26.05.2023
Wärmedämmung kommt vor Wärmepumpe
Ein Gastbeitrag von Ulf Bossel
Gebäudeenergiegesetz nicht zu Ende gedacht: Die Energiezukunft muss mit der nachhaltig verfügbaren Energie von Sonn, Wind, Biomasse und Wasserkraft gestaltet werden. Diese Energiequellen liefern vorwiegend Strom. Wir müssen uns also auf eine „Elektronenwirtschaft“ vorbereiten und diese zügig verwirklichen. Auf der Verbraucherseite steht die Gebäudebeheizung an vorderster Stelle. In Zukunft wird Strom zur Betriebsenergie im Heizkeller. Wärmepumpen und Pelletheizungen werden Öl- und Gaskessel ersetzen. Mit dem Gebäudeenergiegesetz soll dieser Wechsel jedoch übereilt vollzogen werden. Der leistungsgleiche Austausch von Heizkesseln durch Wärmepumpen schafft gravierende Probleme bei der Stromversorgung im Winter. Der Grünstrombedarf wird an kalten Tagen kaum zu decken sein, zumal Elektroautos auch im Winter gefahren werden. Stromengpässe werden unvermeidbar. Schuld an dieser Mangellage wird man der Politik geben, denn sie hat ein nicht zu Ende gedachte Gebäudeenergiegesetz vorgelegt.
Schlüssel für die Sicherstellung der Stromversorgung im Winter ist die Verringerung des Wärmebedarfs durch Sanierung der Gebäudehülle. Die Gebäudesanierung sollte deshalb vor der Umrüstung im Heizungskeller erfolgen, damit kleinere Wärmepumpen für den verringerten Heizwärmebedarf installiert werden können. Sanierte Gebäude lassen sich mit niedrigeren Vorlauftemperaturen beheizen. Luft-Wasser-Wärmepumpen arbeiten effizienter am Tag bei höheren Aussentemperaturen, wenn auch Solarstrom günstig zur Verfügung steht. Die thermische Gebäudesanierung wird deshalb zum Schlüssel der Wärmewende und sollte immer vor der Installation einer Wärmepumpe erfolgen.
Hauseigentümer sind rechtlich für Gebäude und Heizungsanlagen zuständig. Diese Zuständigkeit ist mit der Warmmiete eindeutig geregelt. Der Hauseigentümer, gleich ob er eine Wohnblock oder Einfamilienhaus besitzt, optimiert den langfristigen Werterhalt seiner Liegenschaft. Bei der Kaltmiete wird diese Zuständigkeit jedoch aufgehoben. Bei diesem Mietmodus kann der Mieter und muss der Vermieter keine baulichen Veränderungen vornehmen. Zur zügigen Verwirklichung der Wärmewende sollte zuerst einmal die Kaltmiete abschafft werden. Die Heizkosten werden so zu einem Teil der wirtschaftlichen Optimierung. Da das Wohneigentum an Wert gewinnt, lassen sich die Sanierungskosten auch hypothekarisch absichern. Der Weg führt über die Warmmiete zur Gebäudesanierung.
Mit der energetischen Gebäudesanierung sinkt die maximale Heizleistung erheblich. Der stark reduzierte Wärmebedarf kann mit einer kleinen Wärmepumpe gedeckt werden. Auch kann die Wärme der Aussenluft am frühen Nachmittag bei hohen Temperaturen entzogen werden. Nach erfolgter Gebäudesanierung ergeben sich neben der Wärmepumpe auch andere Möglichkeiten für spezifische Optimierungen oder Komfortverbesserungen. Auch werden Arbeiten im Heizungskeller oft von Hausbesitzern in Eigenregie ausgeführt, was bei der Abrechnung von Fördermitteln Probleme bereiten könnte. Die Kosten für die Modernisierung der Heizung sollten deshalb vom Hausbesitzer übernommen werden.
Bei der energetischen Gebäudesanierung liegen die Dinge jedoch anders, denn der Gebäudebestand dient der Zukunftssicherung der Gemeinschaft. Die Bauarbeiten sollten mit grosser Sorgfalt professionell und vorschriftsmässig von Fachleuten ausgeführt werden. Auch müssen die sanierten Wände, Fenster und Dächer bis zum Lebensende des Gebäudes einwandfrei funktionieren. Gebäudesanierung ist Zukunftssicherung und sollte vom Staat grosszügig gefördert werden. Nach Verringerung des Heizwärmebedarfs kann der Wechsel von fossilen Brennstoffen auf grüne Energie nachhaltig geplant und durchgeführt werden.
Es geht also um die Reihenfolge der Massnahmen zur energetischen Sanierung beheizter Gebäude. Zuerst kommt die Gebäudehülle, dann der Heizkeller. In umgekehrter Reihenfolge werden zuerst grosse Wärmepumpen mit teuren Erdsonden installiert, für deren Betrieb im Winter nicht immer genug Grünstrom geliefert kann. Wegen steigender Stromkosten wird das Gebäude erst später thermisch saniert. Die Wärmepumpe ist dann aber viel zu gross für den reduzierten Wärmebedarf. Das vorliegende Gebäudeenergiegesetz führt zu dieser Situation, nicht aber zu dauerhaften Lösungen. Auch werden neue Probleme bei der Stromversorgung geschaffen. Die thermische Gebäudesanierung muss vor dem Einbau der Wärmepumpe erfolgen.
Der Gesamt-Energiebedarf Deutschlands sollte möglichst durch eine Energieernte im Inland und vor Deutschlands Küsten gedeckt werden. Importe von grüner Energie (e.g. Wasserstoff aus fernen Ländern) sind energetisch, wirtschaftlich und politisch nicht zu rechtfertigen. Der Schlüssel liegt bei der rationellen Flächennutzung (PV statt Bioraps) und bei der rationellen Energienutzung (Gebäudesanierung vor Wärmepumpe). Die Bauwirtschaft könnte jährlich sechs Millionen Gebäude energetisch sanieren. Fördergelder sollten dafür bereitgestellt werden und nicht für den leistungsgleichen Austausch von Heizkesseln durch Wärmpumpen.
Hier die Reihenfolge für die notwendigen Massnahmen zur Wärmewende:
- Abschaffung der Kaltmiete. Dadurch wird die Verantwortung für bauliche Massnahmen verbindlich auf den Hauseigentümer (Vermieter) übertragen.
- Unbürokratisches Förderprogramm für die energetische Sanierung der Gebäudehülle. Ein Teil der zugesagten Fördermittel wird erst nach Inbetriebnahme der CO2-freien Heizungsanlage ausgezahlt.
- Umrüstung der Heizungsanlage auf nachhaltige Energieträger (Strom, Pellets). Der Hauseigentümer übernimmt die Kosten für die Veränderungen der Heizungsanlage.
- Auszahlung der restlichen Fördermittel für die energetische Gebäudesanierung nach Inbetriebnahme der CO2-freien Heizung.
Der vorliegende Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes ist nicht zu Ende gedacht und sollte neu aufgegleist werden. Mit schlecht durchdachten Vorschriften wird die Wärmewende erschwert. Von der Politik wird keine Regelung von Einzelheiten verlangt, sondern ein lautstarkes „WIR SCHAFFEN DAS“ erwartet. Wir können unsere Wärmeversorgung mit heimischem Grünstrom und kleinen Wärmepumpen oder Pelletheizungen sichern, die für den Restwärmebedarf energetisch sanierter Gebäude ausgelegt sind.
Dr. Ulf Bossel
Ph.D. (UC Berkeley), Dipl. Masch. Ing. (ETH Zürich)
Berater für nachhaltige Energielösungen