29.11.2024
Solar und Grün ergänzt sich gut
Ein Kursbericht von Heinz Wraneschitz
„Die Vorteile von Gründächern und die Potentiale durch PV-Dachanlagen liegen auf der Hand: Ökologie und Ökonomie finden eine gelungene Synthese. Neben den ökologischen Aspekten eines Gründaches erhöht die Kühlungswirkung eines Gründaches auch noch die sommerliche Effizienz der darüber montierten PV-Anlage.“ Die Ausschreibung des Webinars „Solargründächer: Photovoltaik-Dachanlagen und Gründächer in der Praxis“ der Hamburger Energielotsen hat mich sofort angesprochen. Zumal ich außerdem mal herausbekommen wollte: Was ist eine Online—Fachveranstaltung wert, die zwar kostenfrei ist, aber dennoch als „Fortbildung wird für die Verlängerung der Eintragung in der Energieeffizienz-Expertenliste mit zwei Unterrichtseinheiten“ anerkannt wird, ob für Wohngebäude, Nichtwohngebäude oder bei der BAFA? Die Antwort gleich zu Beginn: Sie war sehr wertig!
Warum ausgerechnet die Hamburger Energielotsen ein solche Weiterbildung anbieten hat gute Gründe. Denn bald ist in der Hansestadt „die kombinierte Nutzung von Dächern für Photovoltaik-Anlagen und Begrünung als Solargründach Pflicht“. Zwar nicht für alle Häuser, aber solche mit Flachdächern bis zu 10 Grad Neigung, welche ab 2027 als Neubau entstehen, oder wo Dacherneuerungen durchgeführt werden. ist kein Wunder. Das schreibt das Hamburgische Klimaschutzgesetz vor, kurz HmbKliSchG. Die dortige Landesregierung möchte durch dieses Gesetz „das übergeordnete Ziel Klimaneutralität für ganz Hamburg“ erreichen.
Was genau zum Solargründach im Hamburgischen Klimaschutzgesetz steht, erläuterte denn auch Hanna Bornholdt von der dafür zuständigen Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA). „Der Konkurrenzgedanke um die Dachfläche wird überwunden“, gab sie sich überzeugt, also weg vom „Entweder Oder“, hin zum „Sowohl als auch“. Denn einerseits steige der für Klimatisierung notwendige Strombedarf bei immer höheren Temperaturen. „Ist das Gebäude grün, kann das die Temperatur senken“, stellte sie mit Messwerten dar genauso wie den auf Gründächern steigenden Solarertrag. Doch damit Solargründächer funktionieren „müssen die Planungsprozesse umgestellt werden“. Wie, dazu verwies sie auf Webangebote der Hansestadt, aber auch auf Exkursionen wie die „Hamburger Dachtage“. Doch weil Solargründächer mehr kosten, fördert die Stadt die Doppelnutzung: Gefördert werden 40 bis 60 Prozent der Herstellungskosten bis zu den Gestellen, nicht aber die Solaranlage selbst. Die im Übrigen nicht nur eine zur Strom-, sondern auch eine zur Wärmegewinnung sein kann. So könnten unter extensiver Dachbegrünung mit Totholz und Anhügelungen mehr Biodiversität und Artenvielfalt in der Stadt geschaffen werden – Beispielsweise 314 teils bedrohte Käferarten seien schon nachgewiesen worden, so Hanna Bornholdt. Dafür wirbt die Stadt mit Steckbriefen ausgeführter Anlagen, einem Leitfaden und sogar Ausschreibungstexten. Und eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung werde bald folgen, versprach sie.
Doch wie wird ein Solargründach aufgebaut?
Die Frage nach Aufbau- und Installationsvarianten beantwortete ausführlich und nachvollziehbar Felix Mollenhauer vom Bundesverband GebäudeGrün e.V., kurz BuGG. Er bestätigte die Aussagen der Behörden-Mitarbeiterin: Wenn auf Dachflächen sowohl Solaranlagen als auch Gründächer genutzt werden, brauche dieses nicht so oft saniert zu werden. Es sei Lebensraum von Tieren, schütze die Gebäudehülle, halte Regen zurück. „Ein Solar-Gründach ist Klimaschutz und Klimawandelanpassung gleichzeitig.“ Dabei habe der Substrataufbau erheblichen Einfluss auf die Artenvielfalt.
Für ein Solargründach empfahl er auflastgehaltene Unterkonstruktionen, die keinerlei Dachdurchdringungen benötigen, also zum Beispiel Platten. Bei einer Substrat Aufbauhöhe von acht bis zehn cm kommen 90 bis 120 kg/m² Last dazu, nicht zu vergessen weitere 20 bis 30 kg/m² für die PV-Anlage. Die Statik sei also vorher unbedingt zu prüfen. Besonders zu achten sei bei der Planung auch auf Dachabdichtung, Flächenlast, Wärmedämmung, den Zugang zum Dach, die Absturzsicherung. Aber auch an Blitzschutz und Brandschutz müsse gedacht werden. Dabei gab er Entwarnung: „Ein Solargründach ist als harte Bedachung zu sehen, ist also versicherungstechnisch kein Problem.“
Verschattung vermeiden
Damit auch die PV-Anlage zum (Ertrags-)Erfolg werde, müsse tunlichst die Verschattung einzelner Modul-Flächen vermieden werden, am Einfachsten durch Aufständerung von mindestens 20, besser 30 cm über der niedrigwüchsigen Vegetation. Nicht zu vergessen: Ausreichend große Reihenabstände seien wichtig, denn die Pflege müsse überall möglich sein, aber auch Strahlung und Witterung sollte zwischen die Module kommen, trug Mollenhauer vor. Für ihn ist eine Sattelaufstellung der Module ein No Go: „Dann können Sie unter den Modulen nicht mehr pflegen.“
Sein Ratschlag an Interessent:innen: Die Reihenfolge der Gewerke vorher festlegen und abstimmen. Und erst ganz zuletzt den Gründach-Fachbetrieb noch einmal aufs Dach holen, damit der sich erst dann um die Vegetation kümmert: Die anderen Gewerke könnten den Bewuchs ja zertrampeln. Wovor er aber ausdrücklich abriet: Einigermaßen neue Gründächer nachzurüsten. Denn: „Das ist sehr aufwändig.“
Ein Gründach braucht aus Sicht des BuGG-Fachmanns „zwei bis vier Mal jährlich Pflege“: Vegetation, Drainage, Fremdbewuchs, Mähen und Abtragen des Mähguts seien unumgänglich. An den Solaranlagen sollten die Leitungen überprüft werden. Dafür fielen jährliche Pflegekosten von etwa zwei bis drei Euro pro m² Dachfläche an.
„Reiner Gründachhersteller“ setzt auf solare Kombinationen
Einen „Blick aus der Praxis auf eine Kombination mit Mehrwert“ ließ Dieter Schenk zu. Denn die von ihm vertretene Zinco Deutschland GmbH ist „ein reiner Gründachhersteller. Unsere Welt sind die Grünen Dächer“ – und wie er mit einer Seminarfolie aus dem Jahr 2003 bewies, auch deren Kombination mit Solar. „Das war damals innovativ, heute ist es das Normal“, hob er heraus.
Doch die Solaranlage „bitte nicht ohne Sinn und Verstand auf bestehende Dachbegrünung legen!“ Denn einerseits: „Pflanzen brauchen Wasser und Luft, beides muss ich ihnen zur Verfügung stellen. Und Wartung muss möglich sein, die Realität ist leider eine andere...“ Und andererseits: „Die Statik eines Gebäudes ist Mathematik, die passt oder passt nicht für ein Solargründach. Wenn keine Reserve da ist, bauen Sie bitte nichts drauf! Doch oft sind Gebäude mit Flachdach zur Aufstockung geplant.“ Sei dieser Plan nicht mehr aktuell, dann reiche die Statik sicher aus für eine Ergänzung um Grün und Energieerzeugung.
Dass die von der Firma angebotenen Unterkonstruktionen viele Montagemöglichkeiten zulassen, bewiesen die zahlreichen ausgeführten Beispiele. Wichtig aus Sicht des Referenten: Die Absturzsicherung, wenn das Gründach nicht ohnehin als Dachgarten geplant ist. Ab zwei Meter Fallhöhe sei eine solche Sicherung Pflicht, und natürlich persönliche Schutzausrüstung für die Menschen, die das Solargründach pflegen und warten, hob Dieter Schenk heraus. Vielleicht wird diese Pflicht bald auch breiter bekannt durch eine „Norm, die endlich erarbeitet wird für Unterkonstruktionen fürs Flachdach“. In den entsprechenden Planungshilfen für Solar-Gründächer seien solche Hinweise aber schon vorhanden.
„Gründach und Solar ist zur Selbstverständlichkeit geworden“, endete Schenk, ohne zu vergessen, die gerade in den Alpenstaaten Österreich und Schweiz schon weit verbreitete senkrechte Anordnung der – dann bifacialen – Solarmodule hinzuweisen.
Auf genau solch vertikale Photovoltaik-Dachanlagen auf Gründächern hat sich die Berliner Solyco Solar AG spezialisiert. Jörg Völker, nach eigenem Bekunden gelernter Dachdecker, stellte besonders die Möglichkeit des nachträglichen Einbaus dieser Systeme heraus. Denn „senkrecht montierte Module entwickeln keine Sogkraft. Deshalb ist weniger Ballastierung nötig.“ Das vormontierte Alu-Schienensystem mit den firmeneigenen Solarmodulen bringe es gerade mal auf ein „Gesamtgewicht von unter 12 kg pro Quadratmeter. Deshalb kann man sich bei senkrechten Systemen man das Schaufeln des Substrats sparen.“ Das sei wegen der Dachstatik-Überlastung durch nachträglich flach montierte Solarsysteme oft unumgänglich.
Ertrag höher als gedacht
Völker räumte zudem auf mit „Mythen und Märchen über vertikale Anlagen. Die Skalierung der Ertragsberechnung stimmt bei bifacialen Systemen nicht mehr“, merkte er mit Blick auf die zum Beispiel im altbekannten RWE-Bauhandbuch aufgeführten Mindererträge bei senkrechter Aufständerung an. Gerade mal gut zehn Prozent niedriger als bei einer Anlage mit Südausrichtung und 30 Grad Anstellwinkel aufgeständerten Normal-PV-Gründachanlage liege der Jahresertrag einer senkrecht montierten mit Bifacial-Zellen, erläuterte er aufgrund von Erfahrungswerten.
Wie auch Zinco-Mann Schenk erwähnte Jörg Völker: „In Österreich und der Schweiz ist die Akzeptanz von vertikalen Anlagen wesentlich höher.“ Und dafür hatte er eine mögliche Begründung parat: „Vielleicht wegen des vielen Schnees, der sich nicht auf den senkrechten Modulen ansammeln kann?“
Einen Punkt hoben aber alle vier Referent:innen mehrfach heraus: Die extensive Dachbegrünung müsse mit niedrig wachsenden Pflanzen ausgeführt werden. Und die Unterkante der Module, ob flach oder senkrecht montiert, müsse zur grünen Dachbedeckung mindestens 20, wenn möglich sogar 30 cm betragen.