29.10.2021
Klimaschutz – geht auch mal in die falsche Richtung
Eine Betrachtung von Jörg Sutter
Die Namen sind wohlklingend, sie heißen Emobia, Emovy oder Smartificate: Anbieter, die aktuell um die Gunst von E-Autobesitzern buhlen und ihnen finanzielle Gewinne verheißen, nur indem das vorhandene E-Auto bei ihnen registriert wird. Ein Hokuspokus? Nein, leider eine etwas schräge Konsequenz aus den Klimaschutzbemühungen im Verkehrsbereich. Aber dazu weiter unten im Text, zuerst betrachten wir uns den Hintergrund dazu.
Klimaschutz im Verkehrssektor
Dass die Klimaschutzbestrebungen in den vergangenen Jahren nicht vorangekommen sind, ist eine Meldung nicht wert. Fahrleistungen sind nicht gesunken, der Durchschnittsdurst eines PKW auch nicht und ein generelles Tempolimit auf Autobahnen, um auf einen Schlag pro Jahr 1,9 Mio. Tonnen CO2 einzusparen (bei Tempo 130) und nebenbei die Verkehrssicherheit zu erhöhen, ist nach wie vor auch aktuell politisch nicht mehrheitsfähig. Gerade einmal 7,3 Prozent betrug 2020 der Anteil der erneuerbaren Energien im Verkehrsbereich, so das Umweltbundesamt in einer Veröffentlichung beschrieben hat. Und dabei ist der erneuerbare Strom für den Bahnverkehr und die Elektroautos schon enthalten. Wie Bild 2 zeigt, hat sich an dem Anteil im zehn Jahren zwischen 2009 und 2019 praktisch nichts verbessert. Sichtbar ist aber: In 2020 gab es einen leichten Sprung bei der Nutzung des Biodiesel. Welche Ursache hat dieser Sprung?
Die Treibhausgasminderungsquote
Das Bundesimmissionsschutzgesetz (BimSchG) legt in Paragraf 37 a fest, dass Unternehmen, die bei uns Otto- oder Dieselkraftstoff verkaufen, einen steigenden Anteil an Biokraftstoffen anzubieten haben, damit konkret die Treibhausgasemissionen im Verkehr gesenkt werden. Konkret wurde im Gesetz festgelegt, dass diese CO2-Senkungen 3,5 Prozent (ab 2015), 4 Prozent (ab 2017) und 6 Prozent (ab 2020) betragen müssen. Diese gesetzliche Regelung hat den im Bild 2 sichtbaren Sprung bei Biodiesel in 2020 verursacht. Wer den Link des Gesetzestextes anklickt und in den Text schaut, stellt fest, dass zahlreiche Ausnahmen und komplizierte Berechnungsverfahren die klaren Ziele durchaus noch verwässern.
Nun wurde über die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) der angestrebte eE-Anteil im Verkehr verschärft und damit musste national eine Überarbeitung der Treibhausgasquoten (THG-Quote) in Konsequenz umgesetzt werden. Also wurden politisch die Ärmel hochgekrempelt und im März dieses Jahres eine 36seitige Vorlage eines „Gesetzes zur Weiterentwicklung der Treibhausminderungs-Quote“ erstellt. Dies wurde noch im Mai im Parlament verabschiedet. In diesem Änderungsgesetz wurde neben einer Anhebung der THG-Quote auch die Einbeziehung von erneuerbar hergestelltem Flugtreibstoffen und Wasserstoff eingeführt. Für 2022 lautet der neue CO2-Senkungssatz 6,5 Prozent, für 2023 sind es 7 Prozent, bis 2030 sollen dann 22 Prozent erreicht werden.
Die Kraftstoffbranche hat per Gesetz mehrere Erfüllungsoptionen: Sie kann mehr reinen Biokraftstoff verkaufen, mehr Biokraftstoff (wie beim E10) dem konventionellen Kraftstoff beimischen und vieles mehr. Werden die Zielquoten nicht erreicht, werden empfindliche Strafzahlungen (ab 2022 in Höhe von 600 Euro pro Tonne CO2) fällig.
Ab 2022: THG-Quote von Elektroautos handelbar
Im kommenden Jahr können sich nun Halter von reinen Elektroautos (keine Hybride) beim Umweltbundesamt registrieren und ihre eingesparte CO2-Menge im Sinne der THG-Quote nutzen, denn auch diese Quoten können angerechnet werden. Pro Jahr und Auto werden pauschaliert die Einsparung im Umfang von 2.000 kWh dem E-Auto-Halter gutgeschrieben. Und jetzt kommen die ganz am Anfang erwähnten Akteure wie Emobia oder Smartificate ins Spiel: Sie wollen diese CO2-Gutschriften von vielen E-Autos sammeln, bündeln und dann als Paket zur Anrechnung an die Mineralölkonzerne verkaufen.
Sie versprechen, dass das ganz einfach ist, und sich dann bald der E-Auto-Fahrer über eine Auszahlung freuen kann. Je nach Anbieter schwankt auch der Betrag, grob zwischen 75 und 175 Euro liegt die aktuell angebotene Spanne. Details zu den Regelungen verraten die Anbieter auf ihren Internetseiten ohne vorherige Anmeldung nicht.
Macht das alles Sinn?
Nachvollziehbar ist das ja alles und es klingt ja auch einfach in der Umsetzung. Aber lehnen wir uns mal zurück, atmen durch und denken kurz darüber nach, was das von eigentlich bedeutet: Ein Bürger legt sich ein Elektroauto zu, wir unterstellen einmal, um seine Mobilität ökologischer auszurichten. Danach verkauft er seine persönliche CO2-Einsparung, damit ein Mineralölkonzern weiter seine konventionellen Kraftstoffe verkaufen kann und sich mittels der Anrechnung von CO2-Mengen ein grünes Mäntelchen umlegt, was seine Umweltfreundlichkeit auf dem Papier steigert. Und das wird im Hintergrund in die THG-Quote eingerechnet, so dass die Konzerne dann offiziell ihre Treibhausquote erfüllen, ohne das physikalisch in der Praxis tatsächlich zu tun. Und das Ganze wird dann von einem Gesetzgeber noch so gestaltet, dass drei Seiten (Mineralölkonzerne, E-Autofahrer und Dienstleister) davon auch noch alle finanziell profitieren können.
Nein! Das ist ein Klimaschutz, der wirklich in die falsche Richtung läuft.