28.10.2022
Neues von der Wärmepumpe
Ein Bericht von Götz Warnke
500.000 Wärmepumpen sollen in Deutschland ab 2024 in Gebäude eingebaut werden – jährlich! So plant es jedenfalls die Bundesregierung. Wie anspruchsvoll diese Planung ist, zeigt sich schon daran, dass im vergangenen Jahr gerade einmal 150.000 Wärmepumpen (WP) hierzulande eingebaut wurden. Immerhin: In 50,6 % der im Jahr 2021 fertiggestellten Wohngebäude wurde eine meist elektrische Wärmepumpe als primäre Heizung installiert. Und künftig soll dieses „umgekehrte Kühlschrank-Prinzip“ mit Hilfe von Strom aus Erneuerbaren Energien die Gebäudeheizung ganz unabhängig von russischem und sonstigem Gas machen.
Doch die Wärmepumpentechnik hat auch ihre Tücken. Da sind zum einen die verfügbaren Umgebungswärmequellen, bei denen es sich vielfach um gespeicherte Sonnenwärme handelt. Die besten Quellen, (Grund-)Wasser und Erdboden, stehen meist aus rechtlichen (Trinkwasserschutz), technischen (Gelände bebaut oder bepflanzt) und Kostengründen (teure Erdsondenbohrungen) gar nicht zur Verfügung. Fast überall zur Verfügung steht der schlechteste Sonnenwärmespeicher, die Außenluft, und die kann im Winter eisig kalt sein.
Um nicht zu viel Energie/Strom beim Hochpumpen der Umgebungswärme auf die Nutzwärme (Heizung) zu verschwenden, sind WP-Heizungen Niedertemperaturheizungen, die mit geringeren Vorlauftemperaturen arbeiten als die üblichen Verbrennerheizungen (Öl, Gas, Pellets). Damit eignen sie sich hervorragend für die gut gedämmte Neubauten – die weit überwiegende Zahl der o.a. 150.000 WP wurde in Neubauten installiert – , aber nicht für völlig unsanierte Altbauten, bei denen die Wärme zum schlecht schließenden Fensterrahmen hinaus gelüftet wird. Schlecht zudem, dass die Gebäudesanierungsquote in Deutschland bei nur einem Prozent liegt, dass es also bei diesem Tempo rund 100 Jahre braucht, damit der Gebäudebestand energetisch saniert ist.
Dazu kommen derzeit Lieferschwierigkeiten der Wärmepumpen-Hersteller und die mangelnde Erfahrung mit dieser Technik bei vielen Petrolheads der Heizungsbranche. War es das also mit der Wärmepumpen-Offensive?
Nein, keineswegs. Anfang diesen Monats veranstaltete der DGS-Landesverband Berlin-Brandenburg eine vierstündige Online-Veranstaltung „Wärmepumpen im Bestand von Ein- und Zweifamilienhäusern“. Dort berichtete u.a. Dr. Marek Miara vom Fraunhofer Institut ISE über die Forschungen seiner rund 300 Mitarbeiter:innen starken Abteilung. Das überraschende Ergebnis von mehr als einem Jahrzehnt Forschungsarbeit und mehreren Dutzend Einzelfallstudien: Luft-Wasser-Wärmepumpen erzielen heute im Bestand eine durchschnittliche Jahresarbeitszahl (JAZ) von 3,1, Sole-Wasser-Wärmepumpen sogar von 4,1; d.h. mit einer Kilowattstunde (kWh) Strom werden durchschnittlich 3,1 bzw. 4,1 kWh Wärme erzeugt. Selbst ein großes, kompakt gebautes Haus von 1937, bei dem nur die Fenster und die Heizkörper saniert waren, kam mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe immerhin auf eine JAZ von 3,0. Ja, Wärmepumpen funktionieren sogar gut zusammen mit Heizkörpern (s.u.). Selbst das Gerücht, im kalten Winter müssten bei Wärmepumpenheizungen eh nur die zusätzlichen Heizstäbe die ganze Arbeit machen, konnte Miara widerlegen: Bei den 117 Luft-Wasser-Wärmepumpen gingen 2,8% des Stromverbrauchs direkt in den Heizstab, bei den Sole-Wasser-Wärmepumpen sogar nur 1,2%! Selbst in den ersten zwei Wochen im Februar 2021 mit einer durchschnittlichen Außentemperatur von -3,6°C nutzten von 17 Bestandsgebäuden mit Luft-Wasser-Wärmepumpen gerade 5 Gebäude den Heizstab; die durchschnittliche Effizienz der Wärmepumpen in diesem Zeitraum lag immer noch bei 2,3!
Der zweite Referent, Peter Mellwig vom ifeu - Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH, erläuterte, wie Bestandsgebäude für Niedertemperaturheizungen (Wärmepumpe, Solarthermie) ertüchtigt werden können. Das hierzu entwickelte NT-ready-Konzept geht davon aus: „Gebäude sind NT-ready, wenn ihre Heizungsvorlauftemperatur 55°C oder weniger beträgt.“ Dazu sind aber bei den meisten Bestandsgebäuden neue Wärmeüberträger/Heizkörper in den Räumen notwendig. Denn wenn die Vorlauftemperaturen gesenkt werden, müssen die Heizflächen in den Räumen für den Wärmeaustausch vergrößert werden, um die Raumtemperatur zu halten. War noch vor kurzem die Meinung verbreitet, für WP seien teuer einzubauende Flächenheizungen wie Fußboden-, Wand-, Decken- oder Dachschrägenheizungen oder zumindest Heizkörper mit Ventilatoren notwendig, so gibt es heute spezielle, größere Heizkörper. Diese haben eine größere Bautiefe (z.B. 15,5 cm statt 6,5 cm) und damit mehr Wärmeaustauschfläche, passen aber hinsichtlich Länge und Breite gut an den Platz der alten Heizkörper.
Der dritte Vortragende dieser hochinteressanten und hervorragend organisierten Online-Veranstaltung war Dr. Martin Sabel, Geschäftsführer des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP). Er verwies u.a. auf die politischen und technischen Rahmenbedingungen, die Einflussfaktoren auf die Effizienz und CO2-Bilanz von Wärmepumpen (Anteil des Stroms aus Erneuerbaren), sowie auf die umfangreichen Informationsangebote des BWP für Umstiegswillige. In der Tat finden sich auf den Seiten, neben einer Fülle von grundlegenden Informationen, im Bereich „Normen&Technik“ eine Vielzahl von Berechnungstools/Rechnern zu Heizlasten, Jahresarbeitszahlen, Heizkörpern etc.
War es das also mit der Wärmepumpenhindernissen?
Nein, keineswegs. Denn auch wenn die Wärmepumpe für Umsteiger ökologische und erhebliche finanzielle Vorteile bietet, so entstehen doch volkswirtschaftliche und energiepolitische Probleme bei einem All-Electric-Wärmesystem, weil sich der nationale Stromverbrauch dadurch erheblich erhöht. Das mag ein Beispiel verdeutlichen: Eine vierköpfige Familie in einem 150 qm-Haus verbraucht pro Jahr 3.500 kWh Haushaltsstrom und für ihr E-Auto mit 10.000 km Jahresfahrleistung (20 kWh/100 km) rund 2.000 kWh Fahrstrom. Geheizt wurde bisher mit 21.000 kWh Erdgas, eine durchaus realistische Größe. Steigt diese Familie jetzt von Gas auf eine Luft-Wasser-Wärmepumpe um, so erhöht sich bei einer angenommenen JAZ von 3,0 ihr jährlicher Stromverbrauch um 7.000 kWh, was deutlich mehr als eine Verdoppelung ihres bisherigen Stromkonsums bedeutet.
Solange die Erneuerbaren Energien (EE) massiv und zügig ausgebaut werden, sind auch Millionen neue Wärmepumpen kein unlösbares Problem. Aber es gibt auch Dunkelflauten von ca. zweimal 48 Stunden pro Jahr, wie der Deutsche Wetterdienst DWD vor einigen Jahren ermittelt hat. In solchen Fällen – und natürlich auch bei Sabotageaktionen – könnte das schon sehr belastete Stromnetz überlastet werden, und es zu einem Blackout kommen – eine Befürchtung die u.a. Prof. Dr.-Ing. Michael Günther vor wenigen Wochen in einem Flächenheizungsseminar des BDH teilte.
Was also tun? Zum einen wird zu oft die Solarthermie „vergessen“, die im Zusammenspiel mit Wärmespeichern den Wärmepumpen zu noch höheren JAZ verhelfen und somit Strom sparen könnte. Zum anderen ist es wichtig, besonders auch die 24/7-Stromerzeuger wie Wasserkraft oder heiße Geothermie auszubauen, selbst wenn es einigen Naturschützern nicht gefällt.
Damit und darüber hinaus bleibt die Energiewende weiterhin eine große Herausforderung.