24.11.2017
Soziales Nachhaltigkeitsbarometer der Energiewende 2017
Soziale Nachhaltigkeit heißt für den bekannten Sozialökologen Prof. Michael Opielka: „Den Wohlfahrtsstaat vom Kopf auf die Füße stellen. Ziel ist eine neue Internalisierungsgesellschaft, die mit dem auskommt, was sie hat. Die Idee des Grundeinkommens spielt dabei eine wichtige Rolle.“ Opielkas 2017 erschienenes Buch mit demselben Titel sollte laut Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker, den Co-Präsidenten des Club of Rome, „Pflichtlektüre für Entscheidungsträger und engagierte Bürger“ sein.
Doch wie steht es hierzulande tatsächlich um die von Opielka geforderte Soziale Nachhaltigkeit? Mit seiner aktuellen Arbeit „Soziales Nachhaltigkeitsbarometer der Energiewende 2017“ hat Dynamis, ein nach eigener Aussage „Think-Do-Rethink-Tank“ zweier Stiftungen mit dem Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung Potsdam (IASS), die Befindlichkeiten der deutschen Bevölkerung zu ergründen versucht. 7.500 Haushalte hat dafür das IASS mit Unterstützung zweier wirtschaftsnaher Forschungsinstitute befragt. Zwei wesentliche Dinge stehen für die Barometermacher fest: „Bei der sozialen Nachhaltigkeit der Energiewende ist nicht alles im Lot.“ Und: „Eine Energiewende gegen die Menschen hat in Deutschland keine Zukunft.“ Wohl auch deshalb freuen sich andererseits „86 Prozent der Deutschen, dass sich Bürgerinnen und Bürger als Energieerzeuger an der Energiewende beteiligen können“, so ein Ergebnis.
Und mit einem Grundeinkommen in der Tasche „könnten Menschen ihre eigenen Energiewende-Projekte möglicherweise noch besser voranbringen“, stellt René Mono auf Nachfrage heraus, Geschäftsführender Vorstand der „100 prozent erneuerbar stiftung“ aus Berlin und damit Teil von Dynamis.
Erstaunliche Studienergebnisse
- „79 % derjenigen, die voll und ganz zustimmen, dass die Energiewende zu erhöhten Strompreisen führt, befürworten die Energiewende.
- 83 % derjenigen, die voll und ganz zustimmen, dass die Kosten der Energiewende von den kleinen Leuten gezahlt werden, während die Wohlhabenderen und Unternehmen davon profitieren, befürworten die Energiewende.
- 86 % derjenigen, die davon ausgehen, dass die Energiewende in den nächsten zehn Jahren auf ihr eigenes Leben eher negative finanzielle und wirtschaftliche Auswirkungen haben wird, befürworten die Energiewende.“
Doch es gibt eine Einschränkung: „Eine Trendumkehr ist jedoch auf Dauer nicht auszuschließen, sollte die Unzufriedenheit mit der Umsetzung der Energiewende zunehmen.“ „Der Ausbau der Erneuerbaren Energien sollte grundsätzlich gefördert werden.“ Das sagen 84 % der Bevölkerung insgesamt. Doch selbst 62 % der Kritiker, „ welche die Umsetzung der Energiewende sehr ungerecht finden“, stimmen dem zu.
Denn die politischen Parteien haben laut den Menschen in diesem unserem Lande bei der Energiewende nur sehr wenig Kompetenz vorzuweisen. Die Hälfte ist mit den Ergebnissen der letzten GroKo-Regierung dazu unzufrieden. Und von den 2017 ins Parlament gewählten Parteien kann KEINE die Bevölkerung bei der Umsetzung der Energiewende voll überzeugen. Selbst bei Bündnis 90/Die Grünen finden bloß 20 % aller Befragten, die Partei habe die besten Konzepte. Nur bei ihren eigenen Anhängern ist „eine große Mehrheit (74 %)“ von deren Energiekonzepten überzeugt. Bei CDU/CSU (51 %), FDP (32 %) und SPD (26 %) glauben dies viel weniger eigene Partei-Anhänger.
Gegen den Strich geht den meisten Menschen, dass Firmen, die viel Strom verbrauchen, weniger oder keine EEG-Umlage zahlen müssen: „Insgesamt lehnen 72 % der Bevölkerung die Ausnahmeregelung für energieintensive Unternehmen bei der EEG-Umlage ab.“
So ist diese Quintessenz nicht verwunderlich: Die Studie gibt gerade den verantwortlichen PolitikerInnen mit auf den Weg, nicht zu zaghaft zu handeln. Zwar forderten „die Menschen gerechtere Lösungen zur Finanzierung der Energiewende“. Doch andererseits steht für die Forscher fest: „Die Menschen sehen die Chancen und Probleme der Energiewende mit Realismus und Weitsicht. In vielen Fragen reagieren sie ambitionierter und mutiger, als es die Politik anzunehmen scheint.“
Denn nur mit mutigem Voranschreiten der Politik kann die Energiewende „Vorteile vor allem für kommende Generationen“ bringen und „für die eigenen Kinder und Enkelkinder bzw. für nachfolgende Generationen allgemein eher positive Auswirkungen haben“: Das sehen immerhin drei von vier Befragten des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers voraus.
Heinz Wraneschitz
Soziales Nachhaltigkeits- barometer der Energiewende (Download)
Buchtipp: Michael Opielka:Soziale Nachhaltigkeit - Auf dem Weg zur Internalisierungsgesellschaft