28.05.2021
Eine Solarfirma mit viel warmer Luft - 25 Jahre Twin Solar von Grammer
Ein Firmenporträt von Heinz Wraneschitz
Vor gut 25 Jahren brachte die Grammer Solar GmbH ein Produkt auf den Markt, mit dem das Unternehmen bis heute weltweit ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal hat: den Twin-Solar. Ob ihre große Erfahrung auf diesem Gebiet der recht kleinen Firma aus Amberg Platz 4 unter den besten Solarfirmen im Deutschlandtest 2020 beschert hat?
Im Twin Solar erwärmt ein Sonnenkollektor die Luft; ein integrierter, solarstromgetriebener Lüfter transportiert die Wärme in Keller, Dachböden oder sonstwohin. „Von der Antarktis bis zu den Alpen“ seien diese Kollektoren im Einsatz, titelte kürzlich die Amberger Lokalzeitung. Allein an insgesamt knapp 100 Alpenvereinshütten in Deutschland, Österreich und Italien seien die Systeme montiert, und auch an der Antarktisstation Gondwana, berichtet Grammer-Solar-Geschäftsführer Siegfried Schröpf. „Das klingt toll. Aber es sind im Schnitt nur vier Quadratmeter Kollektorfläche“, relativiert er die Erfolgsmeldungen.
Die großen Umsatzbringer sind die kleinen Luftkollektoren also offensichtlich nicht. „Damit kann man die Leute nicht ernähren. Aber die Projekte sind gut für die Seele, sie machen einfach Freude.“
Wer beim Namen Grammer nicht zuerst an Solaranlagen, sondern eher an Lkw- oder Eisenbahn-Sitze denkt, hat natürlich nicht unrecht: Die Anfänge der Solaraktivitäten waren Teil des Familienunternehmens Grammer, heute eine AG, und liegen über 40 Jahre zurück. Es ging dabei zunächst um Solare Lufterwärmung, um Grünfutter zu trocknen; die Entwicklung stammte ursprünglich von einem kleinen Unternehmen aus Mittelfranken.
Erster Luftkollektor 1982
1982 entstand der erste Luftkollektor für Gebäudeanwendungen, weiterentwickelt vom inzwischen verstorbenen Ingenieur Hermann Barthel. Mit diesem Grundtyp wurden gerade in den 1980er und 1990er Jahren zahlreiche Möbelhäuser oder Schwimmhallen ausgestattet, die – was viele vergessen - ohnehin oft mit Luft beheizt werden. Sogar für Siedlungsprojekte in Berlin wurden eigens Fassadenkollektoren entwickelt. Ein spektakuläres und ebenfalls recht großes Projekt war die Ausstattung des Nürnberger Delfinariums mit einem Luftkollektor.
„Das war damals etwas Exotisches. Gut für`s Image, hat aber kein Geld abgeworfen. Der Bereich entwickelte jedoch eine gewisse Dynamik“, erinnert sich Siegfried Schröpf, der 1993 zu Grammer kam. Seine Aufgabe war deshalb: Den Solarbereich aus dem restlichen Grammer-Spektrum herauszulösen.
Das geschah nach und nach. Zunächst war die Familie Grammer noch an der neuen Firma beteiligt. Doch seit dem Jahr 2000 ist die Solar-GmbH „vollkommen unabhängig von der AG“, steht auf der Homepage.
Sprich: Schröpf und sein Kompagnon Wolfgang Dotzler übernahmen in einem Management Buy Out die ganzen Solaraktivitäten. Heute sind die Eheleute Schröpf die alleinigen Gesellschafter. Gearbeitet wird seit 2002 in der „Nullemissionsfabrik“ im Amberger Industriegebiet Nord.
Den Namen Grammer behielt das Unternehmen bis heute bei – wohl hauptsächlich der Historie wegen. „Denn er ist nicht immer förderlich“, erklärt Schröpf. Noch immer weiß nicht jeder Kunde um die Unabhängigkeit. Aber die Firmen-Geschichte hat auch etwas Gutes: „Luftkollektoren sind schon immer unsere Seele. Und es macht viel Spaß, mit der Technik missionieren zu gehen.“
Das sieht man dem Firmenchef förmlich an. Besonders wenn er über Projekte mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ oder der DENA, der Deutschen Energieagentur erzählt, irgendwo auf anderen Kontinenten. Als seine Ehefrau für ein Jahr als Lehrerin in Chile arbeitete, ging Siegfried Schröpf mit ihr nach Südamerika, leitete die Firma aus der Ferne. Und er schaffte es, auch in Chile Solarprojekte auf die Beine zu stellen. Türöffner: Luftkollektoren für eine Solare Pflanzentrocknung.
„Doch wir können mehr“, sagt er. Denn 1995 installierte Grammer Solar die erste Photovoltaik-(PV-)Anlage: Damals war fünf Kilowatt Spitzenleistung (kWp) etwas Großes. Bis heute sind darauf 6.000 PV-Anlagen gefolgt mit insgesamt 100 Megawatt Leistung. „Denn natürlich spielen wirtschaftliche Fragen eine große Rolle“, gibt Schröpf zu: PV ist heute der Haupt-Umsatzbringer, um die aktuell 35 Angestellten in Amberg zu ernähren.
Auf „2020 als das beste Jahr der Firmengeschichte, trotz Corona“ blickt er mit sichtlichem Stolz zurück. Und mit einem bangen Gefühl in die Zukunft: „Die Leute werden viel zurückhaltender.“ Doch der Unternehmer setzt darauf, „dass die Presse über Solartechnik weiterhin positiv berichtet“. Das könne die aus seiner Sicht „skandalöse EEG-Novelle“ wettmachen, die zu Jahresbeginn in Kraft getreten sei. Und er bringt die lange Firmengeschichte als Verkaufsargument ins Spiel: Die Qualität müsse stimmen, „denn wirtschaftlich ist nicht nur billig“.
Größere Luftkollektor-Anlagen kommen heute eher auf landwirtschaftlichen Betrieben zum Einsatz – zur Trocknung von Biomasse, egal ob Festholz oder Hackschnitzel. Einige Holzlager habe man damit ausgerüstet. Dort komme es ja nicht unbedingt darauf an, wann und mit welcher Temperatur die Luft eingeblasen werde, erläutert Schröpf.
Ähnlich sieht es auch bei Hütten hierzulande oder Ferienhäusern in Südeuropa aus: Egal wann und wie warm, Hauptsache die Luft wird entfeuchtet, damit kein Schimmel entsteht, wenn das Gebäude leersteht. Deshalb sind die Twin-Solar auch bei Besitzern von Wochenendhäusern sehr beliebt. „Die sind quasi über viele Jahre wartungsfrei“, erklärt der Grammer-Solar-Chef.
Alpenhütten solar belüftet
Das bestätigt Ernst Pfeifer vom Deutschen Alpenverein auch für ein größeres System: „Es fallen kaum Wartungs- und Betriebskosten an. In 20 Jahren war einmal ein Ventilatorwechsel notwendig. Und bei der sauberen Gebirgsluft war es ausreichend, alle 6-8 Jahre mal den Filter zu wechseln“, beschreibt er die Langzeit-Erfahrungen an der Klostertaler Umwelthütte am Silvretta.
„Und die Nutzer sind immer auf der Sonnenseite“, bringt Siegfried Schröpf das Firmenmotto von Grammer-Solar ganz beiläufig ins Spiel, dem augenscheinlichen Weltmarktführer bei Luftkollektoren.