26.07.2019
Klimakrise anhand von Stadtvergleichen verstehen
Berlin hat mit einem Klima wie das australische Canberra zu rechnen, sagen Forscher der ETH Zürich. Bisher werden Klimafolgen von Wissenschaftlern oft in Äquivalenten und abstrakten Zahlen dargestellt. Für viele Menschen sind die prognostizierten Szenarien zwar besorgniserregend – aber nur schwer zu verstehen. Eine Anfang Juli erschienene Studie der ETH Zürich wählt nun einen viel anschaulicheren Zugang: Eines der IPCC-Klimaszenarien, das sogenannte RCP 4.5, wurde dazu genutzt, um für 520 Großstädte die Klimaveränderungen bis zum Jahr 2050 zu prognostizieren. Als Ergebnis werden Vergleichspaare zum heutigen Klima anderer Städte vorgestellt. So ist auch der Vergleich Berlin – Canberra zu verstehen.
Die Wissenschaftler untersuchten also für die Großstädte, ob ihr Klima im Jahr 2050 den aktuellen Bedingungen oder zukünftig der Situation anderer Städte in verschiedenen bioklimatischen Regionen ähnlicher sein wird. Selbst im optimistischen Klimaszenario RCP 4.5 haben sie festgestellt, dass 77 Prozent der Städte mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Klima erleben werden, das dem einer bestehenden Stadt näher sein wird, als dem aktuellen eigenen Klima. Vielleicht kennen die Menschen ja einige dieser Städte und bekommen damit eine Vorstellung, in welche Richtung sich das Leben in ihrer Stadt verändern dürfte.
Neben Berlin, um weitere Beispiele zu nennen, hätte dann London ein Klima wie Barcelona und Stockholm wie Budapest. Das klingt weniger abstrakt – ist aber dennoch beunruhigend: Denn jede fünfte untersuchte Stadt hat keine Entsprechung. Dort werden Klimabedingungen prognostiziert, die bisher noch in keiner Großstadt auf dem Globus vorzufinden sind. Das bedeutet, in 22 Prozent der Städte würde klimatisches Neuland entstehen, was die Verantwortlichen vor große Herausforderungen stellen dürfte. Als allgemeinen Trend stellten die ETH-Forscher fest, dass sich alle Städte tendenziell in Richtung der Subtropen verlagern, wobei sich Städte von der nördlichen Hemisphäre hin zu wärmeren Bedingungen verlagern, im Durchschnitt rund 1.000 km gegen Süden, und zwar mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 km pro Jahr.
Dagegen werden Städte aus den gemäßigten Zonen trockener. Die Forscher gehen beispielsweise davon aus, dass das Klima in Madrid im Jahr 2050 dem heutigen in Marrakesch ähneln wird. Das gilt auch für Städte in den Tropen, etwa in China oder in Afrika und Amerika, auch sie werden trockener. „Unser Ansatz zeigt, wie komplexe Klimadaten verpackt werden können, um greifbare Informationen bereitzustellen“, so die Zürcher Forscher Die globale Bewertung von Stadtanalogien kann das Verständnis des Klimawandels auf globaler Ebene erleichtern, aber auch Landverwaltern und Stadtplanern vor Ort konkret helfen, die Klimazukunft ihrer jeweiligen Städte zu visualisieren. Das könne eine effektive Entscheidungsfindung und Reaktion auf den fortschreitenden Klimawandel erleichtern.
Denn die Flächenversiegelung macht Großstädte für Hitzestaus und extreme Niederschläge anfällig. Gebäudekomplexe und Straßen heizen sich bei starker Sonneneinstrahlung auf und bilden Hitzeinseln, die auch nachts nicht mehr abkühlen. So kann es in der Stadt bis zu 10° C wärmer sein, als im Umland. Auch für das Regenwassermanagement lassen sich frühzeitig Schlüsse ziehen und aus den Erfahrungen der Vergleichsstädte können Kommunalpolitiker lernen. Denn die betonierten Flächen bieten zumeist keine oder unzureichende Puffer bei starken Niederschlägen, mit denen eventuell gerechnet werden muss. So können Gebäude und Flächen derart umgestaltet werden, dass sie Regenwasser aufsaugen und damit die Kanalisation entlasten. Begrünte Dächer und eine Vielzahl von Straßenbäumen sind positiv für das Mikroklima, und das dürfte über die Zukunft so mancher Stadt entscheidend werden.
Klaus Oberzig
Studie der ETH Zürich
IPCC Sonderbericht über 1,5 ° C globale Erwärmung
RCP 4.5 Szenario