28.01.2022
Photovoltaik oder Solarthermie – der ewige Streit
Ein Bericht von Götz Warnke
Ja, es gibt ihn, den Streit, auch in der DGS, und insbesondere beim Wärmesektor: Auf der einen Seite die Photovoltaiker als Vertreter eines All-Electric-Energiesystems, die alle Sektoren – auch den Wärmesektor – mit dem Strom aus Erneuerbaren Energien, d.h. hauptsächlich mit Photovoltaik (PV) und Windkraft versorgen wollen. Und auf der anderen Seite die Solarthermiker, die Wärme nur mit Solarwärme bereitstellen wollen – Solarthermie (ST) first. Bisweilen kann das Ringen um den besten Weg zur Wärmewende sogar eine verhärtete und bekenntnishafte Form annehmen, so dass andere Optionen gar nicht mehr in den Blick kommen bzw. daraus verschwinden.
Betrachtet man jedoch die jeweiligen Positionen kritisch von außen, so wird deutlich, dass sich keine der Parteien ein „Gott mit uns“ auf ihre Fahnen schreiben kann.
Das All-Electric-Energiesystem
Die schlechte Nachricht hier gleich vorweg: Ein solches System wird so nicht kommen!
1. Es wird nicht im Verkehrssektor kommen: Fuß- und nicht-elektrifizierte Fahrradverkehre werden uns ebenso erhalten bleiben wie Paddel- oder Segelboote – allein schon, weil der Mensch für seinen Kreislauf eine gewisse Bewegung braucht. Darüber hinaus werden sich im Seeverkehr die Schiffsantriebe nicht überwiegend elektrifizieren lassen, da hierfür sowohl die Speicher- als auch die Erzeugungskapazitäten fehlen. Im Schiffsverkehr der Zukunft wird daher wieder die klassische, direkte Nutzung der Windkraft eine zentrale Rolle spielen.
2. Es wird nicht im Energiesektor kommen: Auch wenn es uns nicht so erscheint, weil es zu selbstverständlich ist: ein großer Teil der Energiedienstleistungen erfolgt immer noch biomechanisch, vulgo mit menschlicher Körperkraft. Das gilt insbesondere im Haushalt, aber auch in der Landwirtschaft und Industrie.
3. Es wird nicht im Wärmesektor kommen: Dies gilt nicht nur im Kleinen wie bei der direkten Nutzung der Sonnenwärme mit Wäscheleinen oder Gewächshäusern. Das gilt auch im Großen, wo in südlichen Gefilden konzentrierte Solarwärme (CSP) in speziellen Kraftwerken Strom erzeugt, oder wo sehr viel weiter nördlich große Kollektorfelder industrielle Prozesswärme bereit stellen. Es sollte doch zu denken geben, dass keiner der großen Energieerzeuger, Stadtwerke etc. ausschließlich auf strombasierte Fern- und Nahwärmenetze setzt. Es gibt zwar große „Tauchsieder“, allerdings nur als zusätzliche Option für ein Wärmenetz. Und wo man große (Seewasser-)Wärmepumpen einsetzt, kommt der Strom aus der Windkraft – oder aus dem nicht fossil-freien Stromnetz.
Denn „All-Electric-Wärme“ hat – insbesondere im Eigenheimbereich mit PV und Luft-Wasser-Wärmepumpe, und dort im Hinblick auf einen möglichst hohen privaten Autarkiegrad – ein entscheidendes Problem: Gerade im Winterhalbjahr, wenn die Wärmepumpe am meisten leisten muss und so mehr Energie verbraucht, kann die PV am wenigsten liefern. Das führt wieder in die Abhängigkeit der Netze. Da helfen auch keine Stromspeicher. Diese werden zwar künftig deutlich kostengünstiger werden, aber bis ein über 1.000 kWh großer, saisonaler Stromspeicher für den Preis eines Kleinwagens zu haben ist, werden noch einige Jahrzehnte ins Land gehen. Und auch dann bleibt noch die Frage, wo man in Bestandsgebäuden einen entsprechend großen, trockenen und nicht zu warmen Raum für die Aufstellung findet.
Die häufig gehörte Aussage, trotz der Luft-Wärmepumpen gäbe es künftig kein Stromproblem im Winter, ist etwa so plausibel wie die Aussage der Dampfkraftwerksbetreiber, ihre Kraftwerke hätten in Hitze-Sommern kein Wasserproblem.
Zudem wird es mit der Elektrifizierung der Sektoren künftig vermehrt flexible Stromtarife geben, die sich am Strombedarf im Netz orientieren. Da ist der klassische Wärmepumpentarif dann ein Auslaufmodell, und das Heizen mit Luft-Wasser-Wärmepumpen in eiskalten Winternächten dürfte deutlich teurer werden.
Andererseits ist die PV ein wichtiger Player im künftigen Energiesystem und kann im Verbund mit anderen Techniken auch einen wichtigen Beitrag für die Wärmewende leisten – z.B. im Bereich der Wärmerückgewinnung mittels Luft-Wärmetauschern, Abluft-Wärmepumpen und Abwasser-Wärmepumpen. Überall hier sind die Dargebotstemperaturen hoch und damit auch die Jahresarbeitszahlen, die z.B. deutlich über 4 liegen. Viele Techniken in diesem Bereich lassen sich zudem im Sommer zum Kühlen verwenden – also dann, wenn die PV-Leistung hoch ist. Daneben gibt es mit Gewässern weitere Wärmequellen, in denen die Temperaturen im Gegensatz zur Außenluft nicht unter Null fallen, und wo ein Einsatz von PV plus Speicher plus Wärmepumpe – wenngleich bei einem niedrigen Autarkiegrad – sinnvoll sein kann.
Wärme nur mit Solarwärme
Auch dieser Narrativ führt in die Irre, weil es das so streng genommen nicht gibt: Die Solarthermie (ST) war und ist bei Pumpen, Reglern und Überwachung immer auf Strom angewiesen. Und auch hier existiert das Sommer-Winter-Problem, oft stärker noch als bei der PV: Wenn die ST im Sommer am meisten leistet, wird diese Leistung am wenigsten gebraucht. Für den saisonalen Gebrauch kommt die konventionelle ST nicht ohne große Kollektorflächen und große thermische Speicher aus. Bei den Kollektorflächen herrscht die Konkurrenz zu den PV-Flächen um die Dächer, und bei den großen Speichern gibt es das Raumproblem bei den Bestandsbauten – also dort, wo in einem fast fertig gebauten Deutschland die Energiewende hauptsächlich stattfinden muss.
Doch die Solarthermie hat auch Stärken: Ihr Flächenwirkungsgrad liegt bei 50% und mehr (PV: < 25%). Sie bedient den wichtigen Wärmesektor, der in Deutschland rund 50% des gesamten End-Energieverbrauchs (EEV) ausmacht. Sie tut es – Wärme zu Wärme – ohne Umwandlungsverluste. Und ihre Speicher sind zwar meist großvolumig, aber relativ günstig, und lassen sich auch an Orten einbauen, die für PV-Speicher nicht geeignet sind: im Garten oder unter einem Parkplatz.
Insofern hat jede Form der Sonnenenergie ihre bestimmten Stärken, und ein Entweder-Oder ist hier überhaupt nicht zielführend.
Denn wenn zwei sich streiten …
freut sich bekanntlich der Dritte, und das ist häufig der, welcher einer Solarisierung unseres Energiesystems am meisten im Wege steht, und dem man das daher am wenigsten gönnt: die klassischen Fossil-Energieunternehmen! Insbesondere die Mineralölwirtschaft versucht angesichts des nahenden Endes der Ölheizung derzeit verstärkt, noch möglichst vielen Hausbesitzern eine neue Ölheizung schmackhaft zu machen, und so die Menschen langfristig in ihrem Geschäftsmodell zu halten. „Für Eigentümer, deren Haus über eine alte Ölheizung verfügt, ist die Modernisierung mit einem modernen Öl-Brennwertgerät zumeist der günstigste Einstieg in die Energiewende“, lässt sich eine Mitarbeiterin vom (Mineralölwirtschafts-) Institut für Wärme und Oeltechnik (IWO, heute: „Institut für Wärme und Mobilität“) 2019 zitieren. Schließlich kann die Energiewende ja irgendwann stattfinden, wenn die Welt nichts Besseres zu tun hat, als E-Fuels für die tollen Deutschen zu produzieren.
Nicht besser sieht es bei der Gasfraktion aus, die mit Hilfe staatlicher Förderung Gasheizungen in den Markt drückt, die dann für Jahrzehnte weiter CO2 emittieren werden. Hier heißt das Potemkinsche Dorf die Umstellung auf Wasserstoff oder Biogas irgendwann einmal, so als würden diese Energieträger jemals in ausreichenden Mengen vorhanden sein. Doch selbst grüne Granden gratulieren den Umstellerinnen von Öl auf Gas, die auf einen solchen Klimaschwindel herein gefallen sind.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass für die Heizungswirtschaft bei Kombi-Heizungen („Hybridheizungen“) solche Kombinationen wie Solarthermie plus PV plus Wärmepumpe gar nicht mehr in den Blick kommen. Eher heißt es: „Solarthermie zur kostenlosen Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung ist als Ergänzung besonders für fossile Heizsysteme zu empfehlen und wird stark gefördert.“ Das kann keinem gefallen, dem die Solarisierung der Gesellschaft ein echtes Anliegen ist.
Mögliche Lösungen
Dabei gibt es durchaus sinnvolle Lösungen, Photovoltaik (PV) und Solarthermie (ST) im Wärmesektor miteinander zu verbinden. Das eine ist die PVT, bei der die PV und die ST in einer Installationseinheit integriert sind und so unter einer Oberfläche zusammenarbeiten. Eine andere Lösung ist, dass man z.B. auf Solardächern PV und ST mit eigenen Flächen von vornherein einplant; das ist zugegebener Maßen bei großen Einzelhäusern leichter als bei Doppel- oder Reihenhäusern.
Jedenfalls sollte es das Bestreben sein, mit der Kombination von Photovoltaik und Solarthermie Synergien zu erzeugen. Das kann z.B. dadurch geschehen, dass in einem System von ST plus Speicher mit PV plus Speicher sich die jeweiligen Speicher verkleinern lassen: wenn die ST im Sommer ihren Wärmespeicher füllt, und die speicherunterstützte PV das Wärmepotential mittels Wärmepumpe hebt. Denn auch für größere (und hoffentlich bald billigere) PV-Speicher lässt sich in einem Kellerraum meist noch Platz finden, während Riesenspeicher hier meist scheitern. Und der mit einer Wärmepumpe zu entleerende ST-Speicher muss nicht mehr so groß sein wie bei nur solarthermisch geheizten Gebäuden: 8 Kubikmeter dürften als Hauptspeicher in den meisten Fällen ausreichen. Ein solcher Speicher im Format 2x2x2 Meter lässt sich auch noch nachträglich im Bestand an vielen Orten unterbringen: unter Auffahrten, Carports, Parkplätzen, Terrassen.
Photovoltaik und Solarthermie können zudem gut voneinander lernen: Die in der PV seit Jahren gängige Nachführung wird jetzt auch in der ST verwendet, allerdings bisher fast nur für industrielle Prozeßwärme. Die in der ST bekannten Solarzäune werden nun auch in der PV verwendet, allerdings bisher fast nur in der Agri-PV. Insofern ist dieser Austausch insgesamt für die Solarenergie-Nutzung förderlich.
Fazit
Wenn es um die Solarisierung unseres bisherigen Energiesystems geht, kann auf keine Form der Solarenergienutzung verzichtet werden. Eine gewissen Konkurrenz zwischen den Formen mag dabei sogar hilfreich sein. Einseitigkeiten, „Ausschließeritis“ und die Umsetzung eines einzig wahren Weges aber sind dagegen kontraproduktiv und schädlich.