30.10.2020
Baden-Württemberg braucht 1.000 MW Photovoltaik-Zubau pro Jahr
Ein Rechenbeispiel von Jörg Sutter
Das neue Klimaschutzgesetz des Landes Baden-Württemberg wurde in der vorvergangenen Woche verabschiedet. Der darin vorgesehene PV-Zubau ist aber viel zu gering, um damit die Klimaziele zu erreichen. Die Plattform Erneuerbare Energien (PEE) setzt dagegen und hat eine Kampagne mit dem Ziel angekündigt, mindestens 1.000 MW pro Jahr im „Ländle“ beim Solarausbau zu erreichen. Die DGS unterstützt dieses Bestreben. Doch was bedeutet diese Zahl konkret für die einzelnen Landkreise?
Das neue Klimaschutzgesetz des Landes
Seit 2013 hat das Land Baden-Württemberg ein Klimaschutzgesetz, das nun in einigen wichtigen Punkten weiterentwickelt wurde, neu findet sich zum Beispiel eine Solar-Baupflicht für gewerbliche Neubauten ab dem Jahr 2022, auch große Parkplatzüberdachungen müssen zukünftig mit PV-Modulen belegt werden. Den Gesetzentwurf hatten wir als DGS hier kommentiert und dabei kritisiert, dass der angestrebte Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht ausreicht, um die Klimaziele zu erreichen. Die Landesregierung Baden-Württemberg möchte mit dem Klimaschutzgesetz einen Zielwert von 11 GW PV-Gesamtleistung bis zum Jahr 2030 erreichen, die Kampagne der PEE fordert 16 GW. Wir möchten das genauer betrachten: Wenn das Bundesland im Südwesten pro Jahr 1.000 MW PV auf insgesamt 16 GW zubauen soll, was heißt das auf die einzelnen Landkreise bezogen?
Grundlage der Ausbau-Betrachtung
Stand Ende 2019 waren in Baden-Württemberg bereits 5,5 Gigawatt Solarstrom-Leistung installiert [1], das Land hat eine Einwohnerzahl von 11,1 Mio. Einwohnern [2].
Betrachten wir der Einfachheit halber einen konstanten Zubau von jährlich 1.000 MWp im Land, der auf die insgesamt 44 Stadt- und Landkreise gleichmäßig verteilt wird. Nachdem die Photovoltaik eine Technologie mit Flächenausdehnung ist, haben wir die Aufteilung entsprechend der Kreisflächen in Quadratkilometern vorgenommen und nicht nach der Einwohnerzahl. Plausibel wird das auch in der konkreten Betrachtung: Landkreise mit großen Freiflächen haben mehr Chancen, zum PV-Ausbau stärker beizutragen als Kommunen mit einer hohen Bevölkerung, aber einer dichten Bebauung. Die Gesamtfläche des Bundeslands beträgt 35.677 Quadratkilometer, die Fläche der Kreise ist sehr unterschiedlich: Der kleinste Kreis ist der Stadtkreis Pforzheim mit 98 qkm, der größte der Ortenaukreis mit 1.850 qkm, also fast 20mal so groß wie Pforzheim [3].
Der Ausbau pro Landkreis
Verteilen wir nun gleichmäßig flächenbezogen einen Jahreszubau von 1.000 MWp PV-Leistung, so ergeben sich beispielhaft folgende Zubauwerte:
Stadtkreis Pforzheim: 3 MWp/a
Stadtkreis Stuttgart: 6 MWp/a
Stadtkreis Karlsruhe: 5 MWp/a
Durch die recht kleinen Flächen der Stadtkreise bleiben alle bis auf Stuttgart hier bei Zubauwerten von bis zu 5 MWp pro Jahr.
Bei mittelgroßen Landkreisen mit rund 1.000 Quadratkilometern Kreisfläche ergeben sich:
Landkreis Karlsruhe: 30 MWp
Rhein-Neckar-Kreis: 30 MWp
Schwarzwald-Baar: 29 MWp
Landkreis Reutlingen: 29 MWp
Bei den größten vier Landkreisen ergeben sich als jährlichen Ausbau:
Kreis Schwäbisch-Hall: 42 MWp
Ostalbkreis: 42 MWp
Landkreis Ravensburg: 46 MWp
Ortenaukreis: 52 MWp
Mit einem kreisweiten jährlichen Zubau in dieser Höhe können bis 2030 die 16 Gigawatt Gesamt-Photovoltaik-Leistung in Baden-Württemberg erreicht werden.
Und in Ihrem Stadt- oder Landkreis? In der folgenden Karte erscheint der notwendige Zubau, sobald Sie Ihren Mauszeiger über Ihren Kreis bewegen:
Bitte mit den aktuellen Werten vergleichen!
Alle Mitarbeiter von regionalen Klimaschutzagenturen, Kreisräte und Kommunalpolitiker seien hiermit aufgefordert, diese Werte einmal den aktuellen Zubauwerten von 2018 und 2019 gegenüberzustellen. Dabei wird in den meisten Fällen deutlich, welch großer Schritt hier erfolgen muss. Exemplarisch seien herausgegriffen (Zubau 2019 nach [1], jeweils in Klammern der notwendige Zubau, um 1.000 MW pro Jahr landesweit zu erreichen):
Landkreis Tübingen Zubau 2019: 5,9 MWp (notwendig: 15 MWp)
Landkreis Böblingen Zubau 2019: 8,2 MWp (notwendig: 17 MWp)
Landkreis Biberach Zubau 2019: 15,5 MWp (notwendig: 40 MWp)
Und: wie stellen sich die Kreisverwaltungen zu diesen Zahlen? Über diesbezügliche Rückmeldung freut sich der Autor.
Vergleich mit anderen Zielen
Und noch ein weiterer Vergleich sei gestattet: Ein Ausbau von 1.000 MW pro Jahr in Baden-Württemberg würde (wieder gemäß Fläche) auf die Bundesrepublik hochgerechnet einen bundeswerten Zubau in Höhe von 10 GW pro Jahr bedeuten, denn die Landesfläche im Südwesten entspricht ziemlich genau 10 % der Fläche Deutschlands, welche rund 358.000 Quadratkilometer beträgt.
Der von der Plattform Erneuerbare Energien geforderte Zubau ist doppelt so hoch wie ihn die EEG-Novelle derzeit vorsieht (ca. 5 GW pro Jahr), aber noch deutlich unter den Forderungen von Prof. Quaschning von der HTW Berlin (16 GW pro Jahr) und der aktuellen Fridays-for-Future-Studie des Wuppertal-Instituts (25-30 GW für PV und Wind zusammen) [4].
Wichtig ist nun aber, sich nicht über die unterschiedlichen Zielwerte und Methoden der verschiedenen Studien zu streiten, sondern die Ärmel in Kommunen, Kreisen und Regionalverbänden hochzukrempeln und schnell einen deutlich höheren Ausbau der Photovoltaik zu bewirken, in Baden-Württemberg, aber nicht nur dort.
[1] Quelle: Photovoltaik-Liga des PV-Netzwerk Baden-Württemberg, www.photovoltaik-bw.de
[2] Quelle: Wikipedia.de
[3] Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, neuste verfügbare Daten zu Aufteilung der Bevölkerung in Stadt- und Landkreise, www.statistik-bw.de
[4] siehe https://www.dgs.de/index.php?id=4368&type=0