27.03.2020
Und wie läuft es mit den Speichern?
„Die Energiespeicherbranche ist ungebrochen auf Wachstumskurs“, so titulierte die Pressemeldung des Bundesverbandes Energiespeicher (BVES) vom 13. März. Hintergrund sind die anhaltend positiven Zahlen der Speicherbranche aus dem Jahr 2019. Diese Zahlen wollen wir uns genauer ansehen. Denn: Corona wird auch diesen Bereich treffen.
Ein Umsatzwachstum von rund 10 % im Jahr 2019 gegenüber 2018 konnte der Verband ebenso wie einen Jahresumsatz in Deutschland in Höhe von 5,5 Mrd. Euro vermelden. Die Branche mit 13.300 Beschäftigten produziert und betreibt thermische, mechanische, elektrochemische und chemische Energiespeicher – in diesem Jahr wurde bei der Analyse auch erstmals das Thema Wasserstoff und die Speicherung bei E-Auto-Ladesäulen aufgenommen. Größtes Segment sind noch immer die Pumpspeicher, gefolgt von Industrie- und Wärmespeichern, erst auf Platz vier folgen die Heimspeicher, die gemeinsam mit Photovoltaik-Anlagen installiert oder nachgerüstet werden.
Bei den Batteriespeichern für das Eigenheim hat sich der Jahresumsatz 2019 im Vergleich zum Vorjahr um rund 20 % gesteigert – und das, obwohl die Preise deutlich gesunken sind. Der Zuwachs zeigt sich daher besser in der installierten Leistung: Waren 2018 Batteriespeicher mit 440 MW installiert, sind es nach vorläufigen Zahlen Ende 2019 schon 680 MW – eine Steigerung um die Hälfte. In deutschen Haushalten sind derzeit insgesamt rund 182.000 Batteriespeicher im Einsatz.
Gewerbespeicher mit Zusatzaufgaben
Auffallend stark war das Wachstum im bei den Gewerbe- und Industriespeichern. Dort werden Speicher nicht nur für die stärkere Eigenversorgung mit Erneuerbaren Energien, sondern auch für viele weitere Aufgaben eingesetzt: Notstromfunktion, Spitzenlastmanagement und vereinzelt auch schon Projekte zur Sektorenkopplung sind die wesentlichen Anwendungsbereiche von Speichern in der Industrie.
Zwei weitere Segmente haben ebenfalls deutlich zugelegt: Die Speicher für Elektromobilität wie etwa Speicher bei Schnellladestationen, um eine schnelle Strombetankung von Fahrzeugen auch bei schwachem Stromnetz zu gewährleisten. Aber auch thermische Speicher in der Industrie. Diese lassen sich auch auf die bevorstehende CO2-Bepreisung zurückführen, die auch im industriellen Bereich die Sensibilität für Energiekosten – auch im Wärmebereich - erhöht.
Aber: Deutschland hängt sich ab
Die Branchenzahlen des BVES zeigen aber auch, dass das Wachstum von Speichern inzwischen vermehrt im Ausland stattfindet, bei einer Befragung gab ein Viertel der Betriebe an, mehr als 60% des Umsatzes im Ausland zu erwirtschaften. Grund ist nach Angaben des Verbandes, dass in Deutschland noch immer regulatorische Hürden den Einsatz von Speichern stark bremsen. Unter anderem werden Speicher auch heute noch als Verbraucher eingeordnet, was wirtschaftliche Nachteile im Bereich von Abgaben usw. nach sich zieht. Der 52-GW-Deckel bei der Photovoltaik bremst im Moment die Neuinvestitionen im Heimspeichersegment. Der BVES fordert seit längerem, dass Energiespeicher als eigene, vierte Säule des Energiesystems eingeordnet werden sollen. Die Umsetzung der Regelungen des EU-Winterpaketes, auf der auch im Solarbereich viele Hoffnungen hinsichtlich Vereinfachungen für die Bürgerenergie liegen, soll auch für Speicher ein Befreiungsschlag aus dem teils undurchsichtigen Dickicht der Regulierung sein. Der BVESBundesgeschäftsführer Urban Windelen findet klare Worte: „Die technologischen Grundlagen sind gegeben. Einzig die rückständige Regulatorik behindert den breiten, systemdienlichen Einsatz von Energiespeichern vom Kondensator bis zu Wasserstoff. Dabei liegt die Notwendigkeit von Speichern auf der Hand: Es gibt keine andere Möglichkeit, Sonnenstrom in die Nacht zu bringen als mit einem Speicher. Ein Kabel oder auch der europäische Strombinnenmarkt hilft da leider nicht weiter“, so Windelen.
Perspektive: sinkende Nachfrage
Aktuell haben die Analysten von IHS Markit die Auswirkungen von Corona auf den deutschen Speichermarkt beschrieben: Da derzeit bei uns von einer kommenden Rezession ausgegangen werden muss, steht auch der Speichermarkt vor neuen Herausforderungen: Sinkende Nachfrage, mehr Probleme bei den Lieferketten und eine hohe Belastung der Regulierungsbehörden werden von IHS genannt. Das bestätigen auch aktuelle Informationen von Batterieanbietern, die hinsichtlich der Lieferfähigkeit zwar Verzögerungen, aber keine Ausfälle zu verzeichnen haben. Keine gravierende Einschränkung sehen die Analysten auch bei der Versorgung mit Batteriezellen, da in China die meisten Produktionen den Betrieb schon wieder aufnehmen, die Versorgung, auch des gesamten Weltmarkts, scheint damit gesichert zu sein.
Den Nachfragerückgang im Heimspeichermarkt schätzt IHS mit rund 10 bis 15 % gegenüber dem vergangenen Jahr 2019 ab, genau kann das selbstverständlich noch nicht umrissen werden.
Durch eine kommende Zurückhaltung bei den Firmen wird auch ein Rückgang bei den Gewerbespeichern erwartet, nicht jedoch bei den großen Netzspeichern. Hier geht IHS davon aus, dass die geplanten Projekte zwar verzögert, aber doch sicher realisiert werden.
Spannend wird auch die Preisentwicklung sein: Bei sinkender Nachfrage geben auch die Preise nach, vor allem, wenn viel Lagerware vorhanden ist. Bei den Batteriezellen ist zudem der Preis stark davon abhängig, wie sich die Nachfrage auf dem Markt der Elektrofahrzeuge entwickelt. Auch dort wird derzeit mit einem deutlichen Nachfragerückgang gerechnet, sind doch in Deutschland Autohäuser aufgrund der Kontaktvermeidung komplett geschlossen, der Onlineverkauf kann das nur in geringem Maße auffangen. Das in der Zahlenpräsentation des BVES angenommene Branchenwachstum von knapp 10 % in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr 2019 ist damit leider Makulatur.
Jörg Sutter