25.10.2019
Wärmepumpe als Allheilmittel?
Gleich zwei Kongresse mit Bezug zu Wärmepumpen an einem Tag in Nürnberg.
„Überrascht vom extrem großen Zulauf an Vortragsthemen“ war Rainer Jakobs nach eigener Aussage. Als Grund dafür wie für die 250 Kongressteilnehmer – mehr als erwartet – sieht der fachliche Koordinator des European Heat Pump Summit im Messezentrum Nürnberg: „Das Gewerbe merkt, sie müssen CO2 sparen“, und dafür seien Wärmepumpen (WP) einfach prädestiniert. In Japan sei man beim WP-Einsatz zwar schon weiter, dort würden damit Kälte und Wärme gleichermaßen produziert und der Energieverbrauch gesenkt. Und gerade Groß-WP funktionieren nicht nur in Japan, „auch bei uns gibt es keine Risiken mehr“, so Jakobs.
Die Hersteller schwingen sich scheinbar auf den Zug, mit dem „viele Städte Grün werden wollen. Auch Energieversorger steigen massiv mit ein“, erlebt der ausgewiesene Experte vom Informationszentrum Wärmepumpen und Kältetechnik IZW. Sein ausdrücklicher Favorit für den Einsatz von Wärmepumpen: Kaltnetze. Von der Versorgung einer Käsefabrik und von Häusern aus der Abwärme eines IT-Zentrums berichtet Jakobs.
Kaltnetze - warum?
Der Vorteil von Kaltnetzen, bei denen gerade mal Vorlauftemperaturen von 20, 30, 40 Grad Celsius notwendig seien: Alte, bestehende, mäßig isolierte Rohre vorheriger Nahwärmenetze brauchen nicht erneuert zu werden, weil die Verluste bei solch niedrigen Temperaturen sehr gering seien.
Bisher wurden fast überall Nah- und Fernwärmenetze propagiert, die im Sommer mit Blockheizkraftwerken betrieben werden, im Winter bei hohem Wärmebedarf zusätzlich aus Dampfkraftwerken oder Holzheizwerken unterstützt. Nun scheinen an vielen Stellen die Verantwortlichen umzudenken und Strom als Nutzenergie voranbringen zu wollen, natürlich möglichst natürlich erzeugt.
Prof. Kurt Rohrig, Vize-Chef des Kasselaner Fraunhofer-Instituts IEE, formuliert das so: „Die Wärmewende findet lokal in unseren Städten und Quartieren statt!“ Denn gerade bei jenen 47 Prozent CO2 müsse das Einsparen beginnen, welche zurzeit in Deutschland zum Erwärmen von Gebäuden, Warmwasser und Betrieben in die Luft geblasen werden. Beim gleichzeitig mit dem Heat Pump Summit (HPS) ebenfalls in Nürnberg stattfindenden VDI-Wissensforum wurden vor allem dazu praktische Beispiele vorgestellt. In vielen davon passiert die Beheizung bevorzugt mit Wärmepumpen (WP). Kurt Rohrig rechnet damit, dass 63 Prozent der Gebäude WP-, der Rest Fernwärme-beheizt sein werden. Beides sind große Herausforderungen: „3 GW neue Wärmepumpen jährlich, spätestens 2030 müssen wir das Ausbauniveau erreicht haben. Und auch der Ausbau der Wärmenetze von heute 11 auf 37 Prozent ist eine Herausforderung“, gibt er zu. Denn für diese notwendigen 85.000 km Leitungen müssen 32 Mrd. Euro – 2,4 Mrd. pro Jahr – investiert werden.
Doch woher kommt der Ökostrom für die Wärmepumpen? „Wir müssen Gebäude als kleine Kraftwerke bauen“, fordert Rohrig. Denn hierzulande müssen im Jahre 2050 immerhin 1.000 TWh (Terawattstunden) Strom CO2-frei produziert werden, um die in Paris verhandelten Klimaziele zu erreichen. „Wir brauchen jährlich 10 Gigawatt (GW) neue Wind- und Solarkraft“, rechnet er vor, „eine Vervierfachung des Ausbaus von heute. Sonst können wir uns die Elektrifizierung von Mobilität und Wärme an den Hut stecken.“ Bislang allerdings wird unter „Energiewende“ hauptsächlich die Umstellung von Kohle- auf Ökostrom verstanden. Tatsächlich aber dürfe 2050 überhaupt kein fossiler Brennstoff mehr verfeuert werden: Sektorkopplung – alles aus Strom ist deshalb des Professors Credo.
Achja: wenn in und an fast zwei Dritteln der Gebäude WP arbeiten, könnte es ein Lärmproblem geben. Das zu erkennen, dafür wurde wiederum auf dem HPS eine interessante App präsentiert. Christian Köfinger vom Austrian Institute for Technology (AIT) projizierte per „Augmented Reality“ verschieden große WP mitten auf die Bühne des Kongress-Saales. Zu erkennen waren die abnehmenden Lärm-Kreise. Mit diesem Hilfsmittel lässt sich auch eine Luft-Wärmepumpe im Garten so optimal platzieren, dass sowohl auf der eigenen Terrasse wie an des Nachbarn Balkon möglichst wenig Lärm vom Kompressor zu vernehmen ist.
Heinz Wraneschitz