30.09.2022
Ich war dabei
Ein Erlebniskommentarbericht von Heinz Wraneschitz
„Preisschock bei Strom und Gas - Wie kommen wir durch den Winter?“ So war die live übertragene Bürgersendung „Jetzt red i“ des Bayerischen Rundfunks an diesem Mittwoch betitelt. Und weil ich als Bürger hatte eine Karte ergattern können, saß und stand ich halb an besagtem Abend im Fernsehstudio Franken des BR in Nürnberg. Ganz in der Nähe der zwei Protagonisten, Hubert Aiwanger, Bayerischer Wirtschafts- und Energieminister (Freie Wähler) und Florian von Brunn, Vorsitzender der BayernSPD.
Und ich war gespannt, Antworten auf die Fragenkomplexe zu hören, welche im Vorfeld bekannt waren: Was muss die Politik tun, damit Energie bezahlbar bleibt? Wie können Bürgerinnen und Bürger effektiv entlastet werden? Wie gefährlich ist der Preisschock für die Wirtschaft? Was passiert, wenn man die hohen Strom- und Gasrechnungen nicht mehr zahlen kann? Der so genannte Einspieler ganz zu Beginn über die Probleme bei der Alternativbrauerei Schanzenbräu Nürnberg machte Hoffnung, es werde konkrete Ideen zum Umgang mit der faktischen Energiekrise geben.
Doch was darauf folgte, waren vor allem Schuldzuweisungen von Hubert Aiwanger an die Bundesregierung: Die sei verantwortlich für all das, was Bürger:innen wie Wirtschaft ganz aktuell erleben, vor allem also, dass ihnen die Elektrizitäts- und Heizkosten über den Kopf wachsen. Selbst als Florian von Brunn wiederholt darauf hinwies, das Ganze sei „ausgelöst vom russischen Krieg gegen die Ukraine“: Aiwanger blieb bei seiner „Berlin ist verantwortlich“-Position (siehe auch Beitrag Wir brauchen Deeskalation, oder „Immer die gleichen Verdächtigen“ in diesen News). Wobei natürlich auch von Brunns Aussage nicht ganz stimmt: Die Gaspreise – und wegen deren Börsen-Auswirkungen auch die Strompreise – stiegen spätestens im Juli 2021 drastisch an, ein Dreivierteljahr vor Putins Ukraine-Überfall.
Jetzt sollte es normalerweise in Krisenzeiten so sein, dass alle (Politiker:innen wie Normal- oder Geschäftsmenschen) an einem Strang ziehen, um den Karren nicht weiter in den Dreck gleiten zu lassen. Doch in Bayern ist Wahlkampf. Und der zieht sich, wie offenbar inzwischen weit verbreitet, schon über die ganze Fünfjahres-Legislaturperiode. Also forderte Aiwanger (als wäre er wirklich der Nachplapperer seines Herrn und Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), wie ihm von vielen Seiten unterstellt wird), alles was an Stromkräften möglich sei zu mobilisieren: Von der dreckigen Kohle bis zur gefährlichen Atomkraft. Und noch dazu ein 100 Milliarden-Hilfsprogramm. Wofür auch immer.
Da eine Stunde lang still zu halten war schwer für mich. Eigentlich hätte ich auch etwas Konstruktives beitragen können – ein wenig mehr als Aiwanger oder von Brunn glaube ich über die Energieversorgung in allen möglichen Facetten zu wissen.
Doch weil fast alle der 100 Gäste etwas beitragen wollten, kam ich nicht zum Zuge. Es war für mich nur auszuhalten, weil ein aktiver Befürworter der Dezentralen Energieversorgung und einstiger Mitstreiter von Aiwangers Freien Wählern dem Minister klar gemacht hat: Genau er hatte vier Jahre Zeit, um das Wahlkampfversprechen „Weg mit 10H“ bei Windkraft einzulösen und nicht die Bürokratie für die Erneuerbaren noch weiter zu verstärken, wie jetzt bei den so genannten „Ausnahmetatbeständen für 10H“.
Am Ende bei mir viel Frust, weil nicht konstruktiv an einer gemeinsamen Lösung gearbeitet wurde. Stattdessen bleib wegen der gegenseitigen Wahlkampf-Schuldzuweisungen die Frage „Wie kommen wir durch den Winter?“ unbeantwortet.