29.09.2017
Die EVU und ihre Kunden: Auf zwei Planeten
Zwei Studien („Die Zukunft der Energie: Folgen Geschäftsmodelle der Energieversorger dem Kundenwunsch?“; Axxcon / „Kundenanforderungen an das Stadtwerk der Zukunft“; BearingPoint) machen es deutlich: Energieversorger (EVU) und ihre Kunden leben in zwei Parallelwelten. So wünschen sich viele Kunden, ihr EVU würde ihnen helfen, selbst Ökoenergie zu gewinnen; dazu sind aber bislang nur wenige Versorger bereit.
Mehr als zwei Drittel der Unternehmen gehen „davon aus, die Anforderung des serviceorientiertem Unternehmens voll und ganz zu erfüllen. Als serviceorientiert sieht jedoch nur etwa jeder dritte Kunde seinen Energieversorger.“ So beschreibt Axxcon den krassen Gegensatz der „Gefühle“ beider Seiten.
Auf jeden Fall vertrauen Durchschnitts-Strom- oder Gasverbraucher den Versorgern mehr als Vertretern anderer Branchen. Zumindest, wenn es um die Weitergabe ihrer Daten geht. Zwei von drei Kunden würden den EVU ihre Verbrauchsdaten verraten, um Energiekosten zu sparen, hat BearingPoint bei 1.006 von ihnen repräsentativ herausgefunden. Dagegen gibt es auf Verbraucherseite massive Bedenken, Energie-Daten an Google und Co, Onlinehändler oder Supermärkte weiterzugeben. Die aber bauen sich immer mehr als Konkurrenten der EVU auf, zum Beispiel beim Verkauf von Strom oder Gas. Die EVU bekommen laut BearingPoint zudem Konkurrenz von „Google, Tesla und Apple, die (ebenfalls) verstärkt versuchen mit innovativen Angeboten in den Energiemarkt einzudringen“.
Quer durch die Altersschichten je zu einem Drittel „wichtig, teilsteils, unwichtig“ sind den Kunden „Energienahe Dienstleistungen“. Darunter verstehen die Studienmacher vor allem Energieeffizienz, Energieanlagen, Smart Metering, E-Mobilität (in dieser Reihenfolge). Das Erbringen dieser Dienstleistungen wird v.a. den „Größeren“ eher zugetraut, schreibt BearingPoint.
Energieeffizienz haben die meisten EVU ohnehin bereits im Angebot. Anders ist es mit „Alternativer Energieversorgung“, also Ökokraftwerken. Denn hier schätzen EVUs laut Axxcon „das Interesse ihrer Stromkunden an einer Energiegemeinschaft relativ gering ein. Etwa zwei Drittel vermuten, dass der Anteil dieser Kunden bei nicht mehr als 25 Prozent liegt.“ Doch sei das Gegenteil der Fall: „60 Prozent der Stromkunden stehen der Idee >Gründung einer Energiegemeinschaft< durchaus aufgeschlossen gegenüber“, wollen also Strom- oder Gasprodukte selbst erzeugen, und zwar möglichst in dezentralen Gemeinschaftsanlagen.
Solche Energiegemeinschaften plant nach eigenem Bekunden zwar bereits jedes zweite EVU. Doch das ist meist Zukunftsmusik. Hierfür sind vor allem die größeren unter ihnen sogar bereit, mit Firmen aus anderen Bereichen zu kooperieren, hat Axxcon von 100 Energiemanagern erfahren. Als Grund für diese mögliche Zusammenarbeit geben über zwei Drittel der EVUs zu: Das Personal für Neues und die entsprechende Kompetenz ist bei ihnen nicht vorhanden. Das ist beiden Studien zu entnehmen. Andererseits deckt das Axxcon-Team einen krassen Widerspruch im Kundendenken auf. „Eine Stromflatrate ist für drei Viertel der deutschen Verbraucher eine interessante Alternative“, sprich: Stromfressen, ohne am Ende draufzuzahlen. Gleichzeitig hat die Firma herausgefunden: „Knapp 80 Prozent der Stromkunden legen Wert auf den ökologischen Aspekt.“ Ein Gegensatz, den uns die Studienmacher nicht erklären konnten – oder wollten.
Im BearingPoint-Papier ist zudem zu erfahren, dass „Telekommunikation/Internet und Mobilität/Elektrofahrzeuge für Kunden interessante Nebenprodukte“ seien, welche die Versorger anbieten sollten. Aber auch dafür hätten die EVU „keine Kompetenz“, glaubt weit über die Hälfte der Befragten. Was erstaunt, haben doch viele v.a. kommunale EVU solche Produktbereiche bereits erfolgreich im Angebot. „EVU wissen erstaunlich wenig über ihre Kunden“, so fasst jedenfalls das BeatingPoint-Team seine Ergebnisse zusammen.
PS: Konkrete Nachfragen gelangen uns bis Redaktionsschluss weder bei BeatingPoint in Berlin noch bei Axxcon in Bad Schwalbach. Und auch die selbstbekundete Serviceorientiertheit der EVU konnten wir nicht feststellen: Von deren Interessenvertretung VKU, dem Verband Kommunaler Unternehmen, erhielten wir bis dato keine Rückmeldung.
Links:
Studie zur Zukunft der Energie: EVU-Manager wissen nicht, was Kunden wollen
Studie: Kundenanforderungen an das Stadtwerk der Zukunft (BearingPoint)