27.03.2020
Wir müssen auf die Tube drücken
Wenn wir in der DGS, aber auch in den befreundeten Solarorganisationen, über die Arbeit unter veränderten Bedingungen nachdenken und beraten, sollten wir folgende Punkte zur Grundlage nehmen. Die Aktivitäten der letzten zwei Jahre waren erfolgreich. Das gilt zum einen für die Solarorganisationen im Innern, die sich gefestigt haben. Sie haben fast durchweg nicht nur neue Mitglieder gewonnen, sondern auch an Einfluss. Aber auch die publizistischen Instrumente sind deutlich verbessert worden und das Absterben der kommerziellen Magazine – etwa Sonne, Wind und Wärme, Joule u.a. - konnte größtenteils aufgefangen und kompensiert werden. Diese Einschätzung mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, denn die Solarbewegung ist von der Regierungspolitik stark in die Defensive gedrängt worden. Aber wir haben frühzeitig begonnen, uns vom Glauben zu befreien, die Bundesregierung würde eine Energiewende durchführen. Da wir erkannt hatten, dass eher das Gegenteil der Fall ist, haben wir, zusammen mit anderen Solarorganisationen, eigene Forderungen entwickelt und nach außen getragen. Das ist inzwischen eine unserer Stärken.
Auf dieser Basis spielen die Solarorganisation auch eine wichtige Rolle in der Auseinandersetzung um die Klimapolitik. Vor allem die Konzentration auf die Bürgerenergie, die noch heute rund die Hälfte der Solar- und Windanlagen besitzt und betreibt, rückt in den Mittelpunkt. Als Hauptakteur bei den Erneuerbaren Energien steht sie für die Durchsetzung einer Energieversorgungsstruktur aus autonomen, lokalen oder regionalen und untereinander vernetzten „Energiezellen“. Dezentralität und demokratische Strukturen entsprechen dem Charakter der Erneuerbaren Energien und artikulieren die fällige Alternative zum konventionellen, zentralistischen Energiesystem. Darin liegt Anspruch und Herausforderung zugleich.
In dieser Nähe zur Bürgerenergie bestand der Konsens in der Vergangenheit und sollte es auch in Zukunft bleiben. Die Solarorganisationen haben inzwischen gute Beziehungen untereinander aufgebaut. Sie werden über den „Runden Tisch Solar“ koordiniert, der zu einer regelmäßigen Einrichtung geworden ist. Diese Beziehungen sollten zu weiteren Organisationen der Energiewende ausgebaut werden, vor allem aber zu den Klimaaktivisten rund um Fridays for Future und Extinction Rebellion.
Die Forderungen mit denen wir die Regierung in den letzten beiden Jahren konfrontiert haben, bleiben auch in der neuen Situation richtig und müssen in die Öffentlichkeit getragen werden. Dies sind:
- Kohleersatz durch Erneuerbare Energien, nicht durch Erdgas, folglich kein Ausbau der LNG-Infrastruktur und des Gasnetzes
- Ablösung des konventionellen zentralistischen Systems durch lokale/regionale in sich autarke und miteinander vernetzte „Energiezellen“
- Hierfür bietet die EE-Richtlinie der EU vom Dezember 2018 einen brauchbaren Rahmen. Sie muss allerdings noch bis Juni 2021 in nationales Recht umgesetzt werden, dass die maximal ermöglichten Befreiungen von den politischen und bürokratischen Hürden erreicht werden.
Konkret steht bei der Ausgestaltung der EU-Richtline im Vordergrund:
- Null Belastung des Eigenverbrauchs durch EEG-Umlage unabhängig von der Anlagengröße
- Der Mieterstrom ist nach der Richtlinie völlig anders zu organisieren ist als im gegenwärtigen Mieterstromgesetz vorgesehen
- Uneingeschränkte Autonomie für Insellösungen - siehe auch das Konzept der Rainer-Lemoine-Stiftung: „Es braucht in den neuen Versorgungszellen, also ‚hinter dem Zähler‘, einen weitgehenden Verzicht auf Förderung, Abgaben und Bürokratie. Und es muss ein Markt entstehen, der diese vernetzten Zellen miteinander verbindet“.
Wie wir alle wissen, fallen demnächst die ersten PV-Anlagen aus dem EEG heraus. Dies sind keine „alten“, sondern voll funktionsfähige Anlagen, die als Ü20 noch über viele Jahre betrieben werden können. Unsere Forderung lautet auf Unterstützung und Absicherung der Ü20 Anlagen – insbesondere durch Einbindung in lokale/regionale Zellenlösungen, die z.B. unter dem Stichwort Energy Sharing auf- und ausgebaut werden müssen. Gerade hier spielt die EU-Richtlinie eine ganz wichtige Rolle. Nach wie vor ist die Aufhebung des 52-GW-Deckels, trotz vielfacher Zusicherungen der Bundesregierung, nicht erfolgt. Hier dürfen wir nicht nachgeben. Ebenso bei der 1.000-Meter-Abstandsregel für Windräder, die verhindert werden muss. Dazu gehört, von manchen vielleicht schon vergessen, auch ein Ende der Ausschreibungsverfahren für die PV- und Windparks. Diese Punkte müssen mit den befreundeten Solarorganisationen und den Klimaschützern diskutiert und weiterentwickelt werden. Es geht um die Realisierung eines exponentiell wachsenden EE-Ausbaues. Dieser ist nötig, um die Energieerzeugung bis 2030 in allen Sektoren – auch bei Wärme und Mobilität - auf 100 Prozent umzustellen.
Klaus Oberzig