29.10.2021
Professor Joosten und das trockene Moor
Eine Geschichte über eine unnötige CO2-Schleuder von Heinz Wraneschitz
Moor und Landwirtschaft – was haben diese beiden Dinge miteinander zu tun? Bisher jedenfalls für mich: Sehr wenig. Denn bis jetzt dachte ich immer, wenn ich das Wort „Moor“ hörte, an Schlammpackungen in Bad Steben. Im idyllischen Kurort im Frankenwald wurde das Moor früher sogar direkt aus dem Boden gegraben; und heute noch werden die gesundheitsfördernden Wirkungen von Moor dort nicht nur gepriesen, sondern in Wärmebehandlungen genutzt. Und natürlich denke ich an Mike Krüger. Denn der altbekannte Blödelbarde aus dem Norden hat das Mensch und Tier verschlingende Bodenmaterial in den ach so wunderschönen Song „Mike das Messer“ eingebaut:
Ich kam nach Quickborn – Heide
früh morgens um halb acht,
die Kühe auf der Weide
die ha'm sich totgelacht.
Nur weil mein Pferd Stiefel trug
und ich 'nen Sonnenschirm,
doch will man durch's Moor,
muss man sich konzentrier'n.
Doch Mensch, Tier und Maschinen verschlingen kann Moor nur, wenn es feucht ist. Ich war selbst dabei, als ein auf einer Moorfläche angebauter Energiewald mit schwerem Gerät geerntet werden sollte. Eigentlich geht das nur, wenn der Boden gefroren ist. Doch weil man unbedingt der Presse beweisen wollte, wie toll die verfügbaren Erntemaschinen funktionieren, ignorierte man den nicht gefrorenen Boden. Und so zog der umgebaute Maisernter tiefe Furchen in das Moor, blieb beinah stecken. Und wegen des falschen Anstellwinkels der Sägeblätter wurde ziemlich viel Qualm erzeugt (Foto oben).
Aber leider gibt es inzwischen immer weniger Moorflächen, die feucht sind. Das bedauert zum Beispiel der Naturschutzbund Nabu. „Moorschutz ist Klimaschutz“ heißt es von Verbandsseite. Und dabei erfahren ganz Unbedarfte auch, dass viele von uns heute noch Moor zuhause im Garten nutzen. Doch dort ist es nicht schlickig, sondern ziemlich trocken und heißt völlig anders: Torf nämlich. Der wird aber heute weniger in Deutschland abgebaut als in Ländern Nordosteuropas. „Die Moore im Baltikum werden durch den Torfabbau immer weiter zerstört – mit gravierenden Auswirkungen auf den Klimawandel“, erklärt Tom Kirschey, der Nabu-Teamleiter Internationaler Moorschutz.
Dass in Deutschland kaum noch Feuchtmoore existieren, hat aber weniger mit dem Torfabbau zu tun, sondern mit der Tatsache, dass diese an vielen Orten trockengelegt worden sind. Denn das so entstehende Trockenmoor ist hervorragend als landwirtschaftlicher Boden nutzbar. Dass Pumpen ständig laufen müssen, damit das Wasser nicht wieder ansteigt, verursacht wegen des Energieverbrauchs ein zusätzliches Klimaminus.
Einer, der sich seit Jahrzehnten heftigst gegen diese landwirtschaftliche Un-Praxis engagiert, ist Professor Hans Joosten. Der Niederländer, der an der Uni Greifswald „Moorkunde und Paläoökologie“ lehrt, ist einer der profundesten Kenner der Materie – aber eben auch nur einer von recht wenigen. Doch vielleicht ändert sich das bald, und sein Forschungsgebiet erhält Zulauf auch an anderen Hochschulen. Denn Joosten hat am 10. Oktober dieses Jahres aus den Händen des Bundespräsidenten den Deutschen Umweltpreis erhalten. Und das dürfte dem Thema „Moorwiedervernässung“ einigen Auftrieb verschaffen.
Das wäre auch notwendig, sagt Joosten. Denn „ein Hektar entwässertes Grünland emittiert so viel CO2 wie bei 145.000 km Fahrt Autoabgase entstehen“, bringt er einen noch nicht ganz so leicht verständlichen Vergleich. Doch er kann auch drastischer: „In einem kg Käse von Milchkühen auf Trockenmoorweiden stecken 50kg CO2-Ausstoß. Und ein Liter von deren Milch verursacht mehr CO2 in der Atmosphäre als zwei Liter Benzin.“
Insgesamt, das hat auch die UN festgestellt, sind die weltweit trockengelegten Moore für vier Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Das ließe sich ganz einfach ändern – indem die Entwässerungspumpen gestoppt werden. Doch die europäische Agrarpolitik bewirkt das Gegenteil: Besonders in Norddeutschland waren jede Menge heutiger landwirtschaftlicher Nutzflächen früher Feuchtmoorgebiete. „Die deutsche Moorlandwirtschaft verursacht 8,5 Mrd. Euro Schaden. Dafür bekommen die Landwirte aber sogar 400 Mio. Euro Subventionen“, hat Joosten errechnet. Und er stellt klar: „Die 8,5 Mrd. Euro Schaden sind genauso so viel wie die gesamte Wertschöpfung der deutschen Landwirtschaft.“
Dabei müsste Wiedervernässung eigentlich für die Bauern kein Schaden sein: „Wir können ja nicht alles aus der Produktion nehmen. Die Lösung ist Paludikultur“ sagt Prof Joosten. Und ergänzt, weil die Zuhörer eines Medienseminars in Nonnweiler/Saarland irritiert aufschauen: „Der Begriff steht für NASSE Land- und Forstwirtschaft. Schilf für Baumaterialien, Erle – Holz und Moor, Wasserbüffel – für Fleisch und Mozzarella“ nennt er als mögliche Bewirtschaftungsformen. „Moor muss nass - und zwar sofort“ lautet die Forderung seiner Arbeitsgruppe. Zurzeit sei der Schilfanbau, um nachwachsende Dämmstoffe und Leichtgewichts-Baumaterial zu gewinnen, noch nicht einmal als Landwirtschaft anerkannt, erwähnt Hans Joosten. Und er kann sicher sein, die in Nonnweiler anwesenden Journalist*innen damit zu überraschen.
Doch ob die neue Bundesregierung sich zu dazu notwendigen Schritten wie „Änderung von Gesetzgebung und Subventionen: Die stammen aus der Vergangenheit“ durchringen kann? Bereits die gerade abgewählte GroKo hatte Moorschutz im Regierungsprogramm stehen. Doch selbst am Ende der Legislatur stritten sich Umwelt- und Landwirtschaftsministerin immer noch. Weshalb die so genannte „Nationale Moorschutzstrategie“ alleine vom Umweltministerium veröffentlicht worden ist.
Es bleibe viel zu tun, „den ganzen Wasserhaushalt im Zuge des Klimawandels neu zu planen“, erklärt Hans Joosten abschließend. Und er hofft, dass dabei der Moorschutz eine zentrale Rolle spielt. Aber vielleicht braucht es dazu erst Ufos über Torfmoorholm.
Wir bleiben dran.