25.10.2019
Energiestatistik ohne Anstand und ohne Moral
Scheinbar passend zum Klimapaket der großen Koalition legte die AG Energiebilanzen e.V. im September 2019 eine "Energiebilanz Deutschland" für diese knapp drei Jahrzehnte vor.
„Für den bereinigten sektorübergreifenden Endenergieverbrauch (bezogen auf das reale Bruttoinlandsprodukt) ergibt sich für das Jahr 2018 eine Verbesserung der Energieintensität in Höhe von 1,9 Prozent. Für den Zeitraum 1990 bis 2018 ist für diesen Indikator eine Verbesserung von durchschnittlich 1,6 Prozent pro Jahr zu beobachten." Die Zahlen ergeben, dass sich seit 1990 die gesamtwirtschaftliche Energieeffizienz in Deutschland um rund 42 Prozent verbessert hat. Im Durchschnitt der zurückliegenden 28 Jahre beträgt der Effizienzzuwachs 1,9 Prozent pro Jahr. Die stärksten Effizienzsteigerungen erfolgten 2007 (7,33 Prozent) sowie 2014 (6,68 Prozent), während es 2003 mit -1,9 Prozent eine deutliche Verschlechterung gab, was auch in geringerem Umfang für 2001 und 2008 gilt.
Liest man das Dokument und die darin enthaltenen Statistiken durch, entsteht erst einmal der Eindruck einer erfolgreichen Energiepolitik. Die Energieproduktivität der Gesamtwirtschaft ist kontinuierlich angestiegen, auch wenn diese mit 1,92 Prozent, wie von der AG Energiebilanzen eingeräumt wird, deutlich hinter der Zielvorstellung der Bundesregierung zurückbleibt. Diese sollte eigentlich bis 2050 durchschnittlich um 2,1 Prozent pro Jahr ansteigen. Kennzeichen dieser Entwicklung ist unter anderem das Abkoppeln des Stromverbrauches vom gesamtwirtschaftlichen Wachstum. So hat sich der Stromverbrauch pro Kopf in diesem Zeitraum und jährlich 1,18 Prozent verringert.
Also ein Beleg dafür, dass die Politik der „Energy Efficiency First“, wie es der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ausdrückte, erfolgreich war. Interessant ist dabei, dass der Zuwachs bei der Energieeffizienz in den Bereichen von Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen deutlich stärker ausgefallen ist, als im Bereich der privaten Haushalte. Hier liegt der Durchschnittswert von knapp 1,2 Prozent deutlich hinter den Effizienzsteigerungen der anderen Sektoren zurück. Dies dürfte vor allem am Wärmesektor liegen, der seit Jahren mit einer sehr unterdurchschnittlichen Modernisierungsrate aufwartet. Auch der Verkehrsbereich konnte im langjährigen Durchschnitt lediglich Effizienzverbesserungen von knapp 1,7 Prozent verbuchen.
Charakteristisch für diese Art der Statistik ist aber etwas anderes. Die Indikatoren Energieeffizienz und Energieproduktivität stehen völlig losgelöst vor dem Hintergrund der klimatischen Entwicklung. Während Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch korreliert werden, spielen deren Auswirkungen auf Umwelt und Klima bei dieser Statistik keine Rolle. Nur so kann der, wenn auch eingeschränkte, Eindruck einer erfolgreichen Energiepolitik entstehen. Würden diese Zahlen ins Verhältnis gesetzt werden mit den Emissionen der immer noch weitgehend fossilen Energieproduktion, würde das „Effizienzergebnis“ nackt und bloß da stehen. Es wäre eine Bilanz des Schreckens und des Versagens derer, die seit einem Jahrzehnt der Öffentlichkeit vorlügen, eine Politik der Energiewende und des Klimaschutzes zu betreiben.
Aber noch etwas anderes offenbart diese Statistik. Sie verschleiert die positive Rolle der Erneuerbaren Energien im Gegensatz zu den Fossilen. Denn bei der Berechnung der Primärenergieeffizienz spielt der sogenannte Energiemix eine nicht unwichtige Rolle. Die im Rahmen der Energiebilanzierung „aufgrund internationaler Konventionen verwendete Wirkungsgradmethode“ rechnet der Kernenergie - bezogen auf die Erzeugung einer Megawattstunde elektrische Energie - den dreifachen Einsatz an Primärenergie zu (Wirkungsgrad 33 Prozent). Der gleiche Effekt ergibt sich bei fossiler Stromerzeugung mit Kohle und Gas (Wirkungsgrad 2018: 44,8 Prozent). Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien geht dagegen in die Primärenergiebilanz in Höhe ihrer Erzeugung (Wirkungsgrad 100 Prozent) ein. So führt die Substitution von Kohle- und Atomstrom durch Ökostrom zu einer statistischen Verringerung und zu einer Verfälschung der tatsächlichen Möglichkeiten von Effizienzmaßnahmen bei der fossilen Stromerzeugung.
Die darauf aufbauende Argumentation, eine verbesserte Energieeffizienz liefere wichtige Beiträge zum Klimaschutz ist also auch nur ein statistisches Fake. Vor allem vor dem Hintergrund des Fuel Switch, der Gas in der Stromerzeugung eine neue Rolle zuweisen will, verschleiert diese statistische Methode, dass die Leistungskennziffer Energieeffizienz des Endenergieverbrauches keine Aussagekraft hat außer der, dass die Verkäufer von Effizienztechnologien und von fossilen Brenn- und Heizstoffen erfolgreich wirtschaften bzw. gewirtschaftet haben.
Klaus Oberzig
Der Beitrag bezieht sich auf: >AG Energiebilanzen, Auswertungstabellen zur Energiebilanz für Deutschland 1990 - 2018 <
Hier ist diese moralfreie Statistik herunterzuladen