27.11.2020
Finanzplatz Schweiz: Umfangreiche Geldflüsse für fossile Energien
Eine Indiziensammlung von Tatiana Abarzúa
Die Firma Nextra Consulting hat im Auftrag von Greenpeace Schweiz analysiert, wie umfangreich die Großbanken UBS und Credit Suisse Unternehmen aus dem Kohle-, Öl- und Gassektor finanzieren. Der 14-seitige Bericht „Klimaschädliche Geschäfte – Finanzierte CO2-Emissionen von CS und UBS 2016 bis 2019“ wurde im Mai veröffentlicht. Für den Bericht wurden Daten von 101 Unternehmen ausgewertet, die sich auf ein Transaktionsvolumen in Höhe von knapp 70 Milliarden US-Dollar beziehen (Zeitraum 2016 bis 2019) und auf der Internetpräsenz der Umweltschutzorganisation Rainforest Action Network zur Verfügung stehen („Banking on Climate Change“).
Die von den beiden Banken finanzierten fossilen Brennstoffe führen, unter der Annahme, dass alle verbrannt werden, zu Treibhausgasemissionen in Höhe von 290,1 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten (CO2e). Wie im Bericht zu lesen ist, entspricht das „dem 1,54-fachen der gesamten Emissionen, die 2016 bis 2019 durch die gesamte Bevölkerung und alle Industrien innerhalb der Schweiz verursacht wurden.“ Zudem habe die Bank Credit Suisse im Jahr 2017 Bankkredite in Höhe von über 23,6 Mrd. US-Dollar vergeben, mit denen sie „mehr als doppelt so viele Emissionen finanziert, wie innerhalb der Schweizer Grenzen verursacht wurden.“
Die Veröffentlichung von Greenpeace veranlasste die Dokumentarfilmerin Karin Bauer, die Hintergründe zu recherchieren. So beauftragte das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) die Firma Profundo, Finanzrecherchen zu den Kreditvergaben von UBS und Credit Suisse durchzuführen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass diese Großbanken seit 2016 über 270 Mio. Dollar nur für das Kohlegeschäft des Energiekonzerns RWE bereitgestellt haben. Zudem zeigt ihre Recherche, dass Credit Suisse mit rund 45 Mrd. US-Dollar seit 2016 fast doppelt so viele Kreditmittel für Öl- und Gasfirmen beschafft hat wie die UBS.
In Bauers vor Kurzem für das SRF ausgestrahlter Dokumentation beleuchtet sie wie die Spur des Geldes zu RWE ins rheinischen Revier und zu Diamondback Energy, Parsley Energy und EP Energy in Texas führt. Die Reporterin hat dazu mehrere von Umweltauswirkungen und Umsiedlungen betroffene Menschen befragt. Dabei konfrontiert sie die Interviewten mit den Ergebnissen der Finanzanalyse. Auch der Leiter der Nachhaltigkeitsabteilung der Credit Suisse, Bruno Bischoff, gewährte ein Interview.
Ergänzend seien noch ein paar Eckdaten aus der Veröffentlichung von Greenpeace Schweiz genannt. Den Umfang der getätigten Finanzierungen für fossile Energien und der vorhandenen Kohle- und Öl-Reserven veranschaulichen die Berichtsautoren mit ein paar Zahlen: bei einer angenommenen Produktion von acht Gigatonnen jährlich, würden die über 41 Mrd. Tonnen an Kohle-Reserven „für etwa 5,2 Jahre“ reichen und die 301,9 Mrd. Barrel an Öl-Reserven – bei einem Verbrauch von 100 Mio. Barrel pro Tag – für „mehr als 8 Jahre“. Zudem gehen die Analysten davon aus, dass die zwei Großbanken auch zahlreiche KMU im Bereich der fossilen Brennstoffe finanzieren, die der ihnen vorliegende Datensatz nicht erfasse. Ein weiterer Aspekt ist die Kreditvergabe für Unternehmen, die Kohle verstromen. Das zugeordnete Transaktionsvolumen beläuft sich auf 7,9 Mrd. US-Dollar. „Die Mittel decken, wenn sie voll ausgeschöpft worden sind, Kosten der Verbrennung von 40 Mio. Tonnen Kohle“, so der Bericht. Bei der Kohleproduktion konnten durchschnittliche Kosten von 56,42 US-Dollar pro Tonne und eine Emissionsintensität von 0,04018 Tonnen CO2e pro US-Dollar ermittelt werden. Für die Kohleverstromung wurden Kosten von 196,55 US-Dollar pro Tonne und ein Emissionsintensität von 0,01153 Tonnen CO2e pro US-Dollar festgestellt. Bei der Öl-Wertschöpfungskette sieht es folgendermaßen aus: Investitionskosten und Betriebskosten von 37,72 US-Dollar pro BOE (1 BOE entspricht 159 Liter Rohöl), Kosten des Pipeline-Transports von 6,25 US-Dollar pro BOE, Raffinierungskosten von 23,88 US-Dollar pro BOE. Dementsprechend belaufen sich die Gesamtkosten auf 67,85 US-Dollar pro Barrel Öläquivalent und die Emissionsintensität beträgt 0,0066 Tonnen CO2e pro US-Dollar. Für Gas wurden sowohl die Prozessschritte für herkömmliches komprimiertes Erdgas (CNG) als auch für Flüssigerdgas (LNG) entsprechend ihres Anteils am globalen Markt berücksichtigt. Es ergeben sich Kosten von 6,19 US-Dollar pro Mio. British Thermal Units (26,4 m³ Gas) und eine Emissionsintensität von 0,00958 Tonnen CO2e pro US-Dollar.
Die Umweltschutzorganisation hat ein paar Forderungen im Sinne von Lösungsvorschlägen formuliert. Demnach müssen die Unternehmen, die Kredite erhalten, „öffentlich Transparenz über die aktuelle Klimawirkung der hergestellten Produkte und der eigenen Produktion herstellen“. Weitere Aspekte sind, eine Verpflichtung zu einer Ausrichtung gemäß des 1,5-Grad-Klimaschutzziels des Übereinkommens von Paris sowie die Offenlegung, ob sie „die Anforderungen dieses 1,5°C-kompatiblen Transformationspfads“ einhalten.