26.04.2019
Wie falsche Klimabegriffe eine klare, wirkungsvolle Argumentation erschweren
Eigentlich müsste jedem politisch Engagierten spätestens seit Victor Klemperers 1947 erschienenem Buch „LTI“ klar sein, wie wirkungsvoll das Denken mit bestimmten Begriffen gesteuert wird, und wie wichtig inhaltlich klare sowie wahre Begriffe sind. Der Philologe und Romanistikprofessor, wegen seiner jüdischen Herkunft im Dritten Reich verfolgt und untergetaucht, beschreibt und analysiert dort die Sprache des Dritten Reiches (lat.: Lingua Tertii Imperii, kurz LTI). Begriffe wie Sippe, zackig, jüdischer Krieg etc. prägten Denken und Weltbild im Nationalsozialismus, diskreditierten den politischen Gegner.
Inzwischen ist die Einsicht in die Macht der Sprache und der Worte noch gewachsen. Heute überlegen sich z.B. Unternehmen im Zuge des „Wordings“ ganz genau, wie ihre Botschaften bei Kunden und Öffentlichkeit verstanden werden könnten, ob der Kunde nicht bei einem Produkt „mit einer verbesserten Rezeptur“ zugleich hören würde: „Das alte Produkt, was wir Euch über Jahre verkauft haben, taugte nicht wirklich was.“ Allein die Klimaschutzbewegung und die Klimawissenschaften scheinen, was das Wording in ihrem Bereich anbelangt, etwas – zu – sorglos zu sein. Hier einige Beispiele:
Klimawandel → Klimakrise
Panta Rhei – alles fließt, alles bewegt und wandelt sich, das wussten schon die alten Griechen. Wenn heute Wissenschaftler von den Gefahren des Klimawandels (engl.: Climate Change) sprechen, dann schallt ihnen aus der Fraktion der die menschengemachten Klimaveränderungen Ablehnenden häufig ein „Das Klima hat sich schon immer gewandelt“ entgegen. Das ist im Prinzip ja auch richtig, denn einen natürlichen Klimawandel hat es tatsächlich immer schon gegeben, wie die hochmittelalterliche Warmzeit und die frühneuzeitliche „Kleine Eiszeit“ zeigen. Nur handelt es sich bei der aktuellen Entwicklung nicht um einen natürlichen Wandel, sondern um den seit 150 Jahren ständig wachsenden, menschengemachten Eintrag hochpotenter Klimagase in die Atmosphäre, deren Veränderungen in dieser Größenordnung u.U. nicht umkehrbar sind und ein für die Menschheit lebensfreundliches Klima auf diesem Planeten beenden. Da ist der Begriff „Klimawandel“ schlicht der falsche Ausdruck, und es ist kontraproduktiv, wenn anerkannte und verdiente Klimaforscher wie die Professores Rahmstorf und Schellnhuber ihn auch bei Neuauflage ihres Werkes[2] verwenden. Dazu kommt, dass „Wandel“ ein im Deutschen durchaus positiv konnotierter Begriff ist, wie „Wandel der Jahreszeiten“, „Handel und Wandel“ oder „Wandel durch Annäherung“ (Ostpolitik) zeigen – der deutsche Michel kann sich also beruhigt zurücklehnen anstatt aktiv zu werden.
Sinnvoller wäre es hingegen, statt des verharmlosenden Wandels zutreffender von einer Klimakrise zu sprechen, einem entscheidenden (Wende-)Punkt einer gefährlichen Entwicklung. Diese Klimakrise kann, wenn wir nicht richtig und schnell reagieren, auch zu einer Klimakatastrophe für die Menschheit führen.
Globale Erwärmung → Globale Erhitzung
Ebenfalls eine Verharmlosung ist der Begriff „Globale Erwärmung“ (engl.: Global Warming). Zum einen ist die Wärme im allgemeinen sprachlichen Umgang positiv besetzt, zumindest in der Meteorologie und als Gegensatz zu „Kälte“: wir sind froh, im tiefsten Winter warme Handschuhe dabei zu haben, genießen die warme Sauna, und freuen uns über warme Sommerabende. Wärme an sich kann also niemanden schrecken. Zum anderen erleben immer mehr Gegenden dieses Planeten extreme Hitzewellen – wie z.B. im vergangenen Jahr in Indien oder Anfang diesen Jahres in Australien – , die unzählige Menschenleben fordern, Flächenbrände verursachen, Tiere töten und Natur zerstören. Dazu kommt, dass in absehbarer Zeit in bestimmten Weltgegenden wie dem Persischen Golf so hohe Erdoberflächen-Temperaturen herrschen werden, dass menschliches Leben dort unmöglich ist. Angesichts solcher immer alltäglicher werdenden Hitzephänomene von „Globaler Erwärmung“ zu sprechen, ist ein Euphemismus, eine Schönrednerei, auch wenn nicht alle Orte dieses Globus von den gleichen Temperaturen betroffen sind. Aber immerhin herrscht an den Polen und auf Grönland eine solche, relative „Hitze“, dass diese Gebiete das dort seit Jahrtausenden gewohnte Temperaturspektrum verlassen.
Insofern sollte man realitätsnäher und zutreffender von einer globalen Erhitzung statt von einer globalen Erwärmung sprechen.
Klimaskeptiker → Klima-Ignorant
Eine „gesunde Skepsis“ wird im allgemeinen kritischen Menschen attestiert, die nicht gleich bei jeder Aussage einer tatsächlichen oder angeblichen Autorität in vorbehaltlosen „Reichsparteitagsjubel“ ausbrechen. Mag ein Skeptiker in einzelnen Fällen auch nerven, so wird doch die Gruppe als ganze eher positiv gesehen, zumal sich die Skeptiker wissenschaftlich-kritisch mit parawissenschaftlichen Ideen wie ChemTrails, Geistheilungen, Homöopathie etc. auseinander setzen [3]. Gerade deshalb ist es aber absurd, Gegnern der wissenschaftlich belegten These des menschengemachten Klimawandels den Ehrentitel „Skeptiker“ zuzumessen. Denn diese Leute lehnen zwar einerseits die Wissenschaft ab – wohl um ihren eigenen Lebensstil nicht ändern zu müssen – , nutzen jedoch andererseits die gleichen grundlegenden Wissenschaften (Physik, Chemie, Mathematik/Statistik) überwiegend klaglos in Form von Medizin und Technik. Rationaler Skeptizismus sieht anders aus!
Daher sollte man die Gegner des menschengemachten Klimawandels besser als Klima-Ignoranten bezeichnen, zumal das lateinische Verb „ignorare“ sowohl das „nicht wissen“ als auch das „nicht wissen wollen“ beinhaltet. Mit „Klima-Ignorant“ vermeidet man einerseits die ungerechtfertigte Aufwertung solcher Personen als „Klimaskeptiker“, andererseits u.U. strafrechtlich bewehrte Begriffe wie „Klima-Idiot“ (von griech. Idiotaes = Privatmann, d.h. jemand der aus geistigen/charakterlichen Gründen zur politischen Teilhabe nicht in der Lage war).
Fazit
Wer mit guten Argumenten auf die näherkommende Klimakatastrophe hinweisen und damit auch Gehör finden möchte, sollte sich auch klarer, zutreffender Begriffe bedienen. Die bisher vielfach in der Klimadiskussion verwendeten mögen zwar kuscheliger und weniger schroff sein, aber angesichts des Ernstes der Lage ist damit niemandem wirklich gedient. Klares Denken, Argumentieren und Handeln erfordert auch klare Begriffe. Sonst kann es sein, dass die oft mühsam erarbeiteten wissenschaftlichen Ergebnisse von großen Teilen der Bevölkerung gar nicht wirklich verstanden werden.
Götz Warnke
Literaturtipp
Der Tollhauseffekt
„The Madhouse Effect“ (Michael E. Mann und Tom Toles)
in der deutschen Übersetzung von Matthias Hüttmann und Herbert Eppel
ISBN 978-3-933634-46-7,
2., durchgesehene Auflage 2018,
272 Seiten
D: 24,90 €
hier online bestellen: www.dgs-franken.de/medien/tollhauseffekt
Fußnoten
[1] Klemperer, Victor: LTI. Notizbuch eines Philologen, 23. Aufl. (Phillip Reclam jun.), 2007
[2] Rahmstorf, Stefan / Schellnhuber, Hans Joachim: Der Klimawandel - Diagnose, Prognose, Therapie. 8., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage (C.H. Beck), 2018
[3] https://www.gwup.org/