden in Berlin und 3,8 Mio. bundesweit verlässlich versorgen.", so Borg.
Hartmut Gassner, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Genossenschaft BürgerEnergie Berlin eG, kommentierte das Angebot: "Wir gehen davon aus, dass der Senat unsere Genossenschaft kurzfristig in die Verhandlungsgespräche einbezieht." Die BürgerEnergie Berlin eG (BEB) sehe sich ihrem Ziel nah und stehe mit über 1.000 Genossenschaftsmitgliedern bereit, einen nennenswerten wirtschaftlichen Anteil beim Rückkauf des Stromnetzes zu übernehmen. Nach eigenen Angaben ist BEB die größte Energiegenossenschaft in Berlin und setzt sich seit über neun Jahren für eine direkte Bürgerbeteiligung am Berliner Stromnetz ein.
Der Kaufpreis steht noch nicht fest. Wie der Deutschlandfunk berichtete, haben sich beide Seiten [*Link einfügen: auf ein Bewertungsverfahren geeinigt. Darauf basierend werde ein unabhängiger Gutachter einen Preisvorschlag machen.