26.03.2021
Der Expertenrat für Klimafragen ist nun gefragt
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Am 16. März haben die Bundesumweltministerin Svenja Schulze und der Präsident des Umweltbundesamtes Prof. Dirk Messner in einer gemeinsamen Pressekonferenz die deutsche Klimabilanz 2020 vorgestellt.
Die Klimabilanz bezieht sich auf die Treibhausgasminderungsziele, die im Dezember 2019 verabschiedeten Bundesklimaschutzgesetz (KSG) für einzelne Sektoren festgelegt wurden. Gemäß KSG soll der Ausstoß an Treibhausgasen (THG) im Vergleich zu 1990 bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 % vermindert werden. Bezogen auf das Berichtsjahr 2020 wurden die Minderungsziele in den Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und Sonstiges erreicht.
Der Gebäudesektor hat das Klimaschutzziel verfehlt
"Der Bereich Gebäude hat sein Klimaziel knapp verpasst", teilte die Bundesumweltministerin mit. Anstelle von 118 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten betrug die Jahresemissionsmenge 120 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente, also eine Überschreitung um 2 Mio. Tonnen. Die Überschreitung des Sektorziels "löst eine Rechtsfolge nach dem Klimaschutzgesetz aus", ergänzt sie. Damit ist gemeint, dass das im vergangene Jahr gegründete Gremium "Expertenrat für Klimafragen" die Emissionsdaten prüfen und am 15. April eine Stellungnahme vorlegen wird. Danach "muss binnen drei Monate das zuständige Ressort, also in diesem Fall das Bundesbauministerium in Zusammenarbeit mit dem Bundeswirtschaftsministerium, ein Sofortprogramm mit zusätzlichen CO2-Minderungsmaßnahmen für den Gebäudesektor vorlegen", so Schulze. Das sei wichtig, da das THG-Budget sinkt "und wir ja auf dem Zielpfad bleiben wollen", ergänzt sie. Anschließend soll das Sofortprogramm in der Bundesregierung beraten werden. Zudem gehe die Ministerin davon aus, dass es auch bei der geplanten Sitzung des Klimakabinetts im Juni ein wichtiges Besprechungsthema sein wird.
Welche Aufgabe hat der Expertenrat für Klimafragen?
Gemäß KSG § 11 hat die Bundesregierung einen Expertenrat für Klimafragen eingerichtet, und dazu fünf Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen verschiedener Disziplinen für die Dauer von fünf Jahren als Mitglieder benannt. Diese sind: Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge, Prof. Dr. Thomas Heimer, Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Dr. Brigitte Knopf und Dr. Barbara Schlomann. Die Ratsmitglieder haben nun einen Monat Zeit, um die Emissionsdaten des Vorjahres zu prüfen und zu bewerten. Zudem können sowohl der Bundestag als auch die Bundesregierung durch Beschluss den Expertenrat für Klimafragen mit der Erstellung von Sondergutachten beauftragen. Laut KSG kann der Expertenrat für Klimafragen zu klimaschutzbezogenen Themen Behörden anhören und befragen, "sowie Vertreter und Vertreterinnen von Organisationen der Wirtschaft und der Umweltverbände". Die Stellungnahme des Expertenrats für Klimafragen wird dementsprechend für den 15. April erwartet.
Klimaschutzmaßnahmen, die noch anstehen
Zum Verkehrssektor empfiehl Herr Messner ein "Endausstiegsdatum für den Verbrenner" spätestens bis 2030. Der Kohleausstieg habe gezeigt, dass das den Prozess beschleunige.
In einem Interview mit dem Sender Phoenix sagt Professor Manfred Fischedick, dass ein großer Anteil des Rückgangs der Treibhausgase vergangenes Jahr "coronabedingt" war. Konkret seien die Emissionsminderungen zurückzuführen auf den geringeren Verkehr und den erfolgten Rückgang der industriellen Produktion. "Es fehlen noch strukturelle Maßnahmen", um die Emissionsminderungen dauerhaft zu stabilisieren, ergänzt der wissenschaftliche Geschäftsführer des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt, Energie. Mit Blick auf die Energiewirtschaft sagt Fischedick: "Es ist ganz wichtig, dass wir die Ausbaudynamik der Erneuerbaren Energien wieder in den Griff bekommen. Die hat in den letzten zwei Jahren substantiell nachgelassen. Wir müssen Wind- und Solarenergie deutlich schneller ausbauen". Auch in den Bereichen Verkehr und Gebäude müsse mehr Dynamik erreicht werden, etwa durch mehr Anreize für Vermieter, um Sanierungsmaßnahmen durchzuführen. Auf eine Frage zum Erreichen der geplanten "Klimaneutralität" antwortet Fischedick, dass das mittelfristige Ziel 2030 nachgeschärft werden müsse, um die langfristigen Ziele zu erreichen.