24.06.2022
VerbrennerAus 2035 – warum nicht?
Ein Bericht von Götz Warnke
Dieser Mittwoch, der 8. Juni 2022, dürfte zumindest in die Verkehrsgeschichte eingehen: Mit einer deutlichen Mehrheit von 339 Jastimmen zu 249 Neinstimmen hat das Europaparlament der Vorlage der EU-Kommission zugestimmt, die Autohersteller ab 2035 zu Fahrzeugen mit CO2-freien Antrieben zu verpflichten. Zwar darf der Gebrauchtwagenhandel mit Verbrennern weitergehen, aber neue Fossilfahrzeuge kämen nicht mehr auf die Straßen, weder aus inländischer Produktion noch als Importe.
Der Beschluss ist eigentlich keine Überraschung, ergibt er sich doch aus dem Ziel, zu dem sich Europa international verpflichtet hat: ab 2050 keine Klimagase mehr zu emittieren. Und da heute in der EU das Durchschnittsalter von Fahrzeugen 10 bis 15 Jahre beträgt, ist das Enddatum 2035 nur logisch, konsequent und vorhersehbar. Dennoch hat das Aus für die gewohnten Benzin- und Dieselfahrzeuge einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Protestiert haben u.a.:
- Der ADAC: hier hat sich insbesondere Karsten Schulze, Technikpräsident des ADAC zu Wort gemeldet. Schulze ist allerdings auch Vorstand bei der eFuel Alliance, einem Verband, dessen Produkte bei einem Verbrennerausstieg im Straßenverkehr überflüssig wären, und der dann sehr an Bedeutung sowie Einfluss verlieren würde.
- Der Verband der (deutschen) Automobilindustrie (VDA) in Form seiner Präsidentin Hildegard Müller, ehemalige Kanzleramts-Staatsministerin unter der Energiewendebremserin Angela Merkel. Immerhin sind unter den fast 700 Mitgliedern des Verbandes viele Zulieferer, die den Umstieg auf Elektromobilität verschlafen haben, und nun wohl Zeit gewinnen wollen.
- Auch eher auf Zeit spielend äußerte sich für den Europäischen Automobilherstellerverband ACEA dessen Vorsitzender Oliver Zipse, der zugleich CEO von BMW ist. Auch in diesem Verband sind viele Zulieferer von der Entwicklung überrollt worden. Zudem ist auch BMW, mit seinem i3 lange Jahre ein Vorreiter der Elektromobilität, inzwischen eher zum Hinterherreiter geworden.
- Dazu kommt ein Brief von 300 Forschern der Internationalen Vereinigung zur Erforschung nachhaltiger Antriebs- und Fahrzeugtechnik (IASTEC). Dessen Sprecher ist Prof. Dr. Thomas Koch, zugleich Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen (IFKM) vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Hier, und weniger im klimapolitischen Bereich, dürfte wohl die Hauptmotivation dieses Briefes liegen: durch den Wegfall des klassischen Verbrennerantriebs im Auto dürften Kolbenmaschinen und ihr technisches Zubehör zu einem Randphänomen werden, selbst wenn sie bei anderen Anwendungen wie z.B. Motorsägen, Erntemaschinen und Panzern – noch eine Weile – erhalten bleiben würden.
- Nicht überraschend ist, dass auch die CDU dagegen ist. Die Partei, die durch jahrzehntelange Verhinderungspolitik einer schnellen und umfassenden Energiewende dafür gesorgt hat, dass heute zu wenig regenerativer Strom für die Produktion von E-Fuels zur Verfügung steht, spricht nun davon, dass „der Verbrennungsmotor gerade mit synthetischen Kraftstoffen große Chancen“ biete und dass das „Prinzip der Technologieneutralität“ aufgegeben werde. Dabei ist der Verbrennungsmotor auch mit E-Fuels im Vergleich zu Strom und Wasserstoff die ineffizienteste Antriebsform. In ein ähnliches Horn wie die CDU stoßen auch die FDP und Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler).
Dem gegenüber stehen eine Vielzahl von Protagonisten der Elektromobilität, und zwar nicht nur die „üblichen Verdächtigen“ wie einige Umweltverbände und die Grünen – nein, gerade viele Autohersteller machen sich für ein Fossil-Fahrzeug-Finale 2035 stark.
- Gegenwärtige oder schon in naher Zukunft vollelektrische Automarken wie Tesla, Polestar oder einige chinesische Hersteller haben mit dem Termin natürlich kein Problem.
- Schon auf der Weltklimakonferenz im Glasgow vergangenen November hatten sich Mercedes-Benz, Volvo, BYD, Jaguar Land Rover, Ford, General Motors (GM) und eine Tochterunternehmen der indischen Tata Motors zu einem Verbrennerausstieg bis 2035 in den führenden Märkten – und das ist die EU nun mal – bekannt. Einige dieser Automarken wie Volvo, Ford und die GM-Tochter Cadillac haben diese Zeitenwende für sich inzwischen auf 2030 vorverlegt.
- Wichtig ist natürlich, was die großen europäische Autobauer vorhaben. VW, in Europa die Nr. 1 und weltweit die Nr. 2, war in Glasgow nicht mit an Bord, hatte aber schon vorher einen Ausstieg bis 2035 angekündigt. Dazu passt, dass viele Konzernmarken schon deutlich früher reine Elektro-Marken werden wollen: Audi 2033, Bentley und Cupra sogar 2030.
- Stellantis, mit seinen 14 Marken die Nr. 2 in Europa und weltweit die Nr. 4, will sogar noch schneller sein: die französische Konzern-Luxusmarke DS soll bereits ab 2024 rein elektrisch fahren, 2028 werden Chrysler, Opel und die britische Vaushall nur noch E-Autos bauen, Fiat ab 2030. Die Italiener bieten zudem schon ab nächster Woche in Großbritannien keine reinen Verbrenner mehr an. Zudem wird Stellantis unter seinem CEO Carlos Tavares, der ein deutlicher Verfechter der Elektromobilität ist, zum Jahresende aus dem europäischen Automobilherstellerverband ACEA austreten – als Reaktion auf dessen Stellungnahme zum 2035-Ziel.
Letztlich aber vollziehen die Autokonzerne nur nach, was viele Staaten längst vorgegeben haben: nach dem Nicht-EU-Land Norwegen, das bereits 2025 aus der Verbrennerwelt aussteigen will, folgen 2030 bereits sechs kleinere EU-Staaten sowie Großbritannien. Der Markt für Verbrenner wird immer enger.
Fazit
Trotz des Aufschreis aller ewig Gestriger, die die Verkehrswende verschlafen haben: der Plan von EU-Kommission und EU-Parlament ist nicht sonderlich revolutionär. Und wie immer jetzt die Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten ausgehen – unter dem Eindruck der sich deutlich verschärfenden Klimakrise könnte das VerbrennerAus auch noch deutlich früher kommen. Niemand sollte jedenfalls überrascht sein, dass sich die Autokonzerne bereits auf einen Ausstieg um 2030 vorbereiten. Wenn demnächst die kostengünstigeren Natrium-Ionen-Akkus kommen, und die in die Fahrzeugkarosserie integrierte PV (VIPV) sowie Wechselakkus Verbreitung finden, besteht weder kosten- noch ladeseitig ein Grund, am alten Fossil-Fahrzeug-Faible festzuhalten. Dann könnte es mit der Verkehrswende blitzschnell gehen.