27.11.2020
Von Drohnen und Hyperloops
Eine Statusbeschreibung von Jörg Sutter
Als Fluggast in einer autonom fliegenden Drohne schnell vom Flughafen in die Stadt oder im Rohrpostverfahren mit Höchstgeschwindigkeit von einem Ort in den anderen - es mangelt nicht an Visionen für den Verkehr der Zukunft. Doch wie schnell kann das umgesetzt werden? Wie weit ist die Technik und welche Hemmnisse und Hürden gibt es zu überwinden?
Dazu wurde vor kurzem die zweitägige "Hypermotion" als digitale Fachveranstaltung der zukünftigen Mobilität von der Messe Frankfurt ausgerichtet. Zwei Schlaglichter daraus möchte ich im Folgenden beschreiben: Der Stand der Drohnentransporte in Deutschland und das Projekt "Virgin Hyperloop", das vom britischen Unternehmer Richard Branson im Jahr 2014 ins Leben gerufen wurde.
Wo stehen die Drohnen in Deutschland?
Ja, sie stehen hauptsächlich, wie eine virtuelle Podiumsdiskussion mit dem Titel "Drohnenboom - Die Stunde der Überflieger" ergab. Um zwei Themen wurde hauptsächlich diskutiert: Die soziale Akzeptanz und die Regulatorik der neuen Technologie.
Bei der Akzeptanz stellen sich fundamentale Fragen: Sollen für Drohnen wie schon für den konventionellen Flugverkehr feste Flugkorridore vorgegeben werden und gibt es dann protestierende Anwohner entlang dieser Strecken? Oder werden die Drohnen den Vorteil nutzen, möglichst direkt von Punkt A nach Punkt B zu fliegen? Bekommen Kommunen die Möglichkeit, bestimmte Bereiche wie z.B. Naherholungsgebiete als Sperrgebiet zu erklären? Viele Fragen, aber noch keine Antworten. Nur die technische Antwort wird vorbereitet: Entwicklerfirmen sind schon dabei, entsprechende Software zu programmieren und ganze Plattformen mit Bodenstationen, Kommunikation und Sensoren in den Drohnen selbst zu integrieren um eine Verkehrssicherheit bieten zu können, wenn eines Tages sehr viele Drohnen gleichzeitig unterwegs sein sollten. Zum Problem könnten da gerade auch die unterschiedlichen technischen Ansätze der Drohnenentwickler (siehe unten) werden: Neben den Senkrechtstartern werden auch Flügler unterwegs sein, die eine Landebahn zum Ausbremsen benötigen. Wie sollen also diese verschiedenen Techniken an einer "Drohnen-Haltestelle" gemeinsam abgefertigt werden?
Und eine Analogie zu Stromspeichern haben die Drohnen auch: Während im Stromsystem Speicher eigentlich eine dritte Säule sein sollten und derzeit wahlweise als Erzeuger oder als Verbraucher angesehen werden, passen auch Drohnen nicht in die beiden Grundmodi des Flugverkehrs (Fliegen auf Sicht und Instrumentenfliegen), eine dritte Betriebsart wäre nötig, wird aber so schnell eher nicht im internationalen Flugverkehr eingeführt. Die Regulatorik kommt also auch nur langsam voran, auch wenn die Bundesregierung seit 2018 sogar einen nationalen Drohnenbeirat an ihrer Seite hat.
Wer sind die Player?
Der "Volocopter" ist ein Fluggerät für zwei Personen, das von der gleichnamigen Firma aus dem Baden-Württembergischen Bruchsal entwickelt wird. Volocopter ist ein Pionier, fliegt schon seit 2011 und hat als erster Anbieter eine Zulassung für Personentransport mit einem Multicopter erhalten. Mitte 2019 arbeiteten rund 150 Mitarbeiter an den Fluggeräten. 2017 hob der Volocopter erstmals über die Hochhausspitzen von Dubai ab, 2019 wurde in Singapur der erste Prototyp eines "Voloport" aufgebaut, also eines Terminals, von dem solche Flüge abheben können mit Landeplatz, Wartebereich für Passagiere und vielem mehr. Mitte Oktober wurde von ADAC und Volocopter einen Testbetrieb ab 2023 zur Unterstützung der Luftrettung angekündigt. Gerade im Umkreis bis 30 km bieten die elektrischen Fluggeräte Vorteile gegenüber Notarztwagen und Helikopter, der Notarzt soll damit direkt zum Patienten geflogen werden und kann deutlich schneller vor Ort sein.
Wingcopter ist der zweite große Anbieter mit einem technisch völlig anderen Konzept. Während der Volocopter mit kreisförmig angeordneten Propellern von weitem aussieht wie ein Hubschrauber, kommt der Wingcopter eher wie ein Kleinflugzeug mit Flügeln daher. Das erklärt auch das "Wing" im Namen. Das Fluggerät kann dank schwenkbarer Propeller senkrecht starten und landen, die Flügel werden genutzt, um auch lange Distanzen energiesparend zurücklegen zu können, eine kleine Animation demonstriert das Abheben.
Wingcopter hat sich das klare Ziel gegeben, mit dem Produkt "Gutes zu tun". Derzeit fokussiert sich der Anbieter auf Lieferdrohen, die z.B. für die Verteilung von Arzneimitteln in Afrika bereits ihre Einsätze fliegen. Wingcopter hat sich klar gegen militärische Nutzungen ausgesprochen und lehnt auch die Zusammenarbeit z.B. mit der Bundeswehr offen ab. Kooperiert wird dagegen z.B. mit dem Paketdienst UPS, Wingcopter beschäftigt derzeit rund 100 Mitarbeiter.
Das amerikanische Start-Up Zipline ist mit seinen Geräten schon im Dauereinsatz - in Ruanda, wo zwischen Krankenhäusern und Laboren Blutkonserven in nur wenigen Minuten ausgetauscht werden. Auf der Bejing-Auto-Show im September zeigte der chinesische Hersteller XPeng, der auch Elektroautos produziert, seine Vision eines Zwei-Personen-Flugtaxis. Es befindet sich im Entwicklungsstadium und soll nur 5 bis 25 Meter über dem Boden fliegen. In den USA ist Amazon inzwischen mit einer Lieferdrohne am Start, die Behörden haben im September grünes Licht für eine größere Testphase gegeben. Der Logistiker arbeitet damit auf eine Schnell-Lieferung von Kleinartikeln innerhalb von 30 Minuten hin. Anfang 2019 wurde ein viersitziges Lufttaxi von Airbus mit großen politischen Tam-Tam vorgestellt. Doch der City-Airbus wird selbst vom Unternehmen selbst inzwischen als "Demonstrator" bezeichnet, klare Zukunftspläne gibt es wohl nicht.
Nahe München hat sich inzwischen das Unternehmen Lilium etabliert, das ebenfalls schon seit Jahren an einem Lufttaxi arbeitet, dieser aber gezielt für größere Distanzen optimiert und nicht für urbane Kurz-Shuttle-Flüge. Inzwischen sind dort 500 Mitarbeiter beschäftigt, das Produkt marktfähig zu machen und bis 2025 zum offiziellen Start zu bekommen. Derzeit läuft noch die Entwicklung und Optimierung der Fertigungstechnik für das Fluggerät mit 36 Einzelrotoren. Am Mittwoch dieser Woche wurde von Lilium bekanntgegeben, dass 2025 ein erstes Drehkreuz in Orlando/Florida in den USA gebaut wird.
Eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger rechnet für das Jahr 2050 mit dem weltweiten Einsatz von 160.000 Personendrohen und Lufttaxis. Als Schwerpunkt wird der Transfer von Flughäfen zur Stadtmitte und die direkte Verbindung zwischen Großstädten genannt. Eine Akzeptanz kann erreicht werden, so die Beratung, wenn zuvor eine "Gewöhnung" durch Frachtdrohnen erfolgt.
Hyperloop als Wettbewerber
Nicht im Himmel, sondern nur knapp über dem Boden treibt ein anderer Wettbewerber seine Entwicklung voran: Virgin Hyperloop entwickelt ein Transportmittel mit Personen- und Frachtkabinen, die in einer Art Rohrpost (wer kennt das noch?) von Punkt A nach Punkt B geschossen werden. Nahezu unbemerkt unter dem Presseradar hat Virgin Hyperloop in der letzten Woche erstmals eine bemannte Fahrt auf dem eigens errichteten Testgelände in Nevada erfolgreich absolviert. Derzeit noch mit "nur" 170 km/h ist das System aufgrund der unter Vakuum gesetzten Transportröhre mit Magnetschwebe-Antrieb auf Geschwindigkeiten bis 1.000 km/h ausgelegt. Als billiger und umweltfreundlicher im Vergleich zum Flugverkehr beschrieb Bruce Kemp, Vertreter von Hyperloop auf der Hypermotion-Konferenz, in seinem Vortrag die Vorteile des Röhrentransports. Nachdem das Unternehmen inzwischen zu 80 % zu DP World, einem der weltweit größten Hafenbetreiber mit Sitz in Dubai gehört, ist auch nicht verwunderlich, dass derzeit erste Studien zu möglichen Verbindungen im arabischen Raum erstellt werden und dabei auch der Frachtverkehr mit im Fokus steht. Aktuell diskutieren die Hyperloop-Verantwortlichen mit dem Verkehrsministerium Saudi-Arabien eine Verbindung von Dubai nach Abu Dhabi und Kuwait sowie quer durch Saudi-Arabien nach Mekka und zu anderen saudischen Großstädten.
Auch wenn Bruce Kemp heute seine Formulierungen auffällig im "jetzt" gewählt hat ("Die Lösung ist schon da") braucht auch Hyperloop noch Zeit. Die Praxistests laufen, bis 2025 sollen regulatorische Genehmigungen und die Studienergebnisse auf dem Tisch liegen und auch eine 10-km-Teststrecke in Virginia fertiggestellt sein. Danach erst kann der Aufbau geeigneter größerer Strecken in Angriff genommen werden.
Und der Energieverbrauch?
Sowohl für das Hyperloop-Konzept als auch für die Drohnenflüge stellt sich natürlich die Frage, wie hoch der Energieverbrauch dieser Systeme sein wird. Klar ist: Beide Transportmittel werden nicht als breites öffentliches Verkehrsmittel angeboten werden, auch mittelfristig nicht. Trotzdem muss der Energieverbrauch möglichst gering und die Vereinbarkeit mit den Klimaschutzzielen gegeben sein.
Ein Blick in Wikipedia zeigt die Größenordnungen, in denen sich die Energieverbräuche pro Personenkilometer bewegen: Beim einem vollbesetzten ICE 3 der Deutschen Bahn werden 8,4 kWh/100 km pro Person angeben, beim Flugzeug 30 kWh/100 km und Person. SpaceX gab 2013 für eine Hyperloop-Verbindung einen Wert von 4,4 kWh/ 100 km an, dabei ist aber der Energieverbrauch zum Unterhalt der Fahrstrecke nicht enthalten. Und der ist wegen des notwendigen Unterdrucks in der Röhre nicht zu vernachlässigen, ebenso wenig wie die Energieaufwendungen, die für eine neue Trassenführung (Betonfundamente, Transportröhren usw.) beim Bau aufgewendet werden müssen.
Fliegen braucht mehr als fahren - das gilt hinsichtlich des Energieverbrauchs ganz pauschal. Doch für Drohen spricht energetisch, dass diese im Vergleich zu größeren Flugzeugen sehr leicht gebaut werden und damit den Energiebedarf vermindern. Weiter reduziert er sich, wenn die Drohne mit Flügeln ausgestattet ist und damit auch ein stromsparendes Gleiten möglich wird.
Die größeren Drohnenhersteller - meist ja noch in der Entwicklungsphase ihrer Produkte - machen öffentlich keine konkreten Angaben zum Energieverbrauch ihrer Fluggeräte. Relevant wird sein, wie die Drohnen zum Einsatz kommen: Für eine längere Direktverbindung (die energiesparender als alternative Reisemittel sein könnte) oder als Shuttle-Service von Stadtmitte zum Flughafen (hier müsste zum Vergleich ja der öffentliche Nahverkehr betrachtet werden). Auch bei Volocopter wurden noch keine konkreten Angaben zum Stromverbrauch oder der Batteriekapazität gemacht. Jedoch gibt der Hersteller hier ein maximales Startgewicht von 900 kg (inklusive der beiden möglichen Passagiere) an. Das entspricht also schon dem Gewicht eines Kleinwagens, der in die Luft gebracht werden muss.
Fazit
Bis die Drohnen in Deutschland eine Art von Regelbetrieb aufnehmen können, wird noch etliche Zeit ins Land gehen. Das gleiche gilt für mögliche Hyperloop-Strecken bei uns. Doch weltweit gibt es Gebiete, die nur wenig Infrastruktur und lange Distanzen aufweisen, hier können beide Techniken wohl in näherer Zukunft zum Einsatz kommen. Auch sind einige andere Länder experimentierfreudiger und wollen die neue Technik gerne an den Start bringen, in Europa stehen derzeit noch viele Fragen der Bürokratie und Regulierung zur Klärung an. Für besondere Anwendungen wie den Medikamententransport in afrikanischen Ländern sind Drohnentransporte bereits am Laufen. Andere sinnvolle Anwendungen werden bald folgen.
Sowohl Hyperloop als auch Drohnen können selbstverständlich aufgrund der rein elektrischen Versorgung vollständig mit Grünstrom betrieben werden. Man kann davon ausgehen, dass die Betreiber das allein aus Imagegründen auch machen werden, zumindest in dieser Hinsicht wäre das Transportmittel dann grün. Man kann gespannt sein, wann es bei der weiteren Konkretisierung der Projekte genauere Informationen zum Energieverbrauch gibt.