27.07.2018
Zurück ins Tollhaus
Während der Endphase der US-Präsidentschaftswahlen vor zwei Jahren veröffentlichten Tom Toles und ich ein Buch über die Leugnung des Klimawandels*. Darin beschrieben wir das Klimawandel-Leugnertum als ein andauerndes, großes Problem. Auf der Website der Washington Post haben wir die Hauptleugner gar namentlich benannt. Wir wollten damit alle die bloßstellen - wir nannten sie den "Club der Leugner" - die sich immer noch bemühen, die Öffentlichkeit und die politischen Entscheidungsträger über die Realität und die Bedrohung des Klimawandels zu täuschen.
Viele unserer Kollegen fragten sich, warum wir uns überhaupt so eine Mühe machten. Das Klimaleugnertum, so die allgemeine Einschätzung, gehörte doch wohl der Vergangenheit an. Vielmehr seien die USA im Begriff, den weltweiten Übergang von fossilen Brennstoffen zu einer erneuerbaren Energiewirtschaft mit zu vollziehen. Man könne den Leugnern gerne die Niederungen des Internets, wo sie sich ohnehin schon tummeln, überlassen. Sie seien unserer Aufmerksamkeit nicht würdig. Sie lenken nur ab.
Beinahe haben wir das auch geglaubt. Schließlich hatte die Leugnung als legitimes Blockadewerkzeug für Klimaschutzmaßnahmen ausgedient und unser Buch war vielleicht gar nicht mehr nötig, um nicht zu sagen umsonst bzw. irrelevant. Wären da nicht ein paar Zehntausend Stimmen in drei Bundesstaaten gewesen, hätten die Kritiker wohl Recht gehabt.
Aber bekanntlich ist es ja wirklich passiert. Am 8. November 2016, nur wenige Monate nach Erscheinen unseres Buches, wurde - zum ersten Mal überhaupt - ein Klimaverweigerer in das höchste Amt des Landes gewählt.
Es überrascht vielleicht, dass es in der Vergangenheit ausgerechnet republikanische Präsidenten waren - einschließlich Nixon, Reagan und den beiden Präsidenten Bush - die sich den Bedrohungen durch den Klimawandel, der Klimaänderung, dem sauren Regen wie auch dem Ozonabbau annahmen. So gründete Richard Nixon die Umweltschutzbehörde EPA und Ronald Reagan unterzeichnete das Montrealer Protokoll zum Verbot der Industriechemikalie FCKW, welche die Ozonschicht zerstörte. George H. W. Bush, damals Ronald Reagans Vizepräsident, setzte ein System zum Emissionsrechtehandel in Kraft. Sein Sohn, George W. Bush, übertrug mit Christine Todd Whitman die Leitung der EPA erstmals an eine Person, die Kohlenstoffdioxid als klimawandelverursachenden Schadstoff anerkannte. Auch schrieb Ronald Reagans ehemaliger Außenminister vor ein paar Jahren einen beredten Bericht, in dem er konstatierte, dass Reagan sicher auf den Klimawandel reagiert hätte.
Trump ist deshalb ein völlig neues Phänomen, sogar unter republikanischen Präsidenten. Bekanntlich hatte er den Klimawandel als einen von Chinesen begangenen Schwindel abgetan. Auch drohte Trump damit, sich aus dem internationalen Pariser Klimaabkommen zurückzuziehen, den Clean Power Plan zu streichen und die Kraftstoffeffizienzstandards für Automobile zurückzunehmen. Er ernannte Lakaien wie Scott Pruitt, den Liebling der Koch Brüder, zum Leiter der EPA und Rex Tillerson, den ehemaligen Geschäftsführer des weltgrößten Unternehmens für fossile Brennstoffe, ExxonMobil, zu seinem Außenminister. Beide sind zwar schon wieder zurückgetreten, aber es haben sich nur die Gesichter geändert, die Anti-Umweltpolitik bleibt die gleiche.
Das alles zeigt, dass unser Buch „The Madhouse Effect (Der Tollhauseffekt)“ heute relevanter ist, als wir es uns je hätten vorstellen können. Als glühende Anhänger von Satire könnte mein Co-Autor Tom Toles und ich nicht begeisterter, als Bürger des Planeten Erde aber nicht entsetzter sein. So haben wir es auch in der neuen Taschenbuchausgabe des Buches formuliert. Diese Ausgabe enthält ein neues Kapitel, das wir dem Angriff auf die Wissenschafts- und Umweltpolitik gewidmet haben, der unter dieser Regierung stattfindet.
Unter anderem geben wir neue Einblicke in die Verschwörung Russlands und Wikileaks, mit gestohlenen E-Mails den Kurs der amerikanischen Politik zu ändern. Jetzt dachten Sie wahrscheinlich, dass von „Russiagate“ die Rede ist. Aber es geht um etwas ganz anderes. Es handelt sich um die „Climategate“-Affäre von 2009 - einem Versuch, die Klimapolitik zu hacken. Sie diente auch als Testlauf für den Hackerangriff auf die amerikanische Demokratie. Beide wurden im Übrigen, wie wir im Buch erläutern, wahrscheinlich von der gleichen Agenda, der Ausbeutung fossiler Brennstoffe, angetrieben.
Aber es geht natürlich nicht nur um Trump. Es geht auch um seine republikanischen Unterstützer im Kongress. Einige, wie der scheidende Vorsitzende des Ausschusses für Wissenschaft und Technologie, Lamar Smith haben sich aktiv für die gleiche klimapolitische Leugnertum-Agenda eingesetzt und versuchen, die Klimawissenschaft bei den großen Geldgebern zu diskreditieren, Klimawissenschaftler vorzuladen, deren Ergebnisse sie nicht mögen und Schauprozesse im Kongress durchzuführen, die das öffentliche Vertrauen in die Klimawissenschaft untergraben sollen (ich hatte die zweifelhafte Ehre, vor Smith's Ausschuss auszusagen). Andere, wie Meinungsführer Mitch McConnell und Parlamentssprecher Paul Ryan, haben mit der Trump-Administration zusammengearbeitet, um eine kombinierte Agenda aus der fortgesetzten Ausbeutung fossiler Brennstoffe und der Untätigkeit in der Klimapolitik voranzutreiben.
Haben diese Entwicklungen den vorsichtigen Optimismus gedämpft, den wir in der ursprünglichen Ausgabe von The Madhouse Effect zum Ausdruck gebracht haben? Etwas, aber nicht ganz. Auch wenn die USA ihre Führungsrolle abgegeben haben, gibt es nach wie vor erhebliche Fortschritte auf lokaler und staatlicher Ebene beim Übergang von fossilen Brennstoffen zu Erneuerbaren Energien, genug Fortschritte, um unsere Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen, mit oder ohne Trump, zu erfüllen. Die größte Bedrohung ist ein republikanischer Präsident, der mit einem republikanischen Kongress zusammenarbeitet, um alle diese Transformationen aktiv zu verhindern. Aber hierfür gibt eine Lösung: Wir schließen uns dem konservativen Washington Post-Kolumnisten George Will an, der neben anderen Konservativen die Wähler dazu drängt, die Kongressrepublikaner bei den in weniger als 100 Tagen stattfindenden Halbzeitwahlen abzuwählen. Das könnte unsere letzte Chance sein, sicherzustellen, dass die USA nicht zurückbleiben werden, während der Rest der Welt aus dem Zeitalter der fossilen Brennstoffe in die Zukunft der sauberen Energie voranschreitet.
Micheal E. Mann
Im Original: www.michaelmann.net/content/return-madhouse
Ins Deutsche übersetzt von Matthias Hüttmann und Herbert Eppel
* The Madhouse Effect: How Climate Change Denial Is Threatening Our Planet, Destroying Our Politics, and Driving Us Crazy
Der Tollhauseffekt: Wie die Leugnung des Klimawandels unseren Planeten bedroht, unsere Politik zerstört und uns in den Wahnsinn treibt